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Breite Bank besiegt müde Gummersbacher

Im Vorfeld des „Knüllers“ kramten viele in der Chronik der letzten Saison. Schließlich war am 20. Dezember 2005 nach 39 Bundesliga-Siegen der Heimnimbus der SG Flensburg-Handewitt gefallen – gegen den VfL Gummersbach. Doch Parallelen zu damals fanden sich nicht. Die Gummersbacher erschienen mit neuformierter Mannschaft. Diesmal fehlte bei den Hausherren kein Akteur. Auch Dan Beutler, der vor knapp neun Monaten mit Fieber das Bett hütete, mischte mit. Und wie: Der Schwede hielt schon im ersten Durchgang einige freie Bälle und stach den zuvor hoch gehandelten Gegenüber Goran Stojanovic aus.
Aber nicht nur deshalb verloren die Gäste nach dem 7:7 (18.) immer mehr den Anschluss. „Die Gummersbacher wirkten irgendwie lahm und träge“, befand der ehemalige SG-Spielmacher Christian Berge, der zusammen mit dem Neu-Kieler Lars Krogh Jeppesen in der VIP-Loge saß. Offensichtlich steckte den Gummersbacher die Ostseehallen-Sensation noch in den Knochen (Narcisse: „Wir waren müde.“). Vor allem Momir Ilic blieb blass, „feuerte“ in den ersten 30 Minuten alle fünf Versuche daneben. Zu allem Überfluss verletzte sich Alexandros Alvonis nach wenigen Minuten, sodass im rechten Rückraum nur noch die Neuerwerbung Milan Vucicevic zur Verfügung stand.

Lars Christiansen tritt gegen Goran Stojanovic an.

Ganz anders sah es bei den Flensburgern aus. Viggo Sigurdsson konnte aus dem Vollen schöpfen. Die 6:0-Abwehr festigte sich schnell, ließ nur die „üblichen“ Tore von Daniel Narcisse zu. Vorne war es ausgerechnet Frank von Behren, der die ersten nennenswerten Akzente setzte. Drei Tore nach zwölf Minuten! „Einfach schön“, kam es dem Ex-Gummersbacher über die Lippen. Nach rund 20 Minuten erhöhte sich die Effizienz der Flensburger Offensive immer mehr. Ljubomir Vranjes betrat das Spielfeld. Mit ihm hat die SG offenbar das Patent-Rezept gegen offensivere Abwehr-Reihen entdeckt. Wie eine „Wühlmaus“ unterkellerte der kleine Schwede immer wieder die 5:1-Deckung der Westdeutschen und erzielte sechs sehenswerte Treffer. Neben ihm taute Marcin Lijewski auf. In der zweiten Halbzeit schlug schließlich Blazenko Lackovic zu. Möglichkeiten, von denen VfL-Coach Alfred Gislason am Samstagnachmittag nur träumen konnte.
28:20 hieß es in der 46. Minute. Die Gummersbacher schienen sich noch einmal zu berappeln, verkürzten auf 28:32. Einige Flensburger Fans zitterten. Schließlich hatte ihr Team zuletzt in der Schlussphase immer Konzentrationsschwächen gezeigt. „Ich hatte nie das Gefühl, dass etwas anbrennen könnte“, behielt Lars Christiansen eine ruhige Hand. Und Ljubomir Vranjes ergänzte: „Man kann nicht 60 Minuten den perfekten Handball bieten, aber gegen solch einen Gegner ist man automatisch konzentrierter.“ Zu guter Letzt hatten diesmal auch die Statistik-Freunde in Flensburg etwas zu feiern: Im vierten Anlauf gewannen die Nordlichter erstmals in dieser Serie beide Halbzeiten. 

Die Trainer-Stimmen:
Viggo Sigurdsson, SG Flensburg-Handewitt: „Wir haben das Spiel in der Abwehr gewonnen. Aber auch im Angriff waren wir trotz des hohen Tempos sehr konstant. Mit nur zehn technischen Fehlern kann man zufrieden sein.“
Alfred Gislason, VfL Gummersbach: „Im Grunde hatten wir nie eine Chance. Um in Flensburg bestehen zu können, muss das Gros der Mannschaft eine Top-Leistung bringen.“

SG Flensburg-Handewitt: Erfolgreicher „Isländer-Treff“

Isländer-Treff: Viggo Sigurdsson und Alfred Gislason

In der Bundesliga spielen 14 Isländer. Und dann gibt es noch zwei Trainer, die ihr Handball-ABC auf der Insel im Nordatlantik gelernt haben und nun auf Deutschlands „Handball-Bühnen“ die taktischen Fäden in der Hand halten: In der Campushalle trafen sich Viggo Sigurdsson und Alfred Gislason. Allerdings nicht zum ersten Mal in dieser Woche. Schon in der Kieler Ostseehalle weilte der Flensburger Trainer unter den Zuschauern und studierte den kommenden Gast. Viggo Sigurdsson bestaunte die Stärke von Daniel Narcisse („die halbe Mannschaft“), wunderte sich über die Ausrichtung der Kieler 5:1-Abwehr (gegen Momir Ilic) und gratulierte schließlich seinem Landsmann zum Sieg.
Gleichzeitig versprach er Alfred Gislason, der am Donnerstag seinen 47. Geburtstag feierte: „In Flensburg bekommst du nichts geschenkt.“ Eine Einschätzung, die Viggo Sigurdsson vor dem Anpfiff an sein Team weitergab. „Leute, damit eines klar ist“, sagte der Isländer in der Kabine. „Heute verlieren wir nicht.“ Überhaupt hat Viggo Sigurdsson, der bis zur Rückkehr des operierten Kent-Harry Andersson in Flensburg arbeitet, schnell wegen seiner konsequenten Linie und seiner Coolness Freunde gewonnen. „Wir verstehen inzwischen seine Ideen“, sagt beispielsweise Kapitän Sören Stryger. „Und er hat unser Spiel besser kennen gelernt.“
Mit sehr guter Laune schlenderte Manager Thorsten Storm am Samstag durch die Campushalle. Vor seiner vermeintlichen Abschluss-Saison in Flensburg hatte man ihn häufiger wegen der letzten Transfers belächelt. Ljubomir Vranjes und Frank von Behren lösten bei vielen Fans keine allzu große Euphorie aus. Die ersten Spiele deuten aber an, dass die beiden prominenten Neuzugänge sehr gut mit dem SG-Konzept harmonieren. Frank von Behren mauserte sich auf Anhieb zur Abwehr-Stütze und blüht im Angriff dank des Vertrauens, das er vom Trainer erhält, auf. Ljubomir Vranjes bereichert als „besondere Trumpfkarte“ die Angriffs-Varianten. „Er macht praktisch alles für uns“, schwärmten die wurfgewaltigen halblinken Marcin Lijewski und Blazenko Lackovic schon während der Vorbereitung.
„Wir haben wirklich eine sehr homogene Mannschaft“, zog Thorsten Storm eine erste Zwischenbilanz. „Wir wollten nicht die Top-Stars, sondern Akteure, die zu uns passen.“ Eine kurze Pause, dann legte der Flensburger Geschäftsführer noch einmal nach: „Wir haben Frank von Behren und Blazenko Lackovic. Wer ist auf Halblinks besser besetzt als wir in der Bundesliga?“ Einige Meter weiter schmunzelte Lars Christiansen: „Es ist schon seltsam. Da spielt man zehn Jahre regelmäßig an der Spitze – und plötzlich zählt man nicht mehr zu den heißen Meisterschafts-Kandidaten.“ Keine Frage: An der dänischen Grenze sprießt kurz vor Herbstanfang das Selbstvertrauen in voller Stärke. Da störte sich selbst an den Worten von Alfred Gislason niemand: „Flensburg ist sicherlich nicht so anfällig, doch bei vollbesetztem Kader haben die Kieler für mich nach wie vor die beste Mannschaft der Liga.“ 

VfL Gummersbach: Zufrieden mit dem Nord-Ausflug

Alexandros Alvanos verletzte sich.

Niemand verliert gerne. Auch nicht Alfred Gislason. Doch der VfL-Coach war fast weniger über die Chancenlosigkeit seines Teams sauer als über die Verletzung von Alexandros Alvanos. Schon nach acht Minuten musste der Grieche, der gerade erst einen Muskelfaserriss im Oberschenkel auskuriert hatte, mit einer Bänderverletzung passen. Nach einem Sprung war der Linkshänder auf dem Fuß eines Gegners gelandet. Gewiss eine unglückliche Situation. Doch offenbar hatte es Alexandros Alvanos mit der Vorbeugung nicht so genau genommen. „Bei uns müssen alle Rückraum-Spieler getapt sein“, zürnte Alfred Gislason. „Er hat das nicht beachtet.“
Für den VfL Gummersbach eine ärgerliche Situation! Ohnehin scheint den Oberbergischen eine „Seuche“ bei den Linkshändern zu plagen. Schon vor dem Saisonstart musste Denis Zakharov an der Achillessehne operiert werden. Deshalb wurden die VfL-Verantwortlichen noch einmal auf den Transfermarkt aktiv und verpflichteten Milan Vucicevic von Sporting Lissabon. Nach einem Kurzeinsatz in Kiel hatte der Serbe in Flensburg nun zwangsläufig seine erste echte Bewährungsprobe, die er durchaus bestand. Der 2,02-Meter-Mann bestach mit einem harten Wurf, zeigte aber auch natürliche Abstimmungsprobleme mit den Nebenleuten.
Insgesamt waren die Gäste mit der mehrtägigen Reise nach Schleswig-Holstein zufrieden. Die zwei Zähler in Kiel hoben auch 80 Kilometer weiter nördlich die Stimmung des VfL. Aufsichtsrat-Vorsitzender Hand-Peter Krämer wirkte erleichtert, hatte doch manch einer im Umkreis der Kölnarena einen Fehlstart von 2:8 Punkten befürchtet. Nun hat man diesen Wert kurzerhand umgedreht. „Wir haben eine junge Mannschaft mit vielen neuen Spielern und einem neuen System“, warnte Hans-Peter Krämer vor zu großen Erwartungen. Auf der anderen Seite sah er seinen VfL im „Konzert der Großen“ als den Gewinner der Woche: „Die entscheidenden Punkte holt man auswärts direkt bei der Konkurrenz. Wir haben nun beim THW gewonnen. Dagegen muss Flensburg noch nach Kiel und zu uns kommen.“