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Der „Mythos“ FC Barcelona

Jährlich pilgern mehr Menschen ins „Museu FC Barcelona“, das in das Stadion Camp Nou integriert ist, als in das berühmte Picasso-Museum. Der Fußball dominiert die 108-jährige Geschichte des Handballvereins. Aber auch die 1940 gegründete Handball-Sektion hat sich in der Ruhmeshalle einen festen Platz erkämpft. Nach dem Rundgang durch die Ausstellungsräume kommen die Besucher zum gleichen Ergebnis wie Thorsten Storm, Geschäftsführer der SG Flensburg-Handewitt, nach der jüngsten Auslosung in der Champions League: „Der FC Barcelona ist ein Mythos.“
Dieser Mythos entstand durch die lange, erfolgreiche Geschichte, die vielen Fußball-Erfolge und die enorme Zahl von über 150000 Mitgliedern. Doch die Fußball-Allmacht allein reicht nicht aus, um auch die Handball-Welt vor dem Kürzel „Barca“ erzittern zu lassen. Denn der FC Barcelona ist nicht nur ein sehr großer Fußballverein, sondern auch der erfolgreichste Handballclub in der Welt. In fast sieben Jahrzehnten haben sich 25 spanische Meisterschaften (davon 20 in der Liga seit 1953), elf spanische Königspokale, jeweils sieben Champions-League-Trophäen und spanische Ligapokale, fünf europäische Cupsieger-Pokale und ein EHF-Cup angesammelt. Praktisch kein Jahr vergeht, dass der Briefkopf keiner Neufassung bedarf.

Der „Mythos“ resultiert aber auch aus den vielen Weltklassespielern, die in den vergangenen Dekaden im blau-granatroten Dress aufliefen. Der FC Barcelona verdient sich trotz der Konkurrenz von Ciudad Real das Prädikat, das man im Fußball dem großen Kontrahenten Real Madrid verleiht: Königlich! Dafür steht allein ein Name: Iñaki Urdangarin. Der Rückraumspieler ging von 1986 bis 2001 für „Barca“ auf Torejagd, lernte bei den Olympischen Spielen 1996 die Infantin Christina de Borbón, Tochter von König Juan Carlos, kennen. Beide heirateten 1997, der Profi-Handballer wurde Herzog von Palma, wird nun offiziell mit „Seine Exzellenz“ angeredet. Sein Trikot mit der Nummer 7 hat einen Ehrenplatz im Palau Blaugrana gefunden.
Für die deutschen Handball-Fans hat der FC Barcelona spätestens seit 1983 einen besonderen Klang. Damals köderten die Katalanen den deutschen Handball-Star Erhard Wunderlich mit einem über 2,5 Millionen Mark dotierten Vier-Jahres-Vertrag ans Mittelmeer. Die Geschichte hatte nur einen Haken: Der 2,04-Meter-Hüne wechselte nur zwölf Monate später zum Münchener Zweitligisten TSV Milbertshofen. „Ich hatte keine Anpassungsprobleme in Barcelona“, erinnert sich Erhard Wunderlich. „Es war nur so, dass nicht erfüllt wurde, was vertraglich vereinbart war.“ Nach dem gebürtigen Augsburger fanden nur zwei weitere deutsche Handballer den Weg zum FC Barcelona. Von 1999 bis 2001 spielte Weltmeister Christian Schwarzer im Palau Blaugrana, erst im Sommer wechselte Nenad Perunicic, der vor einigen Jahren die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen hat, nach Spanien.

Die Handballer des FC Barcelona profitieren vom großen Bruder „Fußball“. So gehen sie – einzigartig für ihre Sportart – mit leeren Händen zum Training. Schuhe, Bälle, Trikot – alles liegt frisch gewaschen bereit. Beim Mannschaftsarzt kam es vor, erinnert sich Glenn Solberg, dass man zusammen mit Ronaldinho auf die Untersuchung wartete. Die 7900 Zuschauer fassende Arena für Handball, Basketball und Rollhockey – ein Mosaikstein auf dem prächtigen Gelände „Joan Gamper“ – ist nach dem historischen Trikot, das die Kicker weltberühmt machten, benannt: „Palau Blaugrana“. Im Grunde findet in den anderen Sportarten die Fortsetzung des Wettstreits mit dem ewigen Erzrivalen Real Madrid statt. Es geht immer um die Vorherrschaft im spanischen Sport. „Als der FC Barcelona 1999 in Fußball, Handball, Basketball und Rollhockey gleichzeitig spanischer Meister wurde“, erinnert sich Christian Schwarzer, „war die Stadt eine einzige Festwiese“.
Allerdings „sponsert“ der Fußball seit Jahren die anderen Sparten. Immer wieder wurde diskutiert, ob man den Geldhahn für die Handballer abdrehen sollte. Getan hat man es bislang nicht, der FC Barcelona bestritt aber durchaus neue Wege. Während auf den Fußballtrikots keine Sponsoren-Schriftzüge (außer für die Unicef)  geduldet werden, ist man inzwischen bei den anderen Sportarten kompromissbereiter geworden. Nach der Versicherung „Winterthur“ bei den Basketballern erhielten die Handballer im Frühjahr 2005 den Zusatz „Cifec“ – im Vereinsnamen und auf dem Spielerdress. Die Baumarkt-Kette fördert nun exklusiv die erfolgreichste Handball-Abteilung der Welt – einen Handball-Mythos.