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Nordhorns Konter schlagen die SG

Katzenjammer bei der SG Flensburg-Handewitt: Mit der unerwarteten 30:31-Niederlage gegen die HSG Nordhorn verdarb sich der Tabellenzweite der Handball-Bundesliga den Sprung an die Spitze.
Die Nerven von Fynn Holpert werden auf eine harte Probe gestellt. "Das bin ich nicht gewohnt", sagte der neue Geschäftsführer der SG Flensburg-Handewitt angesichts von drei Heimniederlagen in kurzer Folge. Ciudad Real und Lubin in der Champions League, nun Nordhorn in der Bundesliga - "wir haben unsere Fans nicht gerade verwöhnt in letzter Zeit", meinte der 40-Jährige nach der ärgerlichen Schlappe am Sonnabend. Mit dem 30:31 (16:16) gegen die HSG Nordhorn ging nach 22 Monaten und 29 Heimsiegen eine Serie zu Ende.
Überdeutlich wurde erneut, dass den Flensburgern trotz der Erfolge gegen Kiel und in Hamburg noch einiges zu einem Titelanwärter fehlt. Man darf sich nicht von einem Torwartwechsel des Gegners beeindrucken lassen, auch wenn statt eines Nikolas Katsigiannis der furchterregende  Peter Gentzel aufscheint. Man darf nicht gegen einen Tabellenvierten mit gebremstem Schaum spielen, auch wenn dieser sonst gewohnheitsmäßig zu Hause geschlagen wird. Die SG ist nicht in der Lage, über 60 Minuten die Intensität durchzuhalten, die im Kampf um die Spitze notwendig ist.
Es geht um Kleinigkeiten. Zu recht empörten sich die Flensburger über die Magdeburger Schiedsrichter Frank Lemme und Bernd Ullrich, die zweimal Vorteilssituationen unterbrachen und "uns zwei Tore geraubt haben" (Holpert). Andererseits sind einzelne Fehlleistungen der Unparteiischen stets in die Kalkulation einzubeziehen. Man muss sich eben anderweitig Luft verschaffen.
Auch Teammanager Anders Dahl-Nielsen ärgerte sich über die Spielleiter, räumte letztlich aber ein: "Wir wurden mit eigenen Mitteln geschlagen." Symptomatisch war der finale Akt des Krimis in der Campushalle. Der Linksaußen Goran Sprem brachte in den letzten acht (!) Sekunden, die Nordhorn nach Lars Christiansens Tor zum 30:30 blieben, einen Konter erfolgreich zum Abschluss.

An Marcin Lijewski schieden sich die Geister.

Schnelle Mitte und Tempogegenstoß der Gäste waren tödlich für Flensburg. "Das Problem war unser Rückzugsverhalten. Wären wir einfach nur mehr gelaufen, hätte Nordhorn nicht zehn einfache Tore gemacht", stellte Fynn Holpert fest. Viel zu langsam vollzog sich das Umschalten von Angriff aus Abwehr. "Wir freuen uns noch über das Tor und Nordhorn läuft nach vorn. Schnelle Mitte und dann Bumm", beschrieb Dan Beutler, wie ihm die Konterwellen entgegenschlugen.
Das wäre noch zu verkraften gewesen, hätten die Flensburger nicht sage und schreibe 28 Fahrkarten geschossen, wobei Gentzel "nur" 18 Mal im Weg stand. Der Mangel an Präzision ist einer starken Gäste-Abwehr geschuldet, die SG-Angriffe über den Kreis fast komplett unterband. Der Rückraum konnte dies nicht kompensieren, auch weil Marcin Lijewski einmal mehr neben sich stand.  Der Linkshänder, dessen Zukunft in Hamburg liegt,  erweckt nicht den Eindruck, als würde er sich bedingunglos für die SG einsetzen. Auch Holpert entging die Körpersprache des Polen nicht. "Marcin muss wieder zeigen, dass er Weltklasse ist. Und ihm muss klar sein, dass sein gegenwärtiger Arbeitgeber die SG Flensburg-Handewitt ist", mahnte der Manager. Spielmacher Ljubomir Vranjes indes nahm Holpert in Schutz: "Gegen Kiel und Hamburg war er der beste Mann. Wenn wir über Teamspiel reden, muss man sehen, dass ihm die Halben momentan nicht den Platz schaffen." Vranjes selbst entgegnet der Kritik an seinem Spiel: "Ich muss auf die Abwehr gehen, wenn es sonst keiner tut und dort Unruhe schaffen. Es ist nicht für jeden einfach, mein Spiel zu verstehen. Damit muss ich leben. Wenn wir gewinnen, sagt keiner etwas."
Der mögliche Lijewski-Nachfolger Holger Glandorf brillierte in der ersten Halbzeit, danach bekam ihn die SG-Abwehr besser in den Griff und drückte die Quote des Nordhorner Torjägers auf 53 Prozent. Eine Auskunft über seine Zukunft war von Glandorf nicht zu haben, auch HSG-Boss Bernd Rigterink konnte nichts zum Stand der Dinge sagen: "Man sollte Holger jetzt erst einmal in Ruhe lassen."
Fynn Holpert erwartet Glandorfs Entscheidung bis zum Ende des Monats. Optimisten dürfen  spekulieren, dass Glandorf einen Wechsel nicht ausgerechnet vor der Revanche im Pokal-Heimspiel gegen die SG am 30. Oktober vermelden wird. Unterdessen scheint sich eine andere Transfer-Baustelle aufzutun. Anders Eggert, dessen Vertrag ausläuft, soll ein Angebot aus Kiel haben. "Dazu habe ich nichts zu sagen. Vielleicht weiß ich in 14 Tagen mehr", meinte der Linksaußen und ließ dies nicht wie ein Dementi klingen.