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Vladimir Maximow: Eine Ikone des Welthandballs

„Mein Idol“, muss Viggo Sigurdsson, Interimscoach der SG Flensburg-Handewitt, nicht lange überlegen, wenn er den Namen von Vladimir Maximow hört. Es war im Frühsommer 1995, als sich die russische Nationalmannschaft mehrere Wochen für die Weltmeisterschaft auf Island vorbereitete. Dabei schaute Viggo Sigurdsson seinem Vorbild über die Schulter und lernte dabei offenbar sehr gut von Vladimir Maximow. „Bei der Europameisterschaft in der Schweiz habe ich gegen ihn gewonnen“, schmunzelt der SG-Trainer.
An Ruhm und Glanz hat Vladimir Maximov dadurch aber gewiss nicht verloren. Medwedi Tschechow hat rund ein Dutzend Nationalspieler in seinen Reihen, der große Star geht aber an der Seitenlinie auf und ab. Vladimir Maximow ist eine der Ikonen des Welthandballs. Als Spieler feierte er mit der Auswahl der Sowjetunion und MAI Moskau große Erfolge. Als Nationaltrainer hat er etwas Einzigartiges geschafft, wurde Welt- und Europameister sowie Olympiasieger. Dem 61-Jährigen wird im russischen Handball eine Machtfülle nachgesagt, die ihm den Beinamen „der Zar“ eingebracht hat.
Die Basis zu diesem Ruf hat Vladimir Maximov schon als Spieler geschaffen. Er gehörte 1976 zu jener sowjetischen Auswahl, die bei den Olympischen Spielen in Montreal die Goldmedaille gewann und war der erfolgreichste Torschütze seines Teams. Sechs Jahre zuvor bei der Weltmeisterschaft in Frankreich hatte der Rückraumspieler als Torschützenkönig des Turniers geglänzt. Doch nicht nur mit dem Sowjet-Team glänzte der Rechtshänder, sondern auch mit seinem Vereinsteam MAI Moskau.

Die Nationalteams des sowjetischen Nachfolge-Gebildes „GUS“ und später Russlands betreut er seit 1992 – mit einer Unterbrechung. Nach der Bronze-Medaille 2004 in Athen gab Vladimir Maximov das Amt als Nationaltrainer ab – aus Verärgerung. „Es war eine Protestaktion, weil die Regierung dem Handball praktisch jegliche Unterstützung versagte“, sagte er. „Dabei hatten die russischen Handballer seit 1993 mehr Titel gewonnen als jedes andere Team in einer Mannschaftssportart.“
Doch nach dem enttäuschenden achten Rang bei der Weltmeisterschaft 2005 in Tunesien kehrte die Ikone als verantwortlicher Übungsleiter zurück. Sein Nachfolger Anatoli Dratschew hatte den russischen Handball und die jungen Spieler öffentlich schlecht gemacht. Vladimir Maximov regierte sofort wieder mit eiserner Knute. Vor der EM strich er Denis Sacharow aus dem Kader. Der 21 Jahre alte Linkshänder aus St. Petersburg hatte einen Vertrag beim VfL Gummersbach unterschrieben, obwohl ihm ein Angebot aus Tschechow vorlag.
Vladimir Maximov ist außer für Medaillen für viele Anekdoten gut. Zum Beispiel, als er mit der Auswahl vor der WM 1993 ein Vorbereitungsspiel in Italien bestritt. Die Gastgeber, im Handball allenfalls drittklassig, hatten eine offizielle Meldung des Länderspiels unterlassen – und ließen Schiedsrichter aus Sizilien pfeifen. Beim Stand von 15:10 für Italien holte Vladimir Maximov sein Team vom Feld, bangte um die Gesundheit seiner Jungs. Nach 20-minütiger Unterbrechung ging das „Länderspiel“ auf Drängen der Veranstalter in Südtirol weiter. Italien feierte mit 21:19 einen „historischen Sieg“. „Man hätte mir doch vorher sagen können“, bemerkte Vladimir Maximow mit bissiger Ironie, „dass Italien das Spiel unbedingt gewinnen muss. Das hätte ich für unsere Gastgeber gerne erledigen können, indem ich die Partie selbst gepfiffen hätte.“