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SG stößt an Grenzen der Improvisation

Die Rumpftruppe der SG Flensburg-Handewitt kämpfte bravourös, doch am Ende gaben die größeren Kraftreserven des HSV Hamburg den Ausschlag im Nordschlager der Handball-Bundesliga. Die Gastgeber siegten 33:31. Marcin Lijewski hatte wenig Freude an seiner herausragenden Leistung in Hamburg. Neun Tore hatte der Linkshänder der SG Flensburg-Handewitt selbst erzielt, mannschaftsdienlich seine Mitspieler eingesetzt, nie aufgegeben, sich aufgerieben in einer Partie, in der Kampf mehr als Spielkunst zählte. Und doch schaute Lijewski bedröppelt drein, als er mit Söhnchen Wiktor im Arm im Kabinengang der Color Line Arena Auskunft gab: „Wieso sagt ihr, ich habe ein großes Spiel gemacht? Alle haben gekämpft. Aber es reicht nicht, wenn du zu wenig gesunde Spieler hast und keine Alternativen.“
Ausgerechnet der beste Flensburger ließ in der Schlussphase zwei Chancen aus, die vielleicht die Wende gebracht hätten. „Da fehlte ein bisschen Glück, ein bisschen Präzision. Aber du hast keine Reserven mehr, wenn du das ganze Spiel hindurch gekämpft hast“, sagte Lijewski. So verlor die SG am Sonnabend vor 12 807 Zuschauern mit 31:33 (13:17) und verabschiedete sich damit aus dem Kampf um die deutsche Meisterschaft.
Ob stattdessen die Hamburger in der Lage sind, den THW Kiel zu entthronen, darf bezweifelt werden. Wie sich der HSV in Bestbesetzung nach einem 26:20-Vorsprung (44. ) von einem gehandicapten Gegner noch in Verlegenheit bringen ließ, zeugt nicht von Titelreife. Trainer Martin Schwalb blieb daher zurückhaltend: „Wir sollten uns in Demut üben. Es kommt nicht alle Tage vor, dass man eine so tolle Mannschaft schlägt.“ Und was die Meisterschaft angeht, fehlt Schwalb die Phantasie: „Ich bin zu einfach gestrickt, so weit kann ich gar nicht denken.“

Die SG hatte einen schweren Stand gegen die HSV-Abwehr.

Der SG bleibt nur die Hoffnung auf Besserung bis Freitag, wenn das erste Champions-League-Halbfinale gegen CBM Valladolid ansteht. Zu schwer wog in Hamburg der Ausfall von Joachim Boldsen und Sören Stryger, hinzu kam ein schwarzer Tag von Blazenko Lackovic, der sich keine Entschuldigung gestattete: „Es war nicht das Knie, ich war einfach schlecht.“ Auch Kasper Nielsen blieb als Vertreter auf halblinks unter seinen Möglichkeiten, und Ljubomir Vranjes tat sich schwer, das Angriffsspiel gegen eine offensiv ausgerichtete Hamburger Abwehr zu gestalten. „Mit dieser Deckung haben sie uns ein bisschen den Schneid abgekauft“, meinte Frank von Behren, der überraschend beim Aufwärmen dabei war, was aber nur dem Schnuppern für das zum Final Four geplante Comeback diente.
In der Defensive hatte die SG zwar den Linkshänder Kyung-Shin Yoon unter Kontrolle, bekam jedoch den Scharfschützen Pascal Hens, die Gille-Brüder und Torsten Jansen nicht in den Griff. Einen 6:10-Rückstand machten die Flensburg nicht zuletzt dank einer starken Phase von Torhüter Jan Holpert fast wett, doch zur Pause hatte sich der HSV durch Konter die Vier-Tore-Führung zurückgeholt.
Unglücklich verlief der Start in die zweite Hälfte. Lars Christiansen vergab einen Siebenmeter, wenig später verlor die SG eine 6:4-Überzahl mit 1:2, was Hamburg den ersten Sechs-Tore-Vorsprung brachte. Doch plötzlich spürten die Flensburger die zweite Luft. Trainer Kent-Harry Andersson störte das HSV-Angriffsspiel mit zwei ungewöhnlichen Maßnahmen. Zum einen ließ er Hens durch Vranjes in kurze Deckung nehmen, zum anderen beorderte er Rechtshänder Anders Eggert für Torge Johannsen auf die Rechtsaußenposition. „Das hat Ljubo gut gemacht. Für kurze Zeit kann man so etwas probieren. Torge hatte einige Fehler gemacht. Anders ist stark in der Abwehr und beim Konter, und im Training hatte es mit ihm auf Rechtsaußen gut geklappt“, begründete Andersson die Schachzüge, die durchaus Wirkung zeigten. Zudem gaben Kreisläufer Michael Knudsen mit 100 Prozent Wurfausbeute und Torhüter Dan Beutler, der einen Ball nach dem anderen parierte, neue Impulse für den Kampfgeist ihrer Mitspieler. 27:29, 28:30, 29:31 (54.) – die SG war drauf und dran, das Spiel zu wenden.
Doch am Ende offenbarten sich die Grenzen der Improvisation. Neben Lijewski scheiterte auch Eggert bei einem wichtigen Wurf aus naturgemäß unmöglichem Winkel. „Mit ein wenig Glück hätte es geklappt. Aber wir können auf diese zweite Halbzeit aufbauen. Wie sich die Mannschaft immer wieder herangekämpft hat – das spricht für ihre Moral“, sagte Manager Thorsten Storm. Zur Frage, ob man Boldsen nicht doch in die Schlacht hätte werfen können, meinte er: „Kein Chance. Joachim ist ein Opfer des Systems. Der Junge hat zu viel Handball gespielt in diesem Jahr. Manchmal muss man die Spieler auch schützen.“ SG-Arzt Dr. Hauke Mommsen ist zuversichtlich, dass sich bis Freitag die Personalsituation entspannt: „Die Tage, die jetzt kommen, sind Gold wert. Ich bin sicher, dass Stryger und Boldsen gegen Valladolid spielen werden.“