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Triumph in Göppingen: Auch die zweite Garde glänzt

Die SG Flensburg-Handewitt hat ihre kurze Schwächeperiode  überwunden. Der 37:26-Erfolg in der Handball-Bundesliga bei FA Göppingen war eine Demonstration der Stärke.
Es war nicht zu übersehen, was Frisch Auf Göppingen im Sinn hatte. Zeigen, dass die Niederlage in Magdeburg nach dem Traumstart mit 10:0 Punkten ein Ausrutscher war; zeigen, dass man Spitzenmannschaften wie die SG Flensburg-Handewitt schlagen kann. Die Fans der Grünweißen waren auf die Rückeroberung der Tabellenspitze eingestellt, die Hohenstaufenhalle kochte, als die Göppinger wie aufgedreht auf das SG-Tor anrannten.

Bei der SG herrschte Hochstimmung.

Die Selbstüberschätzung wurde brutal bestraft. 37:26 (18:14) siegten die Gäste und Frischauf lernte, dass es ein weiter Weg in die Beletage der Handball-Bundesliga ist. "Wir haben uns blamiert“, jammerte Trainer Velimir Petkovic. "Jeder konnte heute sehen, was uns zu einer Spitzenmannschaft fehlt.“
Nämlich das, was die SG Flensburg-Handewitt am Mittwoch auszeichnete. Sie trat als unerschütterliche Einheit auf, nutzte perfekt ihre personelle Bandbreite, verblüffte mit taktischen Finessen, ließ im passenden Moment individuelle Klasse aufblitzen und war von der aufgeheizten Atmosphäre in Göppingen nie beeindruckt.
"Das Geilste war die Stimmung in der Halle in den letzten zehn Minuten - da war Totenstille“, frohlockte SG-Spielmacher Joachim Boldsen. Seine Prophezeiung hatte sich bewahrheitet. "Vielleicht unterschätzt uns der eine oder andere, weil uns zwei wichtige Spieler fehlen“, hatte der Däne vor der Tour in den Süden gesagt. Doch gerade aus dem Ausfall von Frank von Behren und Blazenko Lackovic, wohl auch aus den Turbulenzen nach den Punktverlusten gegen Lemgo und bei Kronau-Östringen hatte die SG Stärke bezogen. "Wir sind alle näher aneinander gerückt. Alle haben gut gespielt“, sagte Boldsen.

Blazenko Lackovic mit einer Gesichtsmaske.

Tatsächlich schien es völlig egal, wer für die SG gerade auf der Platte stand. Trainer Viggo Sigurdsson bewies Mut, als er der zweiten Garde große Spielanteile gewährte. Anders Eggert, Kasper Nielsen, Jan Thomas Lauritzen und  Torge Johannsen nutzten die  Gelegenheit, sich als bundesligatauglich zu beweisen. Eggert stand sogar anstelle von Lars Christiansen in der Startformation auf Linksaußen. "Ich wusste, dass er im Frühjahr im EHF-Pokalspiel mit GOG in Göppingen zehn Tore erzielt hatte. Und er hat sehr gut trainiert. Es war an der Zeit für ihn, zu zeigen, was er kann“, begründete Sigurdsson die Entscheidung. Der 24-Jährige bedankte sich mit acht Toren und verblüffte mit beherzten Strafwürfen gegen FA-Torhüter Martin Galia. "Ich wusste ja, dass er die harten Würfe mag. Also habe ich lieber Dreher und Heber probiert“, erzählte der Däne. Dass Galia vor der Pause  mit zehn Paraden glänzte, habe ihn nicht beeindruckt: "Das ist der Spaß am Handball. Sehen, dass er gut ist und doch eine Möglichkeit finden.“
Goldrichtig war auch der Einfall Sigurdssons, eine 5:1-Deckung mit Sören Stryger als Spitze gegen FA-Spielmacher Michael Kraus zu stellen. "Damit hat uns die SG den Kopf genommen“, stellte Trainer Petkovic fest. Prompt produzierte seine Truppe in den ersten 30 Minuten zehn technische Fehler. Als Göppingen sich auf die offensive Abwehr eingestellt hatte und sogar auf 17:19 (35.) herangekommen war, baute Sigurdsson auf 6:0 um. Nun durfte Göppingen den ganzen Rückraum nutzen - und konnte es nicht mehr. Ein Ball nach dem anderen ging verloren und es begann die große Zeit zweier Dänen. Muskelpaket Kasper Nielsen glänzte in der Abwehr und zeigte, dass er im Angriff nicht zu halten ist, wenn er nur zu Selbstvertrauen findet. Stryger lief unermüdlich Konter und erzielte sieben seiner acht Treffer allein nach der Pause.
Spätestens beim 29:21-Vorsprung (48.) konnte sich Blazenko Lackovic entspannt zurücklehnen - er musste nicht mehr eingreifen. Die eigens angefertigte Gesichtsmaske zum Schutz der operierten Nase hätte er nicht tragen dürfen. SG-Manager Thorsten Storm hatte noch am Nachmittag aus dem Mannschaftshotel in Stuttgart ein Foto von Lackovic an den Internationalen Handballverband IHF geschickt. Dessen Generalsekretär Frank Birkefeld hatte Entgegenkommen signalisiert. Doch eine Entscheidung war nicht mehr möglich: Prof. Hans Holdhaus von der medizinischen Kommission der IHF, der eine Erlaubnis hätte mittragen müssen, saß noch im Flugzeug. Langsam mahlen die Mühlen der Handball-Behörden.