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Nahrung für Kraftproben in Magdeburg und Kiel

Wunder gibt es bekanntlich immer wieder. Und gerade beim Handball sind schon die unmöglichsten Dinge wahr geworden. Davon weiß die SG Flensburg-Handewitt nur allzu gut ein Lied zu singen. Seit Freitag Abend gilt dies auch für RK Celje Pivovarna Lasko. Nach dem 41:31-Hinspielerfolg verspielten die Slowenen ihren Vorsprung im Rückspiel des Champion League-Achtelfinals und unterlagen in der Campushalle mit 26:36 (12:20).
Umgekehrt ist es richtig: Die SG erspielte sich einen Zehn-Tore-Sieg, zog ins Viertelfinale ein und machte das im Vorwege der Partie viel gepriesene "Wunder von der Förde" wahr. Wenn am Saisonende auf eine lange und kräftezehrende Spielzeit zurückgeblickt wird, dann sprechen diejenigen, die Titel und Pokale geholt haben, oft von Schlüsselerlebnissen, die sie während einer Saison erlebt haben. Der Sieg der SG Flensburg-Handewitt gegen den Champions League-Gewinner von 2004 könnte so ein Erlebnis gewesen sein.
SG-Geschäftsführer Thorsten Storm hat bereits zu Saisonbeginn mehrfach angemerkt, dass mit dieser SG etwas zu erreichen sei und das die Mannschaft hungrig auf Titel ist. Spätestens seit dem Gala-Auftritt gegen Celje dürfte dies selbst dem letzten Kritiker klar geworden sein. Zum vierten Mal in Folge ist die SG ins Viertelfinale der europäischen Königsklasse eingezogen und hat mit diesem Sieg ein deutliches Ausrufezeichen in Richtung Konkurrenz gesetzt.

Michael Knudsen stand sehr stark in der Abwehr.

Die SG ist nicht nur nationale Spitze - die Norddeutschen gehören derzeit zu Europas Topklasse und somit zur Crème de la crème des Welthandballs. Im Hinblick auf die bis zum Jahreswechsel noch bevorstehenden Aufgaben dürfte die SG zusätzliches Selbstvertrauen getankt haben, um auch in den schweren Auswärtsspielen beim SC Magdeburg (Sonntag, 15.30 Uhr, Live-Ticker ab 15 Uhr) und beim THW Kiel (Sonnabend 23. Dezember) bestehen zu können. Sollte der Vizemeister diese beiden Partien unbeschadet überstehen und zudem die Spiele gegen den TV Großwallstadt (27. Dezember) und die HSG Wetzlar (30. Dezember) zwischen den Feiertagen gewinnen, dann ist die Halbzeitbilanz der Norddeutschen nahezu perfekt. Selbst bei einer Niederlage in Magdeburg oder Kiel wäre das kein Beinbruch. Flensburg-Handewitt steht im Viertelfinale der Champions League, gleiches gilt für den DHB-Pokal und in der Meisterschaft hat man als derzeitiger Tabellenzweiter alle Trümpfe in der Hand.
Dabei ließ es sich für die SG gar nicht gut an. Cheftrainer Kent-Harry Andersson musste sich zu Beginn der Saison einer Operation am Innenohr unterziehen und bei Neuzugang Frank von Behren riss im DHB-Pokalspiel gegen den DHK Flensborg im September das Kreuzband. Die ersten beiden Hiobsbotschaften waren da. Eine weitere folgte vor wenigen Wochen: Kapitän Søren Stryger zog sich einen Teilabriss des Kreuzbandes zu. Zwischendurch hatte sich zudem Blazenko Lackovic das Nasenbein gebrochen.
Doch die SG zeigte sich als Kämpfernatur. Mit Viggo Sigurdsson wurde schnell ein Interimstrainer verpflichtet, der sich als Glücksgriff erwies. Frank von Behren ließ bereits kurz nach seiner Verletzung verkünden: "In sechs Monaten will ich wieder spielen" - die Hälfte seiner Leidenszeit ist bereits um und Søren Stryger will am liebsten schon diese Woche wieder mitwirken. "Ich habe mich gegen Celje mit warm gemacht, das Knie hält und ich hoffe ich kann gegen Magdeburg spielen", sagte der Kapitän, als er, stolz auf seine Teamkollegen das Bad in der Menge nach Abpfiff genoss.

Kent-Harry Andersson saß hinter der Bank.

Selbst wenn nicht - der Däne hat derzeit eine hervorragende Vertretung auf seiner Position. Wohl gemerkt Vertretung, von Ersatz kann keine Rede mehr sein. "Youngster" Torge Johannsen spielt in absoluter Topform und hat dies gegen Celje nicht nur auf Grund seiner fünf Tore unter Beweis gestellt. "Das Selbstvertrauen passt", sagte Johannsen. Stryger sieht dies genauso: "Dieses Spiel wird uns für die kommenden Wochen einen Schub geben."
Und Kent-Harry Andersson? Der Schwede ist schon längst wieder dabei. Wenn auch noch nicht auf der Trainerbank, gegen die Slowenen saß der Meistertrainer von 2004 immerhin wieder dahinter und trug von dort aus seinen Anteil zum Weiterkommen bei. "Er hat die Videoanalyse zum Celje-Spiel gemacht und mir während des Spiels wichtige Tipps gegeben", sagte Viggo Sigurdsson, für den der Sieg gegen Celje sein "bisher größter Erfolg" ist. Einen Tag vor Weihnachten, beim Derby gegen den THW Kiel, will Andersson endgültig an die Seitenlinie zurückkehren und dann mit der SG den nächsten Schritt in Richtung Titel gehen.
Im Europapokal müssen die Nordlichter bis nach der Weltmeisterschaft (19. Januar - 4. Februar 2007) warten, bevor die nächste Aufgabe ansteht. Gegen wenn es dann geht, entscheidet sich morgen Vormittag um 11 Uhr bei der Auslosung in Wien. Wahrscheinlich ist ein Gegner aus Spanien, den mit Vorjahressieger Ciudad Real, Portland San Antonio, FC Barcelona und BM Valladolid stehen gleich vier Teams von der iberischen Halbinsel im Viertelfinale. Doch auch ein deutsch-deutsches Duell ist möglich. Der VfL Gummersbach und Lokalrivale THW Kiel stehen ebenfalls in der Runde der letzten Acht. Fotex Veszprem aus Ungarn komplettiert das Feld.
"Jetzt wünschen wir uns einen leichten Gegner fürs Viertelfinale. Den haben wir uns verdient", sagte Viggo Sigurdsson. Egal, gegen wen und auch egal, das es in dieser Saison nicht immer geradeaus geht, die SG macht ihren Weg - mit dieser Mannschaft ist in der Tat zu rechnen. Ihr Schlüsselerlebnis hat sie schließlich gehabt.