Mit einem souveränen 40:28 (20:11)-Erfolg über Schlusslicht Eintracht Hildesheim hat die SG Flensburg-Handewitt in der Handball-Bundesliga ihre gute Ausgangsposition im Kampf um die Champions-League-Plätze gefestigt.
Eine Halbzeit lang dauerte es, dann waren die "Ultras“ wieder versöhnt. Im Heimspiel gegen Minden hatte die Fangruppe im Zentrum der Stehtribüne geschwiegen, auch am Sonnabend in der Begegnung gegen Eintracht Hildesheim herrschte dort zunächst seltsame Grabesstille. Doch als der Rest der Halle die SG Flensburg-Handewitt zu feiern begann und der Lärmpegel stieg, wurde der Boykott beendet. Auch die "Ultras“ - arg enttäuscht von den Leistungen ihrer Lieblinge im verlorenen Champions-League-Finale - stimmten in Beifall und Anfeuerungen ein, als die Heimmannschaft einem lockeren 40:28 (20:11)-Sieg entgegenstrebte.
Das Publikum verzieh der SG, dass sie gegen einen der schwächsten Heimgegner dieser Saison darauf verzichtete, ein mögliches Schlachtfest mit 50 oder mehr Treffern zu zelebrieren. Immerhin hielten die Flensburger das Tempo hoch und so fanden Spannung und Dramatik in einem munteren Spielchen mit vielen sehenswerten Kontertoren akzeptablen Ersatz. "Es war schön, so viel zu laufen. So viele Konter sind wir seit zwei Monaten nicht mehr gelaufen“, sagte Anders Eggert, der Eifrigste im Bemühen, eine gute Show zu liefern. Der listige Däne erntete mehrfach Szenenapplaus, besonders bei seinem Siebenmeter zum 35:17, den er frech am Hildesheimer Torhüter Andreas Stange vorbeirollte.
Sehr früh wurde Lars Walther klar, dass Hildesheim auf verlorenem Posten stehen würde. Als der Eintracht-Trainer erleben musste, wie sich nach wenigen Minuten Vladimir Matovic mit schmerzverzerrter Miene am Boden wälzte, war die Sache im Grunde schon gelaufen. "Wenn unser Spiel nicht hundertprozentig funktioniert, dann haben wir ein Problem gegen Mannschaften wie Flensburg“, sagte Walther. Ohne Matovic seien seine Wechselmöglichkeiten begrenzt gewesen und überhaupt: "Drei Spiele in einer Woche - das ist zu viel für Hildesheim. Wir waren müde.“ Das betraf auch Damien Kabengele, Held des Hildesheimer Triumphes über Magdeburg. Der Franzose traf bei 14 Versuchen nur sechs Mal.
Neun Spieler genügen SG zum Kantersieg
Nach 23 Minuten stand es 18:6 - da gab es keine Fragen mehr. Elan und Konzentration der SG ließen dann nach, es entwickelte sich ein Festival der Fehlwürfe, beim dem sich neben Kasper Nielsen vor allem Torge Johannsen hervortat und keine Empfehlung als Alternative zu Sören Stryger abgab.
Der verletzte Kapitän hofft derweil auf baldige Rückkehr. "Ich hoffe, dass es schon Mittwoch in Wilhelsmhaven geht, spätestens aber am Sonnabend gegen Magdeburg“, sagte Stryger, den eine Verletzung in der Wadenmuskulatur plagt. Auch Johnny Jensen (Kreuzband-Dehnung) will wenigstens noch die Partie gegen den THW am 26. Mai bestreiten. Neben den verletzten Stryger, Jensen und Lackovic schonte SG-Trainer Kent-Harry Andersson in Beutler, von Behren, Christiansen und Vranjes, der nur wenige Minuten spielte, vier weitere Stammkräfte. In Verlegenheit geriet die "Rest-Neun“ der SG dennoch nie, woran Torhüter Jan Holpert und Spielmacher Joachim Boldsen mit glänzenden Leistungen den größten Anteil hatten. "Mit zwölf Toren Differenz gegen Hildesheim bin ich zufrieden. Man muss gut spielen, um diese Mannschaft so klar zu schlagen“, meinte Andersson.
Spieler des Tages: Anders Eggert
Wenn es ganz nüchtern nach Leistung und Effektivität geht, dann waren Jan Holpert und Joachim Boldsen die herausragenden Kräfte der SG Flensburg-Handewitt gegen Hildesheim. Da aber der Gegner so schwach war, dass diesmal bei der Kür zum Spieler des Tages auch "weiche Faktoren“ zählen durften, musste die Wahl auf Anders Eggert fallen. Der Däne war zweifellos der unterhaltsamste Akteur am Sonnabend in der Campushalle.
