Stripes
Stripes
Archiv

Nach zähem Start spielt die SG ihre Trümpfe aus

Ein furioser Zwischenspurt genügt der SG Flensburg- Handewitt, um die Partie gegen Nordhorn zu entscheiden und am Ende mit 32:27 zu gewinnen.
Nur 20 Minuten durfte Ola Lindgren die Hoffnung hegen, den Coup in der Campushalle landen zu können. Jensen, Lackovic, Boldsen, Eggert - die SG-Helden der jüngsten Vergangenheit hatten zum Spiel gegen die HSG Nordhorn zunächst auf der Flensburg-Handewitter Bank Platz genommen und durften sich von der strapaziösen Partie in der Champions League gegen Medwedi Tschechow (34:29) am Donnerstag noch etwas erholen. Die Gäste hatten prompt mehr vom Spiel, führten mehrfach, und doch kam dann alles wie erwartet. SG-Trainer Viggo Sigurdsson spielte auf der Klaviatur seiner Möglichkeiten, Flensburg gewann 32:27 (19:13) und Lindgren blieb die nüchterne Erkenntnis: "Wir haben nicht die Konstanz, um 60 Minuten mit einer Mannschaft wie der SG mitzuhalten.“
Sigurdsson startete mit einer 5:1-Deckung in ungewöhnlicher Besetzung. Ljubomir Vranjes auf Rechtsaußen in der Deckung, Michael Knudsen und Kasper Nielsen in der Mitte, Sören Stryger als Spitze. Die Idee: Nordhorns Linkshänder Holger Glandorf durch den SG-Kapitän zu neutralisieren. Das glückte leidlich, hatte aber zur Folge, dass der HSG-Spielmacher Börge Lund viel Platz hatte. "Es war ein bisschen überraschend, dass er so viel geworfen hat und zu einfachen Toren kam“, sagte Sigurdsson später. Mit der 5:1 war er ansonsten zufrieden: "Wir haben viele Bälle gewonnen, diese aber nicht genutzt.“ Der Isländer erlebte, dass seine Spieler leichtfertig Wurfchancen versiebten und Bälle durch technische Fehler verloren. "Das Spiel gegen Moskau hat viel Kraft gekostet. Es ist nicht leicht, die Mannschaft drei Tage nach so einem schweren Spiel zu motivieren“, meinte Sigurdsson milde.

Marcin Lijewski erzielte im ersten Durchgang vier Tore.

Nach dem 11:11 (19.) wechselte der SG-Coach System und Personal. Torhüter Dan Beutler steigerte sich hinter der nun defensiv formierten 6:0-Deckung, in der Johnny Jensen entschlossener zupackte als zuvor Knudsen, in überragende Form. 22 Bälle hielt der Schwede, weitaus mehr als auf der anderen Seite die Legende Peter Gentzel, der Nordhorn aber nach der Pause immerhin am Leben erhielt. Da war die Entscheidung aber schon gefallen, weil die Flensburger in nur zehn Minuten sieben Tore Vorsprung (19:12, 29.) herausgeworfen hatten.
Einmal mehr war es die große Bandbreite des SG-Kaders, der den Gegner in die Knie zwang. Ljubomir Vranjes machte ein munteres Spiel gegen seinen Ex-Verein und gönnte sich das Vergnügen von vier sehenswerten Toren. Ansonsten lenkte Joachim Boldsen den Angriff souverän und mit angemessen ruhiger Hand, denn neben ihm funktionierte Blazenko Lackovic wieder so exakt wie vor der Zwangspause wegen seines Nasenbeinbruchs. Sören Stryger, Lars Christiansen und Kasper Nielsen profitierten davon, dass die SG wieder mehr als zu Saisonbeginn das Tempo- und das Flügelspiel betont. "Wir zeigen derzeit sehr attraktiven Handball“, befand SG-Manager Thorsten Storm.
Nordhorn kam in der zweiten Hälfte zwar noch einmal auf drei Tore (21:24) heran. Doch die Flensburger hatten genug Reserven und mittlerweile auch wieder die Sicherheit, solche Phasen im Spiel zu kontrollieren. Prompt findet sich der Vizemeister nach acht Spieltagen auch in der Tabellen wieder dort wieder, wo er nach eigenem Verständnis hingehört. Nämlich in der Spitzengruppe - noch hinter Gummersbach und THW Kiel. Aber alles deutet daraufhin, dass die SG mitten drin ist im Kampf um den Titel.

