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VfL Gummersbach: Der Isländer-Treff

Rund 250000 Einwohner hat Island. Einige ehemalige Bewohner des Inselstaats im Nordatlantik haben ihre Zelte in der Handball-Bundesliga aufgeschlagen. Ballwerfer gehören durchaus zu den Exportschlagern. Gleich ein Quartett ist beim VfL Gummersbach gelandet. Neben Trainer Alfred Gislason zählen Linksaußen Gudjon Valur Sigurdsson, Kreisläufer Robert Gunarsson und Abwehr-Stratege Sverri Andreas Jakobsson zu den Stützen beim Champions-League-Teilnehmer.
Das prominenteste Mitglied der „isländischen Musketiere“ ist sicherlich Alfred Gislason, der schon in den 80er Jahren für den Bundesligisten TUSEM Essen auflief und dann in den 90er Jahren als Trainer des VfL Hameln und des SC Magdeburg zurückkehrte. Anfang September rollte nun der Möbelwagen an einem Haus in der Nähe von Köln vor. Alfred Gislason hatte sich im Sommer dafür entschieden, dass Engagement beim VfL Gummersbach zwölf Monate früher als ursprünglich geplant, anzutreten. Der freiwillige Abgang von Amtsinhaber Velimir Kljaic und die im Januar erfolgte Entlassung des Isländers in Sachsen-Anhalt machten diesen vorzeitigen Schritt möglich.
Nun ist Alfred Gislason, der gleichzeitig als isländischer Nationalcoach fungiert, damit beauftragt, das Team der Gummersbacher umzubauen. „Kyung-Shin Yoon und Frank von Behren hätte ich gerne gehalten“, gibt der studierte Historiker zwar zu, blickt aber längst nach vorne. Ihm schwebt in erster Linie ein anderes Spielsystem vor. „Wir müssen einen schnelleren Handball spielen und unsere Angriffe direkt aus der Abwehr starten. Das war bisher nicht gerade die Stärke des VfL.“

Als „Wunschspieler“ ging im letzten Frühjahr Sverri Andreas Jakobsson ins Netz. „Er ist ein absoluter Deckungsspezialist“, schwärmt Alfred Gislason. „Und das gilt sowohl für eine 5:1- als auch für eine 6:0-Abwehr.“ Seine überragenden Defensiv-Qualitäten hat Sverri Andreas Jakobsson erst kürzlich in der isländischen Nationalmannschaft beim Qualifikationssieg gegen Schweden unterstrichen. Interessant: In der Karriere des 105-Kilogramm-Kraftpakets findet sich erst eine Auslands-Station. Ausgerechnet das Handball-Niemandsland USA.
Bereits in der letzten Saison kamen die beiden anderen Isländer zum VfL Gummersbach. Robert Gunnarsson spielte zuvor drei Jahre beim dänischen Spitzenklub Aarhus GF, dem sich der Kreisläufer auf eine ungewöhnliche Weise anschloss. „Ich bin im Sommer 2002 aus eigenem Antrieb nach Aarhus geflogen, weil meine Freundin Smala dort ihr Medizin-Studium begonnen hatte“, erzählt der 26-Jährige. „ohne jede Empfehlung habe ich zweimal mittrainiert und durfte bleiben.“ Bald schon machte Robert Gunnarsson international auf sich aufmerksam – und der VfL Gummersbach wurde aktiv.
Sehr aktiv in der letzten Saison war auch Gudjon Valur Sigurdsson. Der Linksaußen errang die Torschützenkrone der Bundesliga. Jetzt freut er sich wie seine Landsleute auf den 30. September, wenn der VfL Gummersbach anlässlich der Champions League in der Heimat gastiert – bei Fram Reykjavik. „Vielleicht gehen wir in die berühmten Warm-Wasser-Quellen“, kündigt Gudjon Valur Sigurdsson an. „Und jeder sollte unseren Fisch probieren – Wal oder Hai schmeckt echt lecker.“
Aber eine Frage noch: Warum bringt das kleine Island so viele starke Handballer hervor? Ein Historiker wie Alfred Gislason weiß da vielleicht eine Antwort: „Es gibt wohl viele Erklärungen. Erstens haben wir acht Monate Winter, ein großer Vorteil für den Hallensport. Und weil die meisten Profis aus dem Ausland wieder zurückkommen, ist das Niveau des Trainings sehr hoch. Ein Vorteil ist auch die methodische Steuerung, die einfacher ist bei nur 40 Klubs. Es gibt keinen Isländer, der nicht dieses Handball-System durchläuft.“