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Flensburg macht Gorazd Skof zur Wand

Es passte wie die Faust aufs Auge, als Mitte der ersten Hälfte „The Wall“ aus den Lautsprechern der Zlatorog-Arena dröhnte. Es schien fast so, als ob die slowenischen Fans zum Rhythmus von Pink Floyd immer wieder „Skof“ skandierten. Denn Gorazd Skof, der Nationaltorhüter von Celje, mauserte sich für die SG Flensburg-Handewitt zur „Wand“. 22 Bälle entschärfte der Schlussmann insgesamt. Allerdings waren es nicht immer Aktionen, die den Namen „Parade“ verdienten. Teilweise warfen die Flensburger Schützen, die keine großen Probleme mit der gefürchteten 5:1-Abwehr von Celje hatten, direkt auf den Körper von Gorazd Skof. Allein Marcin Lijewski, der zuletzt an einer Mandelentzündung operiert hatte, benötigte für ein Törchen satte zwölf Versuche. „Letztendlich haben wir die klaren Chancen nicht genutzt“, ärgerte sich SG-Manager Thorsten Storm. Blazenko Lackovic oder Lars Christiansen waren an diesem „schwarzen Samstag“ die „Einäugigen unter den Blinden“.
Die Flensburger hatten zwei weitere, kollektive Schwachstellen. Immer wenn sie sich einen Fehlpass oder eine „Fahrkarte“ leisteten, führten sie das Rückzugverhalten zu halbherzig aus. Die Celje-Außen Eduard Kokcharov und Dragan Gajic rieben sich die Hände und starteten blitzschnelle Gegenstöße. Ausgerechnet eine Zeitstrafe gegen den slowenischen Meister brachte die Flensburger völlig aus dem Konzept. 0:3 endete die Überzahl-Situation – beim 6:12 lief der Bundesligist erstmals einem klaren Rückstand hinterher.
Ein weiteres Manko: die Abwehr-Arbeit. „Wir haben insgesamt nicht so zugepackt wie der Gegner“, bemängelte Thorsten Storm. So war die 5:1-Formation – Torge Johannsen deckte Celje-Shooter Sergej Harbok kurz – zum Scheitern verurteilt, da ein David Spiler oder ein Miladin Kozlina nun zu viele Freiräume hatten. Als die Flensburger schließlich auf ihre „Schokoladen-Deckung“, die traditionelle 6:0, umstellten, zeigte auch Sergej Harbok seine Qualitäten.
Im zweiten Durchgang geriet der Rückstand schnell in den zweistelligen Bereich. Auch von den Torhütern kam kein Signal. Jan Holpert und Dan Beutler hatten hinter ihrem „Scheunentor“ einen schweren Stand. Letztendlich begleiteten Enttäuschung über die eigene Leistung, Ärger über die teilweise chaotischen russischen Schiedsrichter und ein Quäntchen Hoffnung für das Rückspiel die Gäste in die Kabine. Dagegen inszenierten die Akteure des RK Celje einen Freudentanz, während die Fans „Florijani“ auf den Rängen hemmungslos steppten. Danach floss „Zlatorog“, das Produkt der Brauerei „Pivovarna Lasko“, sicherlich in Strömen.  

Die Trainer-Stimmen
Kasim Kamenica, RK Celje: „Wir hätten das Spiel mit einem noch besseren Ergebnis beenden können. Insgesamt haben wir aber eine sehr gute Moral gezeigt.“
Viggo Sigurdsson, SG Flensburg-Handewitt: „Unsere 5:1-Abwehr war nicht der Grund für die Niederlage. Wir kassierten unglaublich viele Gegenstöße und hatten zu viele Ausfälle.“

SG Flensburg-Handewitt: Tadellose Bilanz in Gefahr

Dan Beutler rätselte über seine Leistung.

