Stripes
Stripes
Archiv

Bundesliga: Zwischenspurt nach der Pause – dann Dramatik

Es gibt Spiele, die man schnell vergisst. Der diesjährige Saison-Auftakt der SG Flensburg-Handewitt gehört aber gewiss nicht in diese Kategorie. 19 Minuten vor Schluss führte der bisherige Tabellenführer noch mit 28:16, doch dann kostete ein Blackout die „Pole-Position“. Am Ende reichte es nur zu einem 32:30 (18:13). Ein Verlauf, der zwangsläufig Rätselraten provozierte. „Wir haben 45 Minuten guten Handball gezeigt und unser Konto auf 4:0-Zähler aufgestockt“, fasste SG-Geschäftsführer Thorsten Storm die positiven Fakten zusammen.
Schön waren auch die Szenen vor dem Anpfiff. Als einige Mitglieder des Fan-Clubs „Die Wikinger“ das Trikot mit der Nummer acht in die Campushalle trugen, war das Kribbeln auf den Rängen zu spüren. Die Mannschaftsaufstellung, begleitet von einem neuen sehenswerten Videofilm, und dann der Einmarsch zu „Auf in den Kampf“ – die „Hölle Nord“ sorgte wieder für kräftige Gänsehaut. „So eine Atmosphäre habe ich fast noch nie erlebt“, staunte SG-Coach Viggo Sigurdsson. Und Gäste-Coach Dr. Rastislav Trtik ergänzte: „Es lohnt sich immer nach Flensburg zu fahren. Hier herrscht eine richtige Handball-Kultur.“
Dass sich die Partie das Prädikat „dramatisch“ erwerben sollte, war lange Zeit nicht zu erahnen. Zwar führten die Melsunger, denen ein kompletter Rückraum (Grigorios Sanikis, Vladica Stojanovic, Daniel Valo) fehlte, mit 2:1, doch dann diktierte die SG immer mehr das Geschehen. Frank von Behren und Michael Knudsen im Mittelblock machten den Kreis dicht, Jan Holpert gewann das Torwart-Duell gegen Zoran Djordjc. Vorne trickste gegen die offensive Hessen-Deckung einmal mehr Ljubomir Vranjes, dessen Torlied „Money for Nothing“ nur ironisch gemeint sein kann.
Als Johnny Jensen im Nachwurf mit der Halbzeit-Sirene das 18:13 markierte, wanderten die Fans zum gemütlichen Halbzeit-Bier. Ein Fünf-Tore-Polster – das sollte doch die halbe Miete sein! Und nach Wiederbeginn kam es noch besser. Zwei Mal Blazenko Lackovic, Ljubomir Vranjes und Johnny Jensen – schnell hieß es 22:13. Wenig später leuchtete gar ein 28:16 auf der Anzeigetafel. „Die Nummer eins im Land sind wir“, sangen die Fans. Die Verteidigung der Bundesliga-Spitze wurde bereits gefeiert.
Doch was war dann los? In den letzten neun Minuten gelangen der SG nur magere vier Treffer. „Erfahrene Spieler haben mehrmals den Ball verloren“, wunderte sich Viggo Sigurdsson. „Vielleicht habe ich zu viele Spieler auf einmal gewechselt.“ Eine Selbstkritik, die ausgerechnet Kollege Rastislav Trtik so nicht stehen lassen wollte: „Wir haben auch sehr viel gewechselt und nicht den Faden verloren.“ Der Tscheche hatte mit seinen elf Feldspielern schon im ersten Durchgang eine kräftige Rotation vorgenommen.
Der Einbruch blieb rätselhaft. Wenige Minuten nach dem Abpfiff nicht erklärbar. „Wir dürfen nicht vergessen, dass Viggo Sigurdsson erst sechs Wochen bei uns ist und mit Kent-Harry Andersson ein wichtiger Baustein fehlt“, warnte Thorsten Storm vor Panikmache. Unumstritten war nur, dass die hessischen Gäste eine tolle Moral an den Tag legten und Tor um Tor verkürzten, zumal der eingewechselte tschechische Schlussmann Radek Musil immer öfter seinen Körper an den Ball brachte. Exakt 69 Sekunden vor Schluss markierte der ehemalige SG-Linksaußen Goran Sprem mit seinem achten Treffer das 32:30. Noch einmal herrschte kräftige Unruhe im weiten Rund.
Gegen eine nun noch offenere Deckung verlor Michael Knudsen den Ball. Immerhin gelang es seinen Kollegen, die Melsunger nicht durch die Mitte durchbrechen zu lassen. 28 Sekunden vor Schluss versuchte Goran Sprem aus spitzem Winkel sein Glück und scheiterte an Dan Beutler. „Mit Goran Sprem war ich nicht ganz zufrieden“, sagte Rastislav Trtik mit einem humorvollen Unterton. „Gegen uns hat er vor einem Jahr elf Mal getroffen, heute für uns nur acht Mal.“

Die Campushalle bot wieder eine tolle Atmosphäre.

SG Flensburg-Handewitt – MT Melsungen 32:30 (18:13)
SG Flensburg-Handewitt: Beutler (ab 44.; 3 Paraden), Holpert (12/1 Paraden) – von Behren (3), Lackovic (4), Nielsen, Jensen (4), Christiansen (7/1), Vranjes (4), Johannsen, Stryger (2), Lijewski (3), Boldsen (1), Knudsen (4)
MT Melsungen: Djordjic (bis 35.; 6 Paraden), Musil (9 Paraden) – Brouko (1), Wöhler, Kurtchev (2), Kraus (5), Kontic (2), Hazl (4), Hruby (2), Sprem (8), Chalkidis, Balomenos (6)
Schiedsrichter: Hartmann/ Schneider (Magdeburg/ Ebendorf); Zeitstrafen: 2:8 Minuten (Johannsen 2 - Kurtchev 4, Chalkidis 2, Wöhler 2); Siebenmeter: 1/1:1/0 (Hazl scheitert an Holpert); Zuschauer: 6200
Spielfilm: 1:2 (3.), 4:2 (6.), 6:3 (9.), 7:6 (14.), 10:6 (17.), 13:8 (23.), 15:10 (26.) - 22:13 (34.), 26:15 (38.), 28:16 (41.), 29:18 (42.), 29:23 (48.), 31:26 (54.), 32:30 (59.)


Weitere Berichte
1.9.2006 – „Man muss das Positive sehen“ (sh:z; Jan Wrege)
1.9.2006 – SG-Blackout zerstörte den guten Eindruck (Flensborg Avis; Marc Peetz)
31.8.2006 – Blackout erster Güte (Flensborg Avis; Volker Metzger)
30.8.2006 – Flensburg feiert Heimsieg gegen Melsungen (NDR)
29.8.2006 – Heim-Premiere gegen Melsungen (Homepage, Vorschau)