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Zusammenstoß der Spiel-Systeme

SG Flensburg-Handewitt gegen FC Barcelona - allein die Nennung dieser Spielpaarung hat die gesamte Handball-Region im Handumdrehen verzaubert und in Windeseile für eine ausverkaufte Campushalle gesorgt. Denn seit 1995, dem Debütjahr der SG auf internationaler Ebene, gastiert mit den Katalanen die weltbeste Vereinsmannschaft erstmals auch in der Fördestadt.
Wenn die SG heute im Viertelfinal-Hinspiel der Champions-League (19.15 Uhr, Live-Ticker ab 18.45 Uhr) gegen das Starensemble aus dem sonnigen Süden Europas antritt, werden auch zwei unterschiedliche Spielkulturen auf die Probe gestellt. Aber erst nach dem Rückspiel am 3. März (Sonnabend, 16.30 Uhr) in der spanischen Kultur-Metropole wird sich zeigen, ob sich das "SG-Super-Kollektiv" gegen die "FC-Star-Individualisten" durchgesetzt hat.

Jan Holpert: "Das ist der Hammer!"

"Gegen Barcelona zu spielen ist ein Hammer. Sie haben nur Topleute im Team, alles vom Feinsten", bewertet SG-Torwart Jan Holpert den hochkarätigen Gast aus Spanien mit großer Achtung. Und für Manager Thorsten Storm verkörpert Barcelona sogar den Status eines Mythos. Als Hauptgrund für die Lobeshymnen gilt die Erfolgsbilanz der Katalanen, die sich seit 1991 immerhin sieben Mal die Krone europäischen Club-Handballs aufgesetzt haben. In diesem Zusammenhang sind bislang auch alle Bemühungen deutscher Mannschaften gescheitert, den legendären FC Barcelona in seinem Lieblingswettbewerb auszuschalten. "Es ist doch eine große Herausforderung für uns, die erste deutsche Mannschaft zu sein, die Barcelona aus dem Rennen wirft", lässt sich SG-Coach Kent-Harry Andersson sogar zu einer echten Kampfansage verleiten. Und wer darauf wartet, dass der Schwede von dieser ungewohnt forschen Ankündigung schnell wieder abweicht, sieht sich getäuscht. Denn: "Es werden auf jeden Fall zwei sehr enge Spiele und nicht Kantersiege, wie wir sie zuletzt gegen Celje erlebt haben. Und wenn alle meine Spieler dabei sind, dann haben wir gute Möglichkeiten uns durchzusetzen."
Den Eindruck einer sehr großen Portion Zuversicht vermitteln auch Jan Holpert und Dan Beutler. "Barcelona spielt sehr individuellen Handball und wir sind das klar bessere Kollektiv. Daher ist es enorm wichtig, das wir das erste Spielgewinnen. Dann haben wir gute Chancen uns im Rückspiel zu behaupten", erläutert "Magier" Holpert. Und sein schwedischer Partner zwischen den Pfosten hält das System der Spanier sogar für einen echten Schwachpunkt.
Nach einem Telefonat mit seinem Landsmann Jonas Larholm, der im Augenblick beim FC nur die Nummer drei auf der Spielmacher-Position  einnimmt, steht für Beutler endgültig fest. "Sie setzen in dieser Saison noch verstärkter auf individuelle Spielart. Und genau darin liegt unser Chance und der Vorteil, den wir nutzen müssen."
Selbst von der Tatsache, dass auf diese Art und Weise die spanische Nationalmannschaft vor zwei Jahren Weltmeister wurde, lassen sich die Herausforderer von der deutsch-dänischen Grenze nicht beirren. "Eigentlich setzt sich das Kollektiv immer durch", erklärt Holpert stur.

Dan Beutler telefonierte mit Jonas Larholm.

Kent-Harry Andersson hat nach einem für seine Verhältnisse überaus umfangreichen Video-Studium (sechs Kassetten) nur einen kleinen Einblick in seine Taktik gewährt. "Wir wollen in der Abwehr sehr aggressiv gegen die Rückraumspieler arbeiten. Wenn uns das gelingt, ist schon sehr viel erreicht." Bei der Frage nach eventuellen Schwachpunkten der Gäste hüllt sich Andersson dann komplett in Schweigen. Das ausgeprägte Lächeln verrät den SG-Coach jedoch schon im nächsten Moment, als die Vermutung aufkommt, die Rückraum-Riesen des FC seien beim Umschalten von Angriff auf Abwehr "recht schwerfällig" und damit anfällig für Tempogegenstöße.
Starke Abwehr, starke Torhüter und Tempo-Handball - auf diese Grund-Formel verlässt sich man sich Hause der SG auch gegen den mächtigen Rivalen aus Barcelona. "Man darf jetzt nicht spekulieren, wie hoch man gewinnt und  mit welchem Vorsprung es ins Rückspiel geht. Erst einmal muss man überhaupt gewinnen und dann versuchen in einen Lauf zu kommen", sagt Storm für das erste Duell mit dem Handball-Titan, und ergänzt, "Barcelona ist auch aufgrund der Tatsache, dass sie das Rückspiel zu Hause bestreiten, der Favorit. Aber ich weiß, dass unsere Mannschaft auf dieses Spiel heiß ist. Und wenn die Campushalle auch auf Betriebstemperatur kommt, ist vieles möglich."
Inwieweit sich der enorme Erfolgsdruck, der auf den FC-Spielern und ihrem Trainer Xesco Espar lastet, auf das Duell mit dem deutschen Vizemeister auswirkt, bleibt abzuwarten. Andersson hat von seinem Landsmann Thomas Svensson, dem Oldie-Keeper in den Diensten von Portland San Antonio, klar bestätigt bekommen, dass die in der nationalen Meisterschaft fast abgeschlagenen Katalanen "alle Kräfte in die laufende Champions-League-Saison setzen". Bei einem Scheitern gegen die SG droht dem erfolgsverwöhnten Klub nämlich die Verbannung aus der Königsklasse. Eine Vorstellung, die beim FC Barcelona schlichtweg unvorstelbar ist.
Gestützt auf Kultkeeper David Barrufet vertraut der FC-Coach dabei in erster Linie Hochkarätern wie der Rückraum-Achse Jerome Fernandez (Frankreich), Iker Romero (Spaniern) und Laszlo Nagy (Ungarn), den Kreisläufern Dragan Skrbic (Spanien) und Igor Vori (Kroatien) sowie den Außen Juan Garcia (Spanien) und Newcomer Gonzales Tomas (Spanien). Im Stillen vertrauen viele SG-Spieler sicherlich auch auf die bei der Weltmeisterschaft gemachten Erfahrungen, als Dänemark (mit den SGern Joachim Boldsen, Søren Stryger, Michael V. Knudsen und Lars Christiansen) sich als Kollektiv gegen die Individualisten Spaniens (u.a. mit Romero, Barrufet, Puig, Garcia, Tomas) mit 27:23-Toren durchsetzen konnte. Und als zusätzlichen Glückbringer kann ja auch der wiedergesene Blazenko Lackovic sogar auf zwei Siege während der WM mit der kroatischen Nationalmannschaft gegen Spanien blicken.