Kent-Harry Andersson war etwas nervös. Am Donnerstag baute er nach langer Zeit in der Vereinsgaststätte „Junge Harmonie“ wieder das Videogerät für die Mannschafts-Besprechung auf. Erstmals nach seiner Operation im August stimmte der Schwede das SG-Team auf den Gegner ein. „Celje ist nicht mehr so stark wie noch 2004“, fasste Kent-Harry Andersson zusammen. Nach einer kurzen Unterbrechung fügte er an: „Wir allerdings im Moment auch nicht.“ Seine düsteren Vorahnungen sollten sich bestätigen.
Das ärgerte ganz besonders Viggo Sigurdsson. Der Interimscoach fuhr am Donnerstag seine Ehefrau zum Flughafen Kopenhagen. Heiligabend möchte er seiner „besseren Hälfte“ folgen und mit der Familie in Island Weihnachten und Neujahr feiern. Die beiden letzten Bundesliga-Spiele vor der WM-Pause (Großwallstadt, Wetzlar) soll bereits Kent-Harry Andersson in Alleinverantwortung „managen“. Bis zur Zepter-Übergabe würde Viggo Sigurdsson gerne eine tadellose Bilanz aufweisen: Bundesliga-Spitzenplatz, Viertelfinale im DHB-Pokal und Viertelfinale in der Champions League.
Doch das letzte Ziel wankt seit Samstag gewaltig. „Ich stelle keine Rechnungen auf, wie hoch wir in Celje verlieren können, um im Rückspiel noch eine Chance zu haben“, hatte der Isländer vor der Partie gesagt. „Ich will da gewinnen.“ Dementsprechend nahm seine Verärgerung während der 60 Minuten von Minute zu Minute zu. Am Ende bekam er sogar eine Zeitstrafe von den russischen Schiedsrichtern aufgebrummt und marschierte stinksauer in die Kabine. Den Job in der Pressekonferenz übernahmen Manager Thorsten Storm und Lars Christiansen.
Allen war klar: Obwohl mit Frank von Behren (Kreuzbandriss), Sören Stryger (Kreuzbandanriss) und Ljubomir Vranjes (Lungenentzündung) drei Akteure fehlten, war in Celje wesentlich mehr drin. „Die Mannschaft muss sich an die eigene Nase fassen“, kritisierte Thorsten Storm. „Celje ist keine Übermannschaft, man verliert hier nicht mit zehn Toren.“ Vor allem die Torhüter-Leistung gab zu denken. „Ich kann mich nicht erinnern, mal so schlecht gewesen zu sein“, haderte Dan Beutler. „Wir Keeper haben ja fast gar nichts zu fassen gekriegt.“
Am Ende waren es 41 Gegentreffer – so viele wie noch nie in der Vereinsgeschichte. Letztendlich produzierte Celje mit seinen schönen Seiten – gepflasterte römische Straßen, eine imposante Burg oder die renovierte mittelalterliche Stadtmauer – nur nachdenkliche Mienen. Und dann einen kämpferischen Viggo Sigurdsson: „Nach dem Spiel in Hildesheim werden wir uns nur mit Celje beschäftigen – bis ins letzte Detail.“ 

RK Celje: Von Heimniederlage gut erholt

Die Celje-Fans standen Kopf.

War er nun verletzt? Oder war es ein Bluff? Vor der Abreise ging im Lager der SG Flensburg-Handewitt das Gerücht um, dass der RK Celje auf einen ganz wichtigen Mann verzichten müsste. Edouard Kokcharov, russischer Linksaußen und immens wichtige Spitze der 5:1-Abwsehr laborierte laut slowenischen Medienberichten an einer Muskelverhärtung oder gar einem Muskelfaserriss. Der Spieler selbst gab sich verschlossen: „Ich möchte über meine Verletzung nicht sprechen.“ Dagegen signalisierte Manager Andrej Susteric: „Edi ist okay!“
Und so war es auch: Als der Anpfiff ertönte, prägte sich die gewohnte 5:1-Deckung auf die Platte – mit Edouard Kokcharov als I-Tüpfelchen. Vermutlich war es der „unglaublicher Einsatzwille“, den selbst der russische Nationaltrainer Wladimir Maximow bescheinigt, der dem Routinier Flügel verlieh. Allein in der ersten Hälfte trafen seine Würfe sieben Mal ins Ziel. „Vor dem Spiel waren wir bereits optimistisch“, strahlte Edouard Kokcharov nach dem Schlusspfiff. „Jetzt sind wir uns aber noch sicherer, das Viertelfinale zu erreichen.“ Einen Spaziergang erwartet der Russe in Flensburg allerdings nicht: „Wir müssen das Rückspiel noch intensiver bestreiten.“
Für viele der 5600 Zuschauer, die den Verantwortlichen zwei Stunden nach dem Beginn des Vorverkaufs sämtliche Tickets aus den Händen gerissen hatten, war die reife Leistung des RK Celje eine Überraschung. Noch vor Wochenfrist hatte man zu Hause gegen Gorenje Velenje, dem Klub des Ex-Trainers Miro Pozun, die erste Niederlage in der slowenischen Liga einstecken müssen. Am Mittwoch mühte sie der Tabellenführer zu einem Pflichtsieg beim Siebten Ormoz. „Unsere Form lässt nach“, klagte Trainer Kasim Kamenica. „Es ist offensichtlich, dass wir Probleme haben.“ Viele Akteure sollen sich mit Blessuren herumgeschlagen haben. Probleme, die zumindest am Samstag wie weggespült waren.