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Geübt im dosierten Einsatz der Kräfte

Generalprobe bestanden: Als Spitzenreiter der Handball-Bundesliga erwartet die SG Flensburg-Handewitt am Freitag den FC Barcelona. Vor dem Knüller in der Champions League tat sie aber alles, um sich beim 33:30 gegen den TuS N-Lübbecke nicht zu verausgaben.
Die SG Flensburg-Handewitt unternimmt in diesen Tagen einiges, um der Konkurrenz unberechenbar zu erscheinen. "Hätte man mir vorher dieses Ergebnis gesagt, wäre ich sehr zufrieden gewesen. Nach einer Niederlage wie heute kann ich es nicht sein“, meinte Jens Pfänder, Trainer TuS N-Lübbecke. 33:30 (18:13) hatte der Spitzenreiter gewonnen, obwohl ihn der Tabellen-14. in der zweiten Halbzeit in einige Verlegenheiten gestürzt hatte. "Wenn wir wirklich dran geglaubt hätten, wäre vielleicht eine Überraschung drin gewesen“, so Pfänder, "aber meine Mannschaft hatte zu viel Respekt nach dem Ergebnis von Wilhelmshaven. Das hat uns   schockiert.“ So zahlte sich der furiose 40:21-Erfolg im Pokal am vergangenen Mittwoch für die SG gleich doppelt aus: Final Four erreicht und die Konkurrenz in Ehrfurcht versetzt.
Entsprechend zufrieden war Flensburgs Trainer Kent-Harry Andersson: "Wir haben alle drei Spiele nach der WM gewonnen, wir führen die Bundesliga an, stehen im Final Four und haben das Spiel des Jahres vor uns - das macht alles sehr viel Spaß“, meinte der Schwede und ordnete die dürftige Vorstellung vom Sonnabend in die Normalität ein: "Drei Spiele in einer Woche - da ist immer ein schwaches dabei.“

Ljubomir Vranjes war Chef im Ring

Verständnis hatten auch die 6000 Besucher in der Campushalle. Im Gegensatz zu ähnlichen SG-Spielen, in denen sich die Mannschaft auf das Notwendigste beschränkt hatte, gab es diesmal keine Pfiffe. Wohl auch, weil außer TuS-Coach Pfänder niemand eine Sensation heraufziehen sah. Mittlerweile geübt im kontrollierten Einsatz der Kräfte, genügte der SG ein kurzer Zwischenspurt, um die Verhältnisse wieder gerade zu rücken, als Lübbecke in der der 43. Minute auf 22:23 verkürzt hatte. Kurz darauf lagen die Flensburger wieder 27:22 vorn. Dieses Katz-und-Maus-Spiel betrieben sie über die gesamten 60 Minuten, ohne dass Zweifel aufkamen, dass die Maus das erwartete Schicksal ereilen würde.
Immerhin gewann Kent-Harry Andersson, der freiwillig auf Lars Christiansen und notgedrungen auf Joachim Boldsen verzichtete, noch einige positive Erkenntnisse, speziell was die Lösungen ohne den dänischen "Traktor“ anging. "Ljubomir Vranjes war der Chef im Spiel. Kasper Nielsen hat mit einigen schönen Toren überrascht“, stellte der Schwede fest, der natürlich dennoch dringend darauf hofft, dass Boldsen bis Freitag wieder hergestellt ist. Gestern musste sich der 29-Jährige wegen einer Ellenbogenverletzung in Behandlung begeben.
Gute Noten verdienten sich außerdem Torhüter Jan Holpert, der ohne große Abwehrunterstützung auf zwölf Paraden kam (Quote 40 Prozent) und Kreisläufer Michael Knudsen, der versprach, dass "gegen Barcelona alle hundertprozentig wieder dabei“ sind. Das gilt dann hoffentlich auch für die beiden Männer, die bei der SG für die "leichten“ Tore zuständig sind. Blazenko Lackovic, der zuletzt wegen Kniebeschwerden geschont wurde, kam  wenigstens noch auf drei Treffer, während Marcin Lijewski, in Wilhelmshaven noch überragend, diesmal ganz leer ausging. Der Polen musste trotz einer Magen-Darm-Grippe spielen und ist insofern entschuldigt.

