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Lübbecke muckte auf

Zum Glück ist Handball eine Hallensportart. Für viele Zuschauer bot der Bundesliga-Wiederbeginn in Flensburg nämlich kaum Erwärmendes. Nach dem Kantersieg in Wilhelmshaven hatte das Publikum offenbar gegen den abstiegsgefährdeten TuS N-Lübbecke ein weiteres Schützenfest erwartet. Pustekuchen! Begeisterung entzündete sich nicht auf den Rängen, nur auf der Nordtribüne wurde gesungen: „Bar-ce-lo-na!“ Vorfreude auf den nächsten „Knüller“!
Offenbar dachten die Spieler des Tabellenführers ähnlich. Selten agierten sie so konsequent wie in den ersten Minuten, als ein 3:0-Blitzstart große Erwartungen schürten. Insgesamt fehlte aber gerade in der sonst so tadellosen 6:0-Abwehr der letzte Biss, um einen deutlichen Sieg zu erringen. „Das war eine Sache der Einstellung“, gab Trainer Kent-Harry Andersson dann auch zu. „Das kommende Spiel des Jahres schwebte schon in den Hinterköpfen.“

Dan Beutler konnte sich nicht immer freuen.

Zudem schockte eine neue Verletzung die Flensburger. Joachim Boldsen brach die Aufwärmphase ab. Schmerzen am Ellenbogen! Für ihn verteidigte zunächst Michael Knudsen gegen Linkshänder Rolf Hermann. Im Angriff erhielt Kasper Nielsen seine Chance. „Er hat einige überraschende Tore erzielt“, lobte ihn Kent-Harry Andersson, der nach gut 20 Minuten den zuletzt angeschlagenen Blazenko Lackovic ins Rennen warf. Die Spielpraxis tat dem Kroaten sichtlich gut.
Nachdem es zur Pause noch nach einem ebenso glanzlosen wie undramatischen Pflichterfolg aussah, muckte kurz darauf der Außenseiter auf. Die Ostwestfalen nutzten die Unaufmerksamkeiten der pomadigen Hausherren schamlos aus. Patrick Fölser brachte seine Farben auf 17:19 (35.) heran. Stian Tönnesen verwandelte zwei Siebenmeter zum 21:22 (41.) und 22:23 (43.). Zumindest die Freunde von Spannung kamen nun auf ihre Kosten. Um aber ernsthaft eine Chance zu haben, war Lübbecke an diesem Abend zu sehr über den Kreis verwundbar. Die Achse mit Ljubomir Vranjes und Michael Knudsen stach. 

Die Trainer-Stimmen

Kent-Harry Andersson, SG Flensburg-Handewitt: „Leider haben wir nicht an die Glanzvorstellung in Wilhelmshaven anknüpfen können. Mit dem Angriff war ich insgesamt zufrieden, aber die Abwehrarbeit können wir viel besser.“
Jens Pfänder, TuS N-Lübbecke: „Wir haben nicht so recht an einen Sieg geglaubt und hatten nach dem 40:21-Sieg der Flensburger in Wilhelmshaven wohl zu großen Respekt.“

SG Flensburg-Handewitt: Michael Knudsen als Mann des Tages

Anders Eggert verwandelte sechs Siebenmeter.

Sieben Treffer, vier Siebenmeter herausgeholt, nur ein Fehlwurf – die nackten Zahlen machten Michael Knudsen zum Mann des Tages. „Zum Glück muss ich nicht wie in der Nationalmannschaft über sehr harte 60 Minuten gehen“, konnte der dänische Kreisläufer Michael Knudsen nach dem Schlusspfiff schon wieder strahlen. „Mit Johnny Jensen gibt es einen zweiten sehr starken Kreisläufer, mit dem ich mir die Spielzeit teile.“
Die Rolle von Michael Knudsen, aber auch die Qualität des „Ball-Lieferanten“ Ljubomir Vranjes („Dieses Zusammenspiel hat mir sehr gefallen“) machten Kent-Harry Andersson sichtlich Spaß. Überhaupt ist der 57-jährige Schwede nach seiner Gehirn-Operation im Sommer wieder voll dabei. Eine Nachuntersuchung in Hannover fiel vor wenigen Wochen erfreulich aus. Keine Spur mehr vom Tumor! Die Spieler freut es, dass sie ihren etatmäßigen Coach wieder haben. „Kent-Harry ist eine Super-Person“, sprudelte es am Samstag aus Michael Knudsen heraus. „Er weiß genau, welcher Spieler auf welcher Position glänzen kann. Und seine Vorbereitungen auf die Partien sind einfach genial.“
Die Spieler haben sich nach den WM-Strapazen längst regeneriert und strotzen wieder vor Motivation. „Wir haben noch Ziele in dieser Saison“, betonte Michael Knudsen. „In allen drei Wettbewerben sind wir dabei.“ Und welcher Titel ist am wahrscheinlichsten? Der Däne grinste nur und antworte knapp: „Alle!“

TuS N-Lübbecke: Kein Paukenschlag im Abstiegskampf

Lübbecke hielt gut dagegen.

Auf Jens Pfänder passte am Samstagabend die Metapher von einem weinenden und einem lachenden Auge perfekt. Er wusste nicht so recht, ob er sich über das passable Ergebnis, das gerade das Torverhältnis kaum belastete, freuen oder doch ärgern sollte. Mitte der zweiten Hälfte hatte der 47-Jährige sogar an der Sensation, am Paukenschlag im Abstiegskampf, gerochen. „Man merkte, dass dieses Spiel bei Flensburg nicht die höchste Priorität genoss, der Gegner zeigte kein 100 Prozent“, analysierte Jens Pfänder. „Wir haben wohl selbst nicht ganz geglaubt, es zu schaffen.“ Aber immerhin nahm Lübbecke Selbstvertrauen für die wichtigen Heimspiele gegen Großwallstadt, Melsungen und Kronau-Östringen sowie dem „Abstiegs-Kracher“ in Wetzlar mit.
Mit Leistungen wie in der Flensburger Campushalle ist der Klassenerhalt mehr als realistisch. Doch mit welchem Team starten die Ostwestfalen in die potenzielle, nächste Bundesliga-Saison? Die TuS-Fans wurden zuletzt etwas unruhig. Nachdem sich der TBV Lemgo schon vor einigen Monaten Linkshänder Rolf Hermann geangelt hatte, produzierten Geschäftsführer Uwe Kölling und der sportliche Leiter Jens Pfänder zuletzt nur „Abschiedsmeldungen“. Der Vertrag mit Kreisläufer Patrick Fölser wird auf beiderseitigem Wunsch nur noch bis zum Saisonende laufen, die Außen Dragan Szudzum und Thorir Olafsson haben keine Zukunft am Wiehengebirge. Aber wer kommt? „Wir waren bei der Weltmeisterschaft sehr aktiv“, sagte Jens Pfänder zuletzt. „Es wird sich in Kürze etwas tun.“