Stripes
Stripes
Archiv

Unterschiedliche Wahrnehmungen einer Niederlage

Es wird eng für die SG Flensburg-Handewitt mit der Qualifikation für die Champions League über die Platzierung in der Handball-Bundesliga. Nach dem 25:29 (12:10) bei der HSG Nordhorn liegt der deutsche Vizemeister mit 39:13 Zählern weiter auf dem fünften Rang, hat jetzt aber einen Minuspunkt mehr als der unmittelbare Verfolger aus der Grafschaft Bentheim.
Die Rückkehr an seine alte Wirkungsstätte hatte sich Ljubomir Vranjes etwas anders vorgestellt. Zwar wurde der kleine Schwede in Nordhorn, wo er von 2001 bis 2006 sein Geld verdient hatte, mehr als herzlich begrüßt, und viele Fans wollten sich noch einmal mit „Ljubo“ ablichten lassen. Gastgeschenke gab es für Vranjes allerdings nicht. Er und die SG Flensburg-Handewitt mussten nach dem 25:29 (12:10) die rund 450 Kilometer lange Heimreise mit leeren Händen antreten.
Unter dem Strich war mit diesem Punktverlust im Verfolgerduell zu rechnen, da bei den Flensburgern mit Blazenko Lackovic (Meniskusriss) und Marcin Lijewski (Mandelentzündung) die beiden „Shooter“ fehlten. Doch Manager Thorsten Storm lag mit seiner Einschätzung, „dass wir trotzdem die Gelegenheit hatten, hier heute zu gewinnen“, nicht daneben. Bis zur 50. Minute bei einer 24:23-Führung hatten die Flensburger von einem Erfolg in der Grafschaft träumen dürfen. Doch in den nächsten sieben Minuten gingen alle Hoffnungen den Bach runter, weil Weltmeister Holger Glandorf aus diesem Rückstand die vorentscheidende 27:24-Führung für die Gastgeber machte. Als Jan Filip kurz darauf in Unterzahl sogar noch das 28:24 drauf legte, war der Drops endgültig gelutscht. Die sechste Auswärtsniederlage in Folge der SG seit dem 28. Februar war perfekt.
Die Wahrnehmungen beim Verlierer, worauf der Punktverlust zurückzuführen war, hätten allerdings unterschiedlicher nicht sein können. „Wenn ein Holger Glandorf 15 Tore werfen darf und dabei nicht einmal die Härte der Abwehr zu spüren bekommt, kann man nicht gewinnen“, meinte Storm, der seiner Mannschaft angesichts der angespannten Personalsituation in kämpferischer Hinsicht keinen Vorwurf machte, aber gerade in der Schlussphase den nötigen „Biss“ in der Defensive vermisst hatte. Auch Torhüter Jan Holpert, der bei seinem letzten Auftritt in der Grafschaft mit 23 Paraden der überragende Akteur im Euregium gewesen war, fühlte sich offenbar von seinen Vorderleuten oftmals allein gelassen. Immer wieder schimpfte er mit seinen Abwehrspielern, forderte sie auf entschlossener auf Glandorf zu gehen, doch seine Worte verhallten ungehört.
„Wir haben das Spiel im Angriff verloren“, meinte hingegen Trainer Kent-Harry Andersson. „Wir hatten ohne unsere Shooter große Probleme mit der defensiven Nordhorner Abwehr. Uns haben die einfachen Tore gefehlt, weil auch Peter Gentzel im HSG-Tor einen guten Tag hatte.“ Mannschaftskapitän Sören Stryger sah es ähnlich. „Wenn man alle anderen Spieler der HSG gut im Griff hat, muss man damit rechnen, dass einer wie Glandorf viele Tore wirft. Wir haben in den letzten zehn Minuten vorne die entscheidenden Fehler gemacht. Das war der Knackpunkt.“ Gerade in Überzahl hatten sich die Flensburger zwischen der 50. und 52. Minute, als Lund auf der Strafbank saß, dumm angestellt. Eggert erzielte zwar die 24:23-Führung, aber drei weitere Angriffe (ein Fehlpass, zwei Fehlwürfe gegen Gentzel) blieben erfolglos. „Da hätten wir das Spiel entscheiden können“, meinte Stryger selbstkritisch. Selbst nach dem 24:27 besaß die SG die Chance, das Spiel noch einmal zu drehen, doch alle Wurfversuche gegen Gentzel in Überzahl scheiterten erneut. Nordhorn ließ sich nicht mehr von der Siegerstraße abbringen.
Dass die Niederlage von Nordhorn psychische Auswirkungen auf das Halbfinale im Final Four am Sonnabend gegen den THW Kiel haben könnte, glaubt bei der SG jedoch niemand. „Wer weiß was passiert, wenn wir alle an Deck haben“, meinte Ljubomir Vranjes, der wie sein Trainer hofft, dass Lackovic und Lijewski wieder dabei sind und dass Frank von Behren nach langer Verletzungspause (Kreuzbandriss) vielleicht sein Comeback geben wird. In Nordhorn hätte von Behren zumindest in der Abwehr spielen können. Doch der Trainer („So etwas macht man nicht in den letzten zehn Minuten“) hatte darauf verzichtet. „Meisterschaft und Pokal sind zwei völlig verschiedene Dinge“, meinte Sören Stryger. „Wir werden am Sonnabend wieder angreifen.“