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Dan Beutlers Heldentat: Die Saison ist gerettet

Zum zweiten Mal nach 2004 steht die SG Flensburg-Handewitt im Finale der Champions League. Eine Riesenlast war von Spielern und Trainer nach dem 24:25 von Valladolid abgefallen. Viel hatte nicht gefehlt, und SG hätte das Traumfinale gegen den THW Kiel verpasst.
Immer wieder musste Dan Beutler aufstehen und das Sweatshirt lüften. "Wir wollen die Hüfte sehen, wir wollen die Hüfte sehen“, sangen die Spieler der SG Flensburg-Handewitt bei der Siegesfeier im Restaurante El Corillo in Valladolid. Die Hüfte des 29 Jahre alten Torhüters hatte im Halbfinal-Drama der Champions League über Gedeih und Verderb entschieden. In der größtmöglichen  Zuspitzung, dem Siebenmeter in letzter Sekunde, war das Schicksal mit der SG. Dank Beutlers Hüfte, an der Roberto Garcia Parrondos Wurf abprallte, blieb die Anzeigetafel im Hexenkessel des Pabellon Pisergua bei 25:24 für BM Valladolid stehen - und nie wurde eine Niederlage entfesselter gefeiert als in den Minuten nach diesem Coup des Schweden. Der 32:30-Vorsprung aus dem Hinspiel reichte zu einem der wichtigsten Erfolge in der SG-Geschichte.
Der Grat zwischen Desaster und Glückseligkeit konnte für die Flensburger kaum schmaler sein als bei dieser denkwürdigen Partie in der Hauptstadt Kastiliens. "Ich hatte ein ganz mieses Gefühl. Ich dachte nur, das Finale ist schon wieder weg“, gab Dan Beutler einen Einblick in sein Innerstes. "Ich habe nichts gedacht, hatte keinen Plan. Ich ging in die falsche Ecke und er traf mich trotzdem. Es war Glück, aber es war verdient.“
Tatsächlich musste es wohl so etwas wie ausgleichende Gerechtigkeit geben, nachdem sich die SG 60 Minuten lang nicht nur gegen den verbissen kämpfenden Widersacher und dessen 6300 frenetische Fans stemmen musste, sondern auch gegen eine Spielleitung, die fest entschlossen schien, das schleswig-holsteinische Finale in der Champions League um jeden Preis zu verhindern. "Ich fasse es nicht, dass wir es trotz dieser Schiedsrichter geschafft haben“, sagte SG-Trainer Kent-Harry Andersson, der sich noch in der Nacht die Aufzeichnung vom Spiel angesehen hatte.
Neben den spektakulären Fehlentscheidungen des slowenischen Gespanns Kristic/Lubic sah Andersson aber auch, wie seine Taktik aufgegangen war. Er wusste, dass die Abwehr den Ausschlag geben musste. "Vorn konnte es kein gutes Spiel geben. Wegen der vielen Verletzungen fehlten ständig Spieler im Training. Da bekommst du dann kein Timing hin. Deshalb haben wir bis ins Detail analysiert und geübt, was in der Deckung zu tun ist, sagte der SG-Coach. Um Zentimeter sei es gegangen bei dem Vorhaben, Valladolids Spielmacher Chema Rodriguez die Effektivität zu rauben: "Wir mussten auf seinen Wurfarm gehen, so dass er weder selbst abschließen konnte noch den Kreis anspielen. Da war sehr viel Präzision gefordert.“
Es klappte, allerdings erst, als die SG schon verloren schien: 1:6-Rückstand, miserable Wurfausbeute und eine paralysierte Abwehr. Eine Auszeit brachte die Wende. Andersson ordnete die Reihen neu, die Spieler erfüllten eine Abmachung. "Wir haben einander versprochen, dass wir nicht die Köpfe hängen lassen, egal ob wir vier oder fünf Tore zurückliegen“, sagte Lars Christiansen.
Zunächst geriet die SG aber sogar noch mit 4:10 ins Hintertreffen - nach einer Situation, die wie eine kalte Dusche wirkte. Nachdem Jan Holpert einen Siebenmeter pariert hatte, in dem er den Kopf hinhielt, verkürzte Kasper Nielsen im Gegenzug zum vermeintlichen 5:7 - doch das Tor wurde aberkannt, weil Vranjes nach einer Auswechselung noch mit einem halben Fuß im Feld gestanden hatte, als Nielsen schon im Spiel war. Zusätzlich gab der portugiesische Beobachter Carlos Cruz zwei Minuten. "Wer sucht, der findet auch etwas“, konmentierte SG-Manager Thorsten Storm die angesichts der Bedeutung dieses Spiel unverständliche Entscheidung. "Nicht auszudenken, wenn uns dieses Tor am Ende gefehlt hätte.“
Die Wiederauferstehung begann nach 18 Minuten. Die Gäste schafften das 10:10 (25.) und steckten auch den neuerlichen Vier-Tore-Rückstand (11:15, 32.) mit bemerkenswerter Moral weg. So kam es zum Showdown in der letzten Minute: Erst Rot für Vranjes nach einem taktischen Foul ("Ich musste es tun, um einen Tempogegenstoß zu verhindern“). Dann Beutlers Heldentat. "Ich muss mich bei meinem Landsmann bedanken“, sagte Andersson, "diese Saison ist gerettet.“