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Eggert und Beutler bringen Fans in Ekstase

Eine großartige zweite Halbzeit beschert der SG Flensburg-Handewitt einen 34:29-Sieg über den russischen Meister Medwedi Tschechow. Mit 6:0 Punkten führen die Flensburger jetzt die  Gruppe D der Champions League an.

Wladimir Maximow verriet keine Tricks.

Gespannt warteten die Besucher der Pressekoferenz auf die Analyse des "Handball-Zaren“. Wie würde Wladimir Maximow das spektakuläre Spiel zwischen der SG Flensburg-Handewitt und Medwedi Tschechow bewerten - mit dem ungeheuren Fundus seines Fachwissens als Weltmeister, Olympiasieger, National- und Vereinstrainer in Personalunion seit 1992? "In der ersten Halbzeit haben wir gut gespielt“, hob der 61-jährige Russe an, um gleich darauf zum Schluss zu kommen, "in der zweiten Halbzeit war Flensburg besser. Es war ein interessantes Spiel.“
Tja. Das hatten die 6000 Besucher auch gesehen und wird durch das Resultat von 34:29 (15:18) aus Sicht der SG nicht  widerlegt. Maximow wollte wohl nicht preisgeben, was ihm in den 60 Minuten dieses spannenden Vergleichs so alles aufgefallen ist. Es gibt ja noch ein Rückspiel am 11. November.
Die Campushalle erlebte am Donnerstag das Aufeinandertreffen von Vergangenheit und Gegenwart des Handballs. Würde man von Musik sprechen, könnte man sagen, dass in der ersten Halbzeit ein klassisches Konzert gegeben wurde mit entsprechend andächtigem Publikum. Der zweite Akt war purer Hardrock mit Anders Eggert an der Leadgitarre und Dan Beutler am Schlagzeug. Linksaußen und Torhüter brachten die Fans mit fabelhaften Leistungen in Ekstase, nun herrschte Höllenlärm im Saal.

Die Campushalle bewegte sich zwischen Klassik und Rock.

Zuvor hatte Medwedi dominiert, mit barocker Spielweise fern der hektischen Rennerei, die den  westeuropäischen Handball prägt. Präzise läuft der Ball durch disziplinierte Reihen, geduldig wird die Wurfchance erarbeitet. "Da ist nichts dem Zufall überlassen, alles ist durchanalysiert“, meinte SG-Co-Trainer Jan Paulsen. "Und die russischen Spieler halten sich dran. Schweden und Dänen setzen ja eher auf Kreativität  nach dem Motto ,gucken wir mal’.“ Dan Beutler staunte: "Die spielen ganz ruhig hin und her - und zack, ist der Ball am Kreis oder es knallt einer aus dem Rückraum.“ Besonders   Michail Tschipurin wurde zum Problem für die SG. Glänzend eingesetzt von Spielmacher Vitaly Ivanvow, traf der bullige Kreisläufer selbst oder holte Siebenmeter heraus. Auch den Rechtshänder Alexej Rastvortsew bekamen die Flensburger vor der Pause nicht in den Griff.
Es gab mehrere Gründe dafür, dass Maximows Orchester aus dem Takt geriet. Einer war selbst verschuldet. Vitaly Ivanow beging den Fehler, nach einem leichten Schubser von Johnny Jensen den "sterbenden Schwan“ zu mimen und brachte so die Ränge in Wallung. Ein Pfeifkonzert begleitete fortan die Aktionen der Russen, die zunehmend nervöser wurden. Da war es für Medwedi nicht förderlich, dass Sören Stryger als Spitze  der von Trainer Viggo Sigurdsson auf 5:1 umgestellten Abwehr das Angriffsspiel der Gäste empfindlich störte und den bereits erwähnten Beutler und Eggert plötzlich alles glückte. Der Schwede hielt allein in der zweiten Hälfte zwölf Bälle, der Däne traf aus allen Lagen mit genialen Varianten insgesamt acht Mal.
Lars Christiansen genoss die Vorstellung seines designierten Nachfolgers. "Der Torwart war perfekt für ihn. Der bleibt stehen, da macht Anders dann so seine Sachen.“ Eggert hatte *Riesenspaß“ am Spiel, meinte aber ganz bescheiden: "Angst muss Lars aber nicht haben. Jeder weiß, er ist der erste Mann und ich der zweite. Ich muss nur immer bereit sein.“ Das war Medwedis Schlussmann nicht: Alexej Kostygow, der in den ersten 30 Minuten mit neun Paraden die SG-Keeper Holpert und Beutler (zusammen fünf) klar ausstach, hatte den quirligen Dänen nicht auf der Reihe. Gegenüber freute sich Beutler über eine stark verbesserte Abwehr: "5:1 war eine gute Lösung von Viggo. Rastvortsew war praktisch weg.“