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Irrflug der SG führt in die erste Niederlage

Die SG Flensburg-Handewitt ist doch noch nicht da, wo sie sein möchte. Die erste Niederlage der Saison mit 30:31 (15:14) bei der SG Kronau-Östringen stutzt den Vizemeister in der Handball-Bundesliga wieder auf Normalmaß.
Das war keine einfache Mission für Blazenko Lackovic. Umringt von aufgebrachten Fans der SG Flensburg-Handewitt stand der  Kroate im Halbdunkel vor einem Seiteneingang der Mannheimer SAP-Arena und verteidigte die Ehre der Mannschaft. "Natürlich haben wir gekämpft, jeder. Alle sind platt“, sagte der Rückraumspieler. Die Schlachtenbummler wollten Erklärungen. Wer sich  die Lunge aus dem Leib geschrieen hat gegen 7000 Fans der SG Kronau-Östringen und erlebte, dass alles nichts half, in dem keimt der Verdacht, dass wohl die eigene Mannschaft nicht die Grenzen ihrer Kraft ausgelotet hat. Lackovic unterlief der Widerspruch, dass die Kraft kein Problem gewesen sei: "Ich könnte gleich noch ein Spiel machen.“ Der neunfache Torschütze war freilich der Letzte, dem mangelnder Einsatz anzukreiden war.

Einige SG-Fans waren nach Mannheim gereist.

Tatsächlich sind die Ursachen für das so bitter empfundene  30:31 (15:14) vielfältig. Einen "größeren Willen“ hatte Flensburgs Manager Thorsten Storm bei den Kronauern gesehen, die um drei Stammspieler (Jurasik, Siniak, Szlezak) reduziert angetreten waren. Dazu kam bei den vom Alphatier Oleg Velyky angetriebenen "Rhein-Neckar-Löwen“ die Überzeugung, dass trotz eines 20:24-Rückstandes nach 43 Minuten noch alles gehen würde. Als Velyky kurz gedeckt wurde, kam der Franzose Christian Caillat und drehte das Spiel wie selbstverständlich.
Den Flensburgern dagegen fehlt in dieser Saison die Fähigkeit, aus einem Vorsprung Sicherheit zu schöpfen. Lackovic   beschrieb das Spiel bei der Debatte  mit den Fans mit einer in die Luft gezeichneten Wellenbewegung: hoch, tief, hoch und dann ganz flach auslaufend. "Warum sind wir in den letzten fünf Minuten in diese Situation gekommen? Ich weiß es nicht, ich muss das Spiel noch mal sehen.“
SG-Trainer Viggo Sigurdsson war mit seiner Analyse schon  weiter. "Unsere Torhüter haben neun Bälle gehalten - zu wenig. Im Angriff haben wir den Kopf verloren, mehrfach frei vorm Tor verworfen. Ich war nicht zufrieden mit der kämpferischen Leistung. Caillat hat zu leichte Tore geworfen. Es gab einige  katastrophale Schiedsrichter-Entscheidungen“, schnürte der Isländer ein Bündel von Gründen, warum es an diesem Tag nicht gereicht hat. Ganz ausnehmen kann sich der Vertreter von Kent-Harry Andersson nicht. Die allgemeine Hektik bei der SG erfasste auch den Coach. Vier Umbesetzungen im Tor, etliche im Abwehrzentrum, der Wechsel in der Rückraummitte von Boldsen, der das Spiel im Griff hatte, auf Vranjes - da hatte Sigurdsson kein glückliches Händchen.

Viggo Sigurdsson hatte nicht immer Glück mit der Taktik.

Das entlässt die Spieler nicht aus ihrer Pflicht. So ist Sigurdsson nicht dafür verantwortlich zu machen, dass sich Lijewski trotz Rückenbeschwerden Würfe nimmt, die er besser gelassen hätte. Dass Knudsen sich eine dumme Zeitstrafe abholt. Dass ausgerechnet Lackovic in letzter Minute ein fataler Fehlpass unterläuft, der die Chance zum Ausgleich kostet. Auch nicht dafür, dass Lars Christiansen ein Formtief durchläuft und die Torhüter einen schwarzen Tag erwischen, was auch Jan Holpert einräumte: "Torhüter und Abwehr waren nicht das Gelbe vom Ei.“ Der 38-Jährige sieht das Problem im Mangel an Selbstsicherheit: "Wir verlieren den Faden und finden ihn nicht wieder. Wir brauchen ein Aha-Erlebnis, ein absolutes Topspiel auswärts. Dann kommen  die Lockerheit und die Fähigkeit, unter Stress richtig zu entscheiden, zurück.“
In Mannheim war die SG auf einem Irrflug. Soll man versuchen, kühl zu bleiben und das geordnete Spiel wiederzufinden, in dem zweifellos größeres Potenzial steckt als bei Kronau? Oder mit Gewalt und heißem Blut den Sieg erzwingen wollen? Die SG-Spieler entschieden sich weder für das eine noch das andere.
Um Mitternacht folgte im Holiday Inn am Frankfurter Flughafen eine Aussprache. Noch kein reinigendes Gewitter, mehr eine Bestandsaufnahme, der weitere Gespräche folgen müssen. Thorsten Storm gab die Richtung vor: "Es muss auf dem Spielfeld klare Rollenverteilungen geben. Es geht nicht an, dass Verantwortung unter Stress weitergeschoben wird.“