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Plötzlich ging der Glaube zu Boden

Dem Höhenflug gegen Barcelona folgte der Absturz in Köln. Bei der 26:33-Niederlage im Spitzenspiel der Handball-Bundesliga gegen den VfL Gummersbach leistete die SG Flensburg-Handwitt kaum Widerstand. „Winners Place“ leuchtete wie Hohn in Neonblau über der Gesellschaft, die sich um Mitternacht in der Lobby des Hotels BayArena in Leverkusen versammelt hatte, um ihre Wunden zu lecken. Auch der dritte Wechsel des Mannschaftsquartiers bescherte der SG Flensburg-Handewitt nicht den erhofften ersten Erfolg gegen den VfL Gummersbach in der Köln-Arena.
Mit 26:33 (14:17) erlitt der Tabellenführer der Handball-Bundesliga eine schmerzhafte Schlappe. „Langsam gehen uns die Hotels aus“, meinte Manager Thorsten Storm, der auswärts stets die Unterkunft wechselt, wenn die dazugehörige Partie nicht gewonnen wird.
Der oft hilfreiche Aberglaube verpuffte auch im vierten Ansturm auf die Köln-Arena. Die Magie der Stätte des deutschen WM-Triumphes wirkte nur auf die Gastgeber, was sich in ganz nüchterner Statistik ausdrückte. VfL-Torwart Goran Stojanovic hatte 44 Prozent der Würfe gehalten, die SG-Keeper Jan Holpert und Dan Beutler 26 Prozent. Aus Sicht der Angreifer waren 69 Prozent der Gummersbacher Würfe eingeschlagen, Flensburg kam auf 45 Prozent. So einfach ist Handball.

Lars Christiansen zog sich noch am besten aus der Affäre.

Und so rätselhaft. Wie war es möglich, dass die SG fünf Tage nach dem triumphalen Zehn-Tore-Erfolg über den großen FC Barcelona ein Bild des Jammers abgab? Der Erste, der eine Erklärung versuchte, war Frank von Behren. „Wir waren vom Kopf her nicht frisch und auf so einen Kampf nicht vorbereitet. Als wir versuchten, krampfhaft den Hebel umzulegen, ging nichts mehr.“
Dabei war der Bundesliga-Spitzenreiter reibungslos in die Partie gestartet. 8:4 stand es nach elf Minuten gegen unterirdisch spielende Gummersbacher. Von einem Moment auf den nächsten kehrte sich das Bild total um. Die folgenden acht Minuten gingen mit 10:1 an den VfL, der das Spiel damit schon früh praktisch entschieden hatte. Die SG erholte sich von diesem Niederschlag nicht mehr.
„Man kann in Gummersbach verlieren, aber die Art und Weise – das darf nicht sein. Da ist unser Glaube zu schnell zu Boden gegangen“, sagte Lars Christiansen, der sich mit sieben Toren bei sieben Versuchen noch am besten aus der Affäre gezogen hatte.

Ljubomir Vranjes betrieb hohen Körpereinsatz.

Trainer Kent-Harry Andersson sah sich böse überrascht: „Barcelona hat wohl doch sehr viel Kraft gekostet. Joachim Boldsen war platt nach seinem Superspiel, aber ich hatte gehofft, dass er sich bis heute erholt.“ Doch der „Traktor“ konnte nach zehn Minuten niemanden mehr ziehen. Weil auch Vranjes’ hoher körperlicher Einsatz wirkungslos blieb, verlor der SG-Rückraum seine Schlagkraft. Lijewski traf bei elf Versuchen nur drei Mal, und Lackovic ist wegen seiner Kniebeschwerden nur bedingt einsatzfähig.
Da die SG das Talent hat, aus schlechten Tagen wirklich miserable zu machen, ging auch noch vieles andere schief. Dazu gehörte die stattliche Zahl von neun Holztreffern, aber auch die Leistung der Schiedsrichter Fleisch/Rieber. Die Schwaben fällten die so genannten 50:50-Entscheidungen stets zu Gunsten der Gummersbacher. Auch manch anderer Pfiff erschien fragwürdig, so dass Thorsten Storm sarkastisch feststellte: „Die Schiedsrichter zeigten die beste Leistung, Gummersbach eine gute und wir eine nicht so gute.“
Gestern Mittag flog der SG-Tross weiter nach Barcelona, wo ein erneuter Aussetzer am Sonnabend im Viertelfinal-Rückspiel der Champions League zum Desaster werden kann. „Wenn wir noch mal so spielen, gewinnt Barcelona mit mehr als zehn Toren“, fürchtete Michael Knudsen. Neue physische Blessuren haben sich in Köln glücklicherweise nicht eingestellt. Ob die Moral gelitten hat, muss sich zeigen. „Einige stecken so etwas leichter weg, andere schwerer – denen müssen wir helfen“, sagte Lars Christiansen.