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Flensburg im "Herzen“ und Kiel im Kopf

Besser hätte der Abschied  von den Flensburger Fans für Viggo Sigurdsson nicht sein können. Die SG Flensburg-Handewitt bezwang den Wilhelmshavener HV mit 35:27, der THW Kiel erlebte in Magdeburg beim 24:39 ein Waterloo, und so fährt der Vizemeister am Sonnabend als Spitzenreiter zum Derby in die Landeshauptstadt.
Wie viele Hände er nach dem Schlusspfiff geschüttelt hatte, daran konnte sich Viggo Sigurdsson am nächsten Morgen nicht erinnern. Es waren unzählige. Die Fans der SG Flensburg-Handewitt hatten dem scheidenden Interimstrainer einen herzlichen Abschied bereitet. Stehende Ovationen vor dem Anpfiff, "Viggo Sigurdsson“-Rufe in den Schlussminuten und nach dem 35:27 über den Wilhelmshavener HV immer wieder Schulterklopfen und Hände schütteln.
Mit einer tiefen Verbeugung bei der Verabschiedung hatte SG-Manager Thorsten Storm seine große Wertschätzung für den 52-jährigen Isländer zum Ausdruck gebracht. Etwas hilflos stand der Interimstrainer, der in den vergangenen fünf Monaten bei der SG so hervorragende Arbeit geleistet hatte, in diesem Moment am Mittelkreis, als der Beifall der rund 6200 Fans auf ihn nieder prasselte. Nach dem Schlusspfiff gewährte der sonst eher unterkühlt wirkende "Nordmann“ aber doch einen Einblick in sein Gefühlsleben während dieses bewegenden Augenblicks. "Ich war etwas kopflos, wusste gar nicht, was ich machen sollte, und hatte fast Tränen in den Augen“, gestand er. "Ich werde mit Flensburg in meinem Herzen nach Island zurückkehren. Und wenn Kent-Harry Unterstützung braucht, soll mich Manfred Werner wieder anrufen.“

Viggo Sigurdsson bei der Verabschiedung.

Wenn Not am Mann sein sollte, wird sich die SG mit Sicherheit an Sigurdsson erinnern. "Wir haben in den vergangenen fünf Monaten viel von Viggo gelernt. Kent-Harry Andersson und er haben als Team sehr gut harmoniert. Es hat einfach gepasst“, sagte Storm.
Den Abschied aus der Fördestadt hätte sich Sigurdsson nicht besser ausmalen können. "Vier Punkte im letzten Spiel in der Campushalle, das ist einfach super“, befand der 52-Jährige mit Blick auf das Kieler 24:39-Desaster in Magdeburg. Das Spiel gegen den Wilhelmshavener HV war für den SG-Coach schnell abgehakt. "Wir haben in der ersten Hälfte sehr konzentriert gespielt, aber danach auf Grund der klaren Führung zu viele technische Fehler gemacht.“ Das nahm er seiner Mannschaft jedoch nicht weiter übel. Sie hatte den von ihm geforderten Sieg eingefahren, ohne besonders zu glänzen - aber auch ohne sich sonderlich zu verausgaben. Und die Gastgeber hatten sich dabei sogar noch den Luxus erlauben können, Blazenko Lackovic wegen einer leichten Leistenzerrung zu schonen und Linksaußen Lars Christiansen 60 Minuten auf der Bank sitzen zu lassen. "Auch wenn wir gegen die so genannten leichten Gegner nicht immer toll gespielt haben, immer haben wir zwei Punkte geholt“, stellte Sigurdsson fest, um anzufügen: "Hauptsache, wir sind in den wichtigen Spielen konzentriert.“

Michael Knudsen

Damit war der Interimstrainer auch schon beim Landesderby in Kiel. Auf die Prognose befragt, antwortete der Isländer gewohnt einsilbig: "Sieg.“ Da konnte sich der Manager ein Schmunzeln nicht verkneifen - und ergriff selbst das Wort: "Wenn irgendeiner unserer Spieler in den letzten Monaten kein Selbstvertrauen gewonnen hat, dann hat er bei Viggo nichts gelernt.“ Das Selbstbewusstsein der Spieler ist für Storm das Erfolgsgeheimnis der vergangenen Wochen. "Wir schauen auf uns und nicht auf die anderen. Wir haben einen guten Lauf.“ Und dafür sei in erster Linie das Trainergespann Sigurdsson/Andersson verantwortlich. "Die Mannschaft hat derzeit das Glück, von zwei Fachleuten betreut zu werden. Und jeder beiden bringt seine Stärken ein. Deshalb freuen sich alle auf das Derby am Sonnabend. Wir wollen uns dort nicht verprügeln lassen, sondern fahren hin, um zu gewinnen“, sagte Storm - wohl wissend, dass die Flensburger nach der höchsten THW-Niederlage seit 20 Jahren ein Gegner erwartet, der seinen Frust darüber an ihnen auslassen möchte.