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Keine Angst vor den Löwen - SG wie im Rausch

Wenn sich in vorweihnachtliche Stimmung die Euphorie über einen Sieg mischt, treibt dies sogar bei hart gesottenen Profis mitunter poetische Blüten. "Die Spieler schweben, sie fliegen ja fast wie Engel herum", sagte Anders Dahl-Nielsen. Dann kehrte der Sportdirektor der SG Flensburg-Handewitt zum nüchternen Geschäft zurück. "Jetzt müssen wir sie wieder auf den Boden kriegen. Nun kommen drei ganz schwere Spiele", mahnte der Däne mit Blick auf die nächsten Gegner Minden, Lübbecke und Wilhelmshaven - wohlwissend, dass der Alltag manchmal eine größere Last ist als die Herausforderung gegen einen nahezu ebenbürtigen Rivalen.

Torge Johannsen stürmt

Eine Woche bleibt dem Tabellenführer, die tolle Leistung gegen die Rhein-Neckar Löwen zu genießen, die mit einer 36:28 (16:13)-Abreibung wieder ein wenig in Richtung Kronau-Östringen reduziert wurden. Das große Geld warf in Flensburg zu wenig Tore. Erst am Mittwoch hatte Löwen-Manager Thorsten Storm nachgerüstet. Die Blitzverpflichtung von Gregorz Tkaczyk und Karol Bielecki vom SC Magdeburg gab dem Duell mit seinem ehemaligen Verein zusätzlich Würze. Zu scharf allerdings für die Löwen, die 50 Minuten mithielten, am Ende aber in der "Hölle Nord" gegrillt wurden. "Jeder hat gesehen, dass der Flensburger Sieg mehr als verdient war", musste Storm feststellen, und: "Die SG ist der Meisterschaftsfavorit. Das meine ich ernst."
Die Wurfgewalt der Löwen Velyky, Jurasik, Harbok, Bielecki, Tkaczyk reichte nicht, um die Campushalle zu stürmen. Tkaczyk traf nur zwei Mal, Bielecki - für Magdeburg vor 14 Tagen noch acht Mal erfolgreich - wurde auf drei Tore eingebremst. Dafür war zum einen Dan Beutler verantwortlich, der seine fabelhafte Saison um ein weiteres Glanzlicht bereicherte. 23 Bälle, darunter zwei Siebenmeter parierte der Schwede - das ist Weltklasse. Zum anderen war es die von Trainer Kent-Harry Andersson glänzend eingestellte Abwehr, die den Rückraum der Mannheimer in Schach hielt und Weltmeister Christian Schwarzer am Kreis völlig neutralisierte. "Ich kann mich nicht erinnern, dass wir in dieser Saison schon einmal so gut in der Deckung gespielt haben", meinte Johnny Jensen, sonst ein eher kritischer Analyst des SG-Spiels. "Wir haben gelernt aus dem Magdeburg-Spiel", sagte Michael Knudsen, "wir haben offensiver gestanden und sind gegen Harbok und Bielecki nach vorn gegangen. Und es war natürlich eine extra Motivation gegen die beiden neuen Polen und gegen Thorsten Storm zu gewinnen." Thomas Mogensen fand die neun WM-Finalisten der Löwen gar nicht so Furcht erregend, auch das Tkaczyk/Bielecki-Déjà-Vu habe ihn nicht nervös gemacht. "Die hatten schon vorher eine unglaubliche Mannschaft. Aber sie dürfen ja nur mit sieben spielen", meinte der Däne grinsend. "Sie haben kein richtiges Angriffssystem. Wenn du gut in der Abwehr stehst, ist es nicht so schwer, sie zu halten."

Nach dem Abpfiff war Party.

Ganz im Gegensatz zum SG-Angriff, in dem Mogensen seinen Trainer als Lenker überzeugte. "Thomas hat es sehr gut gemacht in der Mitte", sagte Andersson, der so den angeschlagenen Ljubomir Vranjes (Leistenbeschwerden) schonen konnte. Neben Mogensen brillierten Torjäger Blazenko Lackovic, den Andersson auf dem Weg zurück in die Weltklasse wähnt ("Er ist schon bei 90 Prozent") und Marcin Lijewski mit einem guten Gespür für das, was zu tun und was zu lassen ist. Ein Phänomen bleibt Lars Christiansen, der Alterslose. Der Däne bestätigte die Richtigkeit der SG-Entscheidung, ihn trotz seiner 35 Jahre für zwei weitere Spielzeiten zu binden. Neun Versuche, neun Tore gegen Vizeweltmeister Slawomir Szmal und gegen Weltmeister Hennig Fritz - da gab es keine Fragen mehr.
Einziger Wermutstropfen war der Rückzieher von Mladen Bojinovic. Der Rückraumstar hat bei HB Montpellier um vier Jahre verlängert und den heftigen Flirt mit Flensburg offenbar nur als Druckmittel eingesetzt. "Ganz mieser Stil", kommentierte SG-Manager Fynn Holpert das Verhalten des Serben. Vielleicht hätte sich Bojinovic mal bei Dan Beutler erkundigen sollen. Der Schwede hat seine Avancen an den sonnigen Süden endgültig beendet und wärmt sich lieber in der "Hölle Nord": "Hier will ich meine Profikarriere beenden", ließ der 30-Jährige wissen.