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72 Tore und eine Vertrags-Verlängerung

Der eine gewinnt und ärgert sich, der andere verliert und ist zufrieden. Handball-Paradox in Flensburg! Der Abstiegskandidat aus Düsseldorf feierte einen Achtungserfolg, gewann sogar die zweite Hälfte. Nur in der ersten Hälfte sah es teilweise so aus, als ob die Rheinländer unter die Räder kommen könnten. Zehn Gegentreffer nach zwölf Minuten, 20 nach 25 Minuten. „Uns fehlte der letzte Biss und der Glaube an die Überraschung“, analysierte Trainer Nils Lehmann, der kurzfristig auf Max Ramota (Oberschenkel-Zerrung) verzichten musste. „In der zweiten Halbzeit haben wir mehr die Zweikämpfe gesucht.“
Im Flensburger Lager hatte sich vor dem Anpfiff die Krankenliste weiter gefüllt. Es wird nun kräftig Antibiotika geschluckt. Ljubomir Vranjes (Lungenentzündung) und Marcin Lijewski (Mandeln) standen ebenso wenig zur Verfügung wie die Langzeitverletzten Sören Stryger und Frank von Behren. Die Hausherren operierten nur mit vier Rückraum-Akteuren, wobei auch Joachim Boldsen angeschlagen war. Bei den Länderspielen vor Wochenfrist hatte er einen Schlag auf die Rippen erhalten. Eine Entschuldigung für eine eher mäßige Leistung sah Interimscoach Viggo Sigurdsson in der Personal-Situation aber nicht. „Das war nicht die richtige Einstellung. Darüber wird noch zu sprechen sein.“
Immerhin: Auf der Linkshänder-Position klaffte nach dem Ausfall von Marcin Lijewski kein Vakuum. Jan Thomas Lauritzen – offensichtlich durch neun Länderspiel-Tore stimuliert – traf wie noch nie. Restlos glücklich war aber auch er nicht. „Vorne lief es gut“, meinte der Norweger. „Doch in der Abwehr stand irgendwie jeder allein, wir arbeiteten nicht zusammen.“ 34 Gegentreffer gegen ein „Kellerkind“ – jedes Tor ärgerte die SG-Verantwortlichen mehr. Als der Düsseldorfer Kreisläufer Nikos Kokolodimitrakis auf 21:24 verkürzte, wurde es sogar ein wenig unruhig in der Campushalle, witterten die 50 mitgereisten Gäste-Fans Morgenluft. Doch immer wenn die Handballer von der „Kö“ in die Nähe des Favoriten kamen, sorgten die individuellen Stärken der Flensburger Akteure wieder für einen komfortablen Vorsprung. 

Die Trainer-Stimmen
Viggo Sigurdsson, SG Flensburg-Handewitt: „Wir haben zu viele leichtsinnige Fehler gemacht. Man kann nur einen Spieler wirklich loben: Jan Thomas Lauritzen.“
Nils Lehmann, HSG Düsseldorf: „Mit dem Ergebnis können wir zufrieden sein. Flensburg hat mit seinem Mini-Kader sicherlich auf die Belastung der nächsten Wochen geschielt.“

SG Flensburg-Handewitt: Ein „Ständchen“ für Kent-Harry Andersson

Paulina Andersson

Eine Viertelstunde vor dem Anpfiff verdunkelte sich die Campushalle. Ein Spot fiel auf die Mittellinie, wo ein Stuhl stand. Kurz darauf setzte sich eine junge Dame namens Paulina und sang einen Pop-Song. Bei ihrer Darbietung gingen die Blicke der Schwedin immer wieder Richtung Loge. Dort saß ihr Vater: Kent-Harry Andersson, der erkrankte Trainer der SG Flensburg-Handewitt. Paulina Andersson, die gerade in