Nicht jeder Wurf des Linksaußen, der heute 25 Jahre alt wird, traf, doch die zehn erfolgreichen Versuche waren durchweg sehenswert. Den Gipfel der Frechheit leistete sich der listige Däne, als er in der 55. Minute zu seinem dritten Siebenmeter antrat. Scheinbar schien er den Ball zu verlieren, um ihn dann aufreizend lässig aus verdeckter Hand am verdutzten Hildesheimer Torhüter Andreas Stange vorbei zu kegeln.
"Das habe ich schon lange nicht mehr gewagt“, meinte Eggert grinsend und gab die Anekdote zum Besten, wie er diesen Wurf in einem Spiel von GOG Svendborg gegen Ciudad Real ausgerechnet an Welttorhüter Arpad Sterbic testete. "Wir lagen zurück, ich dachte, ich muss etwas Spektakuläres für die Mannschaft machen. Aber ich habe so falsch getroffen, dass Sterbic den Ball gefangen hat. Oh, hab’ ich auf die Fresse gekriegt von meinem Trainer“, erzählte Eggert. Am Sonnabend ging es gut, Eggert wurde gefeiert und nach 60 Minuten ordentlicher Leistung sogar von Trainer Kent-Harry Andersson geadelt: "Ich habe zwei gleich gute Spieler auf Linksaußen. Anders hat Zeit gebraucht, aber er kommt mehr und mehr. Das ist ein toller Spieler für die SG in den nächsten zehn Jahren.“
Spannungen zwischen ihm und dem Platzhirschen Lars Christiansen, dem er zunehmend zur Konkurrenz wird, sind nicht auszumachen. Als die beiden später in der Lounge zusammensaßen, scherzte Eggert selbstbewusst: "Wenn er sitzt und ich spiele, dann gibt es keine Probleme.“
Neben der Handball-Karriere erledigt Eggert derzeit noch sein Fernstudium zum Bauingenieur. Auch hier geht es für den munteren Blondschopf voran: "Ein Semester noch und zwei Prüfungen im Sommer und im Dezember. Wenn ich die bestehe, bin ich fertig. Und dann baue ich hier eine größere Halle!“
Am Rande notiert
Doppelte Ehre: Lars Christiansen erlebte einen ruhigen Sonnabend und genoss die Darbietungen seines Nachfolgers Anders Eggert auf der Bank. Dass der 35-Jährige nicht jedem Spielanteil nachhecheln und niemanden mehr etwas beweisen muss, hatten zuvor gleich zwei Auszeichnungen unterstrichen. Seine dänischen Spielerkollegen in der Heimat (1. und 2. Liga) sowie die im Ausland tätigen Landsleute wählten ihn zum "Handballer des Jahrzehnts“ im Nachbarland. Zudem wurde Christiansen ebenso wie Jan Holpert und Sören Stryger für das Allstar-Team der HBL berufen, das am 5. Juni in Berlin gegen die deutsche Nationalmannschaft spielt.
Personalplanungen: Ungeachtet aller Spekulationen und Gerüchte hält die SG an ihrer langfristigen Planung für die Kreisläufer-Position fest. SG-Präsident Frerich Eilts stellte klar: "Frank Löke wird am 1. Juli 2008 seinen Vertrag bei der SG Flensburg-Handewitt antreten.“ Der 27 Jahre alte Norweger, zuletzt ausgeliehen an Grashoppers Zürich, soll den Wunsch geäußert haben, in der Schweiz zu bleiben, wo er nicht nur sehr erfolgreich spielt, sondern sich mit seiner Familie auch wohlfühlt. Die SG bleibt jedoch dabei, dass Löke die Nachfolge von Johnny Jensen antreten und möglichst mit Michel Knudsen ein schlagkräftiges Gespann bilden soll. Knudsens SG-Vertrag läuft zunächst noch bis Juni 2008. Der Däne hält seine Planungen derzeit offen. "Ich könnte danach nach Viborg zurückkehren, ich fühle mich aber auch sehr wohl in Flensburg. Ich werde mich bis Weihnachten entscheiden“, kündigte der 28-Jährige an, der angeblich auch vom THW Kiel umworben wird. "Dazu kein Kommentar“, sagte Michael Knudsen auf Nachfrage.
Harte Bank: Für alle SG-Akteure, die gerade nicht auf dem Spielfeld stehen, ist es in der Campushalle ungemütlicher geworden. Die bequemen roten Recaro-Sessel wurden durch harte Bänke ersetzt. "Mir war das da zu kuschelig geworden“, sagte Manager Thorsten Storm, "wer jetzt dort sitzt, will auch eher wieder rein.“ Für Anders Eggert ein Grund mehr, Gas zu geben und Spielanteile zu fordern. "Sonst bekomme ich ja Hornhaut am Hintern“, beschwerte sich der Däne unlängst bei Storm.