Spieler des Tages: Dan Beutler

Dan Beutler überragte erneut.

Das prominente Gegenüber beeindruckt ihn schon lange nicht mehr. "Nein, ich denke nicht daran, dass Peter Gentzel da steht. Es ist nur schön, wenn man selber so spielt“, sagte Dan Beutler, der sich zum zweiten Mal binnen vier Tagen zu den Matchwinnern der SG Flensburg-Handewitt zählen durfte. Beim 32:27-Sieg gegen die HSG Nordhorn stach der 29 Jahre alte Schwede seinen großen Landsmann klar aus. 22 Beutler-Paraden standen gegen 13 von Gentzel - und damit war  ein großer Unterschied zwischen den Gastgebern und den Niedersachsen ausgemacht.
Bereits am Donnerstag gegen Medwedi Tschechow hatte Beutler an der positiven Wende im Spiel der SG großen Anteil. Gestern brauchte er ein wenig Zeit, um warm zu werden. Dann aber brachte er die Nordhorner in der entscheidenden Phase des Spiels - den letzten zehn Minuten der ersten Hälfte - schier zur Verzweiflung. "Am Anfang war ich nicht so bereit, vor allem Börge Lund hat mich überrascht. Er hat sehr gut  geworfen“, meinte Beutler, der sich aber später hinter der auf 6:0 umgestellten Abwehr immer wohler fühlte und Nordhorns Spielmacher ebenso wie die Scharfschützen Glandorf, Kubes und Przybecki immer besser "ausguckte“.
Beutlers Entwicklung ist anderen Klubs nicht verborgen geblieben. Der SC Magdeburg und der spanische Club Portland San Antonio buhlen um den Schweden, der kürzlich bei der SG bis 2009 verlängert hat. "Wir müssen sehen, was passiert. Wenn Flensburg mit drei Torhütern spielen wird, dann möchte ich weg. Ich habe gute Angebote“, sagt Beutler, der die Verpflichtung des Serben Dane Sian zur nächsten Saison mit gemischten Gefühlen sieht. "Es ist völlig okay, dass der Verein Top-Spieler verpflichtet. Ich würde gern bleiben, am liebsten mit Jan Holpert, von dem ich unglaublich viel gelernt habe. Aber mit drei Torhütern will ich nicht spielen.“

Die Spiel-Analyse

Drei Tage nach dem Champions-League-Spiel gegen Medwedi Tschechow, das viel  Kraft gekostet hatte, fehlte der SG Flensburg-Handewitt zunächst  die Frische. Trainer Viggo Sigurdsson stellte Sören Stryger als Spitze einer 5:1-Abwehr gegen Holger Glandorf, wodurch Nordhorns Linkshänder in Schach gehalten wurde. Dafür genoss jedoch Spielmacher Börge Lund reichlich Freiheiten. Die SG eroberte dennoch einige Bälle, machte daraus aber zu wenig, wie Sigurdsson monierte. Nach dem 11:11 nach 19 Minuten reagierte der Isländer, stellte die Abwehr auf 6:0 um und brachte Johnny Jensen. Der Norweger künpfte nahtlos an seine glänzenden Leistungen in der bisherigen Saison an. Der Angriff entwickelte mit den hereingekommenen Blazenko Lackovic und Joachim Boldsen mehr Druck, zudem wurden die Konterchancen nun konsequenter genutzt. Auffällig auch, dass die SG ihre Offensive inzwischen wieder deutlich breiter anlegt. War das Angriffsspiel zu Saisonbeginn noch sehr rückraumlastig, werden nun wieder mehr die Außen einbezogen. Nach dem Zwischenspurt zum 19:12 war die Partie gelaufen - Nordhorn gewann zwar die zweite Halbzeit, wurde der SG aber nicht mehr ernsthaft gefährlich.