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Kleinigkeiten machten den Unterschied

Jan Holpert 20 Paraden, Johannes Bitter nur 13 – die Statistik legte eine Analyse nah, warum die Hausherren am Ende klar die Nase vorn hatten. Doch Gäste-Trainer Bogdan Wenta wollte sich bei der Rückkehr an seine sportliche Wirkungsstätte nicht auf eine solche Monokausalität einlassen. „Jan Holpert war wirklich gut und ist mein Freund“, sagte der 45-Jährige und warf in seiner Enttäuschung einen weiteren Grund für die deutliche Niederlage ein: „Wir haben einfach zu viele Fehler gemacht.“
Dabei war der Start so gut wie tadellos. Bis auf einen Abspielfehler von Karol Bielecki endete bis zum 6:4 jeder Angriff der Magdeburger mit einem Tor. Eine erste Rettungstat von Jan Holpert gegen Fabian van Olphen hatte Signalwirkung. Die 6:0-Deckung, in der zumeist Michael Knudsen und Kasper Nielsen zentral agierten, fand eine bessere Einstellung gegen den wurfgewaltigen SCM-Rückraum. „Es war deutlich zu spüren, dass das Team nervös war“, erklärte Kent-Harry Andersson die eher mäßige Anfangsphase. „Das ist aber normal, wenn man unter einem solchen Druck steht wie wir diesmal.“
Die Flensburger gewannen allmählich an Souveränität. Bestes Beispiel: der Traumpass von Joachim Boldsen auf Michael Knudsen, der zum 11:8 vollendete. Bei den Gästen hingegen machte sich bemerkbar, dass der Rückraum ohne Linkshänder auskommen musste und auch die Deckung durch die Ausfälle von Oliver Roggisch (Nasenbeinbruch) und Joel Abati (Handbruch) an Substanz eingebüßt hatte. Bei Karol Bielecki und Fabian van Olpen lief im Mittelblock längst nicht alles nach Plan. „Diese Ausfälle konnten wir nicht kompensieren“, meinte Magdeburgs Manager Holger Kaiser. „Die Kleinigkeiten machten den Unterschied.“
Zu diesen Kleinigkeiten gehörte es auch, dass die medizinische Abteilung der Gastgeber ihre Sorgenkinder in „Betriebsbereitschaft“ setzen konnte. Frank von Behren (Knie-Probleme) half in der Deckung, Ljubomir Vranjes (Fersensporn-Verletzung) im Angriff. Im Notfall hätte auch Johnny Jensen (Bänder-Dehnung im Knie) einspringen können. Doch der Flensburger „Handballgott“ musste nicht eingreifen: Kreisläufer- und Abwehr-Kollege Michael Knudsen zauberte einen bärenstarken Auftritt auf die Platte, und die Magdeburger näherten sich trotz einer 5:1-Abwehr-Variante im zweiten Abschnitt nicht mehr besorgniserregend. 

Die Trainer-Stimmen

Kent-Harry Andersson, SG Flensburg-Handewitt: „Wir haben 60 Minuten lang gekämpft. Die Zuschauer haben uns sehr geholfen.“
Bogdan Wenta, SC Magdeburg: „Meine Mannschaft hat gekämpft. Das reicht gegen die SG aber nicht. So war beispielsweise das Verhalten beim Rücklaufen nach Fehlern im Angriff eine Katastrophe.“

SG Flensburg-Handewitt: Schande noch nicht gut gemacht

„Ja, jetzt wird wieder in die Hände gespuckt.“ Wenn es in knapp zwei Wochen doch noch eine rauschende Abschlussfeier in Flensburg geben sollte, dann könnte Co-Trainer Jan Paulsen auf der Bühne sicherlich den Hit von „Geier Sturzflug“ aus den 80er Jahren in Perfektion zum Besten geben. In der Campushalle waren 40 Minuten gespielt, Michael Knudsen hatte gerade das 25:20 erzielt, da lief der dänische Assistent die gesamte Bank ab und klatschte seine Mitstreiter mit einem großen Grinsen im Gesicht ab. Ja, das war wieder die SG, wie er sie kennt.
Es war keine drei Tage her, da regierte im Flensburger Lager der „Schock-Zustand“. Die „peinliche“ 32:34-Niederlage bei einem stark ersatzgeschwächten Wilhelmshavener HV löste einen Erklärungsnotstand aus, die aus finanziellen Gründen dringend erforderliche Qualifikation war in Gefahr geraten. Auf Präsidiumsbeschluss wurde der Himmelfahrts-Tag gestrichen. Krisensitzung und Extra-Training standen plötzlich auf dem Plan. „Wir haben den Gegner unterschätzt“, gab Linksaußen Lars Christiansen zu. „Es war das Unvermögen der Mannschaft. Unsere Trainer Kent-Harry Andersson und Jan Paulsen hatten alles versucht, um uns aufzubauen.“
Die vielen Gespräche fruchteten offenbar. „Das Team hat gegen Magdeburg wieder ihr wahres Gesicht gezeigt“, freute sich SG-Geschäftsführer Thorsten Storm. „Das ging heute nur über Einstellung und Kampf.“ Und auch Kent-Harry Andersson hatte schon beim Abschluss-Training keine Zweifel, dass seine Jungs in den 60 sehr wichtigen Minuten alles geben würden. „Die waren ganz heiß.“

Torge Johannsen überreichte "sein" Trikot.

Das galt besonders für Jan Holpert (Thorsten Storm: „Er kämpfte mit Leidenschaft für den Verein“). Im wohl drittletzten Match seiner Karriere brauchte die Torwart-Legende aber etwas, um in Schwung zu kommen. Schon nach fünf Minuten ging Jan Holpert zur Bank, um sich mit seinem Kollegen Dan Beutler auszutauschen: „Er sagte mir, dass ich so weitermachen müsse, da ich immer in der richtigen Ecke gewesen sei.“ Es half. Der Keeper war bald eine Stütze des Erfolgs, emotional trotz der Randlage einer der „zentralen Vulkane“. Ein Beispiel: Nachdem Lars Christiansen einen Abpraller verpasst hatte, entlud sich der Zorn des Schlussmanns auf den Linksaußen. „Im Tor hat man keinen Puffer, der Frust muss raus“, erklärte Jan Holpert später diese Szene. „Lars Christiansen reagiert übrigens gar nicht mehr darauf. Er kennt das aus gemeinsamen elf Jahren.“
Friede, Freude Eierkuchen? Nicht ganz. So hob SG-Präsident Frerich Eilts den mahnenden Zeigefinger: „Wir sollten uns nicht in den kollektiven Höhenrausch begeben. Wir müssen uns weiter steigern, damit wir auch die nächsten beiden Spiele bestehen.“ Die Ausgangslage hat sich für die SG aber stark verbessert. Ein Sieg genügt, um einen Platz in der Champions League zu ergattern. Dieses Vorhaben soll schon am kommenden Samstag gegen Kiel glücken. „Die Schande von Wilhelmshaven ist erst gut gemacht, wenn wir gegen Kiel gewinnen“, sagte Jan Holpert und traf dabei genau den Nerv der Fans. Einige hatten als Reaktion auf die teilweise mageren Leistungen der letzten Wochen plakatiert: „Unsere Liebe wird nie vergehen, doch die Kritik bleibt bestehen.“