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Flensburger zu müde zum Feiern

Die SG Flensburg-Handewitt steht zum dritten Mal in der Runde der besten Vier in der Champions League. Mit grandiosem Kampfgeist überstand der deutsche Vizemeister das Viertelfinal-Rückspiel beim FC Barcelona mit einer 29:34 (12:14)-Niederlage. Die Basis für den geschichtsträchtigen Triumph hatte die SG mit einem 31:21-Sieg im Hinspiel gelegt.
Die Helden waren müde. Drei Stunden nach der Schlacht im Palau Blaugrana saß Kent-Harry Andersson in der Lobby des Plaza Hotels und starrte ins Leere. "Ich bin total fertig. Das waren 60 Minuten Stress“, sagte der SG-Trainer. Marcin Lijewski ging es ähnlich: "So ein Riesensieg, aber ich bin zu müde zum Feiern.“ Manchem fiel es schwer, das Glücksgefühl in sich zu entdecken, dass dem außergewöhnlichen Erfolg angemessen gewesen wäre.
Die SG Flensburg-Handewitt hat ihren Rang unter den besten Vier in Europa bestätigt, vor allem aber den spanischen Bann gebrochen. Nie zuvor war es einem Bundesligisten gelungen, ein Team aus der Liga Asobal in der Champions League zu schlagen. Die SG brachte das Kunststück ausgerechnet gegen den siebenfachen Königsklassen-Gewinner FC Barcelona fertig. Zu Hause 31:21 gewonnen, am Sonnabend nur 29:34 verloren: Das Viertelfinale wurde mit 60:55 für die Flensburger abgerechnet.

Dan Beutler parierte 17 Bälle.

Was auf den ersten Blick souverän wirkt, war eine Gratwanderung. "Wir hatten einige kleine Krisen im Spiel, aber die haben wir sehr gut überstanden“, meinte Andersson. "Es sind nie sechs oder sieben Tore Rückstand geworden. Das war wichtig, sonst hätten wir ernsthafte Probleme bekommen.“
In der zweiten Halbzeit war es fast soweit. Barcelona führte 20:15, dann wurde  erst Marcin Lijewski auf die Strafbank geschickt, kurz darauf folgte ihm Jan-Thomas Lauritzen. Beide Fouls wurden zusätzlich mit Siebenmetern geahndet. Das war der große Moment von SG-Torhüter Dan Beutler, der sowohl den Strafwurf von Iker Romero als auch den von Juanin Garcia parierte. "In Spielen gegen die vier oder fünf besten Mannschaften der Welt musst du auch Glück haben“, sagte der schwedische Torhüter, der beide Schützen gut studiert hatte. "Sie warfen genau in die anderen Ecken als üblich - und darauf hatte ich spekuliert. Das war Glück.“
Und es war der Schlüssel zum Sieg. Geschockt über die verpasste Chance ließ Barca in 6:4-Überzahl zu, dass Sören Stryger zum 17:20 verkürzte. "Da habe ich angefangen zu glauben, dass es reicht“, sagte Kent-Harry Andersson. Sicher war er sich nach 54 Minuten beim Stand von 23:24 aus SG-Sicht - zehn weitere Tore hätten die Katalanen da noch gebraucht. Dass dazu die Zeit nicht reichen würde, spürten auch die 350 Flensburger Fans, die jetzt "So ein Tag, so wunderschön wie heute“ anstimmten.

Joachim Boldsen: effektiv in der Anfangsphase.

Neben Dan Beutler, der insgesamt 17 Bälle parierte, ragte Michael Knudsen heraus. Der Kreisläufer rackerte nach dem Ausfall von Johnny Jensen (Pferdekuss in der 26. Minute) wie ein Berserker in der Abwehr und warf sechs Tore. "Das war Weltklasse“, meinte Co-Trainer Jan Paulsen. "Was der für Prügel einstecken musste, wie der in der Deckung gearbeitet hat. Michael ist richtig gut drauf.“
Dies galt auch wieder für die Rückraumspieler Lijewski, Boldsen und Vranjes, die am Mittwoch in der Partie gegen Gummersbach noch total von der Rolle waren. Diesmal konnten sie es gut kompensieren, dass Lackovic nur beschränkt einsatzfähig ist. Boldsen war der wichtigste Mann zu Beginn, als Barcelona mit viel Druck die Einfahrt in die Siegerstraße suchte. Zwei Tore des Dänen zum 3:3 und 4:3 signalisierten den Spaniern, dass die Gäste den Kampf annehmen würden.
Die Anspannung, unter der alle Akteure standen, entlud sich kurz vor Schluss, als Lars Christiansen nach einem Gerangel mit Dragan Skribic Rot sah. "Ja ich habe ihn leicht geschlagen, aber der ist dann gleich gestorben. Das war übertrieben“, sagte der aufgebrachte Däne, der "Schiri" Bord auch noch die rote Karte klaute. "Skrbic hat die ganze Zeit meine Mitspieler verprügelt. Ich durfte das nicht machen, aber das passiert halt mal“, meinte Christiansen, dem möglicherweise eine Sperre droht.

Stimmen zum Spiel

David Barrufet (Barca-Torhüter): "Zehn Tore sind einfach zu viel zwischen zwei so starken Mannschaften. Wir waren in der zweiten Halbzeit sehr gut, haben dann aber unsere Ruhe verloren.“
Michael Knudsen (SG-Kreisläufer): "Wir haben sehr unter Druck gestanden in der zweiten Halbzeit. Aber wir sind zurück gekommen, weil wir einen Supertorwart haben und weil wir eine Supermannschaft sind.“
Xesco Espar (Barca-Trainer): "Wir hatten jede Hilfe von unseren Fans, aber Flensburg hat den Druck gut ausgehalten. Diese Mannschaft war einfach besser als wir.“
Kent-Harry Andersson (SG-Trainer): "Ich verstehe den spanischen Trainer nicht. Ich hätte nur mit Jonas Larholm in der Mitte gespielt und Laszlo Nagy viel mehr gebracht. Das hat mich sehr überrascht - aber es war gut für uns.“
Ljubomir Vranjes (SG-Spielmacher): "Wir haben immer die Ruhe bewahrt, als es eng wurde. Barcelonas Schwachpunkt ist die Abwehr. Sie haben mehrere Sachen probiert, aber kein Instrument gegen uns gefunden.“
Jochim Boldsen (SG-Rückraumspieler): "Es war heute kein schwieriges Spiel, wir hatten es immer im Griff.“
Thorsten Storm (SG-Manager): "Unsere Jungs sind eine große Mannschaft. Jetzt möchte ich einen deutschen Gegner, denn Ciudad Real im Halbfinale wird auf die Dauer langweilig.“