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SG tankte trotz Niederlage Selbstvertrauen

Zum zweiten Mal in Folge ist die SG Flensburg-Handewitt im DHB-Pokal am THW Kiel gescheitert. Nach dem Zweitrunden-Aus in der Vorsaison, kam die Endstation diesmal im Semifinale beim Final Four in der Hamburger Color-Line-Arena. Mit 33:34 (12:19) unterlag der Vizemeister dem Erzrivalen aus Kiel und verpasste somit die Chance auf den vierten Pokalerfolg in der Vereinsgeschichte. Soweit die nüchternen Fakten.
Was sich jedoch während des ewig junge Nordderbys ereignet hatte, dass lässt sich nicht mit Zahlen abtun und ohne weiteren Kommentar zu den Akten legen. Denn es war ein denkwürdiger Pokalfight, mit sämtlichen Facetten, die der Handball bietet, den sich Flensburg und Kiel geliefert hatten. Tempo, Emotionen, Tore, Spannung und ein Höchstmaß an Dramatik - eben alles was das Handball-Herz begehrt. Interessant sind vor allem die Aufschlüsse, die die Begegnung in Hinblick auf die beiden kommenden Duelle, im Finale um den Champions League lieferte. Da wäre zum einen die Geschichte der ersten Halbzeit, in der Kiel die SG vorführte und es nach einer bösen Abreibung für Flensburg aussahe. Da wäre jedoch auch die Geschichte des zweiten Durchgangs, indem die SG Moral bewies und die seit Monaten scheinbar übermächtigen Kieler mehr als ins Wanken brachte. "Was wir in der ersten Halbzeit gespielt haben war peinlich«, nahm SG-Manager Thorsten Storm kein Blatt vor den Mund über die Leistung der eigenen Mannschaft. Storm stellte aber auch klar: "Wir haben Moral bewiesen und gezeigt, dass wir mit Kiel auf Augenhöhe sind."
Überhaupt waren die unterlegenen Flensburger bemüht, der Niederlage etwas Positives abzugewinnen. "Wir haben schlecht gespielt in der ersten Hälfte, keine Frage", sagte Spielmacher Ljubomir Vranjes, der auch nach einer abkühlenden Dusche immer noch fassungslos durch die Katakomben der Color Line Arena lief. "Ich kann es mir auch nicht erklären, da Kiel gar nicht so überragend war. In der zweiten Halbzeit waren wir jedoch viel besser und diese Leistung müssen wir mit rüber nehmen in die Champions League-Endspiele", sagte der Schwede.
Lars Christiansen meinte: "Über das Ausscheiden bin ich nicht so enttäuscht, wie über unsere Leistung in der ersten Hälfte. Doch es gibt solche Tage. Wir haben aber auch gesehen, dass Kiel verwundbar ist. Die haben ja seit Monaten nicht verloren und schienen unschlagbar. Doch wir hatten sie heute am Rande der Niederlage."
Dass es nach einer katastrophalen ersten Hälfte, die mit einem Sieben-Tore-Rückstand für die SG endete, überhaupt noch soweit kam, damit hatte wohl kaum jemand der rund 13000 Zuschauer in der restlos ausverkauften Arena gerechnet. Dank einer Halbzeitaussprache, einer taktischen Umstellungen und einer gehörigen Portion Aggressivitär fand die SG zurück ins Spiel und unterlag am Ende nur knapp und unglücklich.
"In der Halbzeit haben wir besprochen, dass wir das umsetzen müssen, was wir uns vorgenommen hatten", erklärte SG-Kapitän Søren Stryger. Gesagt getan: Die SG stellte auf eine 5-1-Deckung um und agierte fortan deutlich offensiver und aggressiver. Zudem steigerte sich Dan Beutler von Minute zu Minute und als Kiels Mittelblock aufgrund der roten Karte gegen Andriy Xepkin (38.) auseinanderfiel, schien die Aufholjagd unaufhaltsam. Der Ausfall der Hallenuhr, Chaos am Zeitnehmertisch und das Tor von THW-Kreisläufer Peller Linders (59.) zum 34:33 verhinderten am Ende jedoch den SG-Sieg.
SG-Trainer Kent-Harry Andersson richtete seinen Blick nach der Niederlage schnell in Richtung Königsklasse und hob ebenfalls die positiven Aspekte der Niederlage hervor. "Natürlich hätten wir lieber gewonnen und das Finale gespielt. Dass es jedoch so gelaufen ist, mit einer schwachen ersten und guten zweiten Halbzeit ist besser als umgekehrt", sagte Andersson und fügte hinzu: "Es ist gut zu wissen, dass wir mit einer 5-1-Deckung gegen Kiel etwas bewegen konnten. Zudem wird Lijewski zum Finale wieder ganz gesund sein und auch Joachim Boldsen kommt langsam wieder in Schwung. Unser Problem wird allerdings sein, dass Vranjes im ersten Spiel gesperrt ist und wir zwei Spielmacher brauchen."
Wie beim Finale Four kommt es also auch in der Champions League nicht nur auf die Stammspieler, sondern vor allem auch auf deren Ersatzleute an. Und für genau diese hatte Mannschaftsführer Stryger nach dem Pokalaus großes Lob parat: "Alle, die heute rein kamen, haben gezeigt, wie wichtig sie sind. Das wird auch in der Champions League noch wichtig, denn diese Spiele werden auch über die Kraft entschieden", sieht der Däne sein Team im Vorteil.
Gemeint waren beispielsweise Anders Eggert, der Christiansen  - der einen rabenschwarzen Tag erwischt hatte - glänzend vertrat oder auch Kasper Nielsen, der auf der halbrechten Position für reichlich Wirbel gesorgt hatte.
Neben der Kraft ist es der Glaube an die eigene Stärke, der für die SG wichtig sein wird, beim Angriff auf Europas Krone. Und eben jenen Glauben hat die SG trotz der Pokalpleite gestärkt. "Wir haben uns in der Pause gesagt, dass wir an uns glauben müssen und das haben wir auch getan", sagte Stryger, der sein Team nach Spielende zu einem Kreis versammelt und auf das Nordderby in der Königsklasse eingeschworen hatte. Eine Szene die verdeutlichte, dass es an diesem Tag zwei Sieger gab. Den THW Kiel, der sich sportlich für das Finale qualifiziert hatte. Und die SG Flensburg-Handewitt, die den moralischen Sieg aufgrund der zweiten Hälfte für sich verbuchen konnte und somit keinesfalls gedemütigt im Champions League-Finale antritt.
"Hätten wir in der zweiten Halbzeit genauso schwach gespielt, wie in der ersten, dann hätten wir auch einen Knacks in Richtung Champions League-Finale bekommen", war sich das Dänen-Trio Christiansen, Stryger und Boldsen einig. So aber ist es wie im wahren Leben: Jede Niederlage hat auch eine gute Seite und die SG geht gestärkt daraus hervor.