Spieler des Tages: Michael Knudsen

Das war ein Superspiel, oder?“ Nein, war es natürlich nicht,  und Michael Knudsen begleitete seine Aussage auch mit einem fröhlichen Augenzwinkern. Dabei hatte der dänische Kreisläufer eigentlich allen Grund, wenigstens mit seiner eigenen Leistung beim 33:30-Sieg der SG Flensburg-Handewitt zufrieden zu sein. Sieben Tore aus acht Versuchen erzielte Knudsen, der sich im Gegensatz zu manch anderem seiner Kollegen sechs Tage vor dem großen Spiel im Viertelfinale der Champions League nicht schonte.
Er glaube schon, dass Barcelona im Hinterkopf eine Rolle gespielt habe, verwies aber auch auf die beiden vorangegangenen Spiele in Melsungen und Wilhelmshaven. "Die waren beide viel schwerer als das heute gegen Nettelstedt“, sagte Knudsen und deshalb sei es ein wenig leichter gewesen, dort eine bessere Leistung abzurufen. "Heute haben wir uns  mental nicht optimal auf diesen Gegner einstellen können. Es ging nur ums Gewinnen, egal wie.“

Michael Knudsen

Auch er habe die WM körperlich zwar gut verkraftet, sei aber "im Kopf ganz müde“ gewesen: "Keine Lust, keine Energie.“ Da ist dann eine Mannschaft wie der TuS N-Lübbecke nicht unbedingt geeignet, den Spitzenreiter hellwach ins Spiel gehen zu lassen. Das werde am Freitag ganz anders aussehen, verspricht der Däne: "Gegen Barcelona sind wir zu 100 Prozent wieder da.“
Knudsen ist mit seiner Situation bei der SG hochzufrieden. "Das ist eine Supersaison. Wir haben zwei gute Kreisläufer, jeder mit seinen Qualitäten. Ich bin froh, dass ich mich mit Johnny abwechseln kann.“ Froh ist der 28-Jährige auch darüber, dass Kent-Harry Andersson wieder zurück ist: "Ein super Mensch, ein toller Trainer. “Wir wissen wieder genau, wer welche Position im Team hat.“

Frank von Behren hofft auf Comeback zum Final Four

Die Zeit, in der die Kameraden ihre großen Triumphe feierten - die Nationalmannschaft bei der WM, die SG in der Champions League, in der Bundesliga und im Pokal - war nicht leicht für Frank von Behren. Zu den Schmerzen und all den Widrigkeiten, die ein Kreuzbandriss mit sich bringt, kam das Gefühl, etwas zu verpassen. Der 30-Jährige musste damit umgehen. "Ich habe mich mitgefreut, aber es war auch eine schwierige Situation. Ich verdränge das jetzt. Es hätte ja auch anders kommen können, und dann hätte man mich gefragt, ob ich nicht froh darüber bin, bei der WM nicht dabeigewesen zu sein“, sagt der Rückraumspieler, den am 26. September 2006 die übelste aller Sportverletzungen ereilt hatte.

Frank von Behren arbeitet am Comeback.

Viereinhalb Monate später ist Frank von Behren fast wieder in der Normalität angekommen. Sechs Stunden trainiert er am Tag, neben Reha-Maßnahmen stehen Laufen, erste Sprung- und Wurfübungen auf seinem Programm. Die Ärzte bescheinigen ihm gute Fortschritte. Nur das Training im Team ist noch nicht erlaubt, Zweikämpfe und Körperkontakt bergen momentan noch Risiken. "Aber ich will bald wieder zur Mannschaft stoßen“, sagt von Behren.
Er hadert nicht mehr mit seinem Pech, sondern richtet den Blick in die Zukunft. Seine Motivation hat keinen Knacks erlitten, sondern ist eher gewachsen. "Oleg Velyky und ich sind ja jetzt die Einzigen, die noch nichts gewonnen haben. Wir sind jetzt erst recht heiß auf die EM und die Olympischen Spiele im nächsten Jahr“, sagt von Behren mit Blick auf die Nationalmannschaft. Für die SG Flensburg-Handewitt will er noch in dieser Saison wieder angreifen. "Ende März sind die sechs Monate, die für einen Kreuzbandriss veranschlagt werden, um. Das Final Four ist in Reichweite, aber das muss dann mit den Ärzten abgestimmt werden“, hofft der Rechtshänder, der als Neuzugang bei der SG einen glänzenden Start erwischt und sich sofort als Abwehrchef und feste Größe im Angriff etabliert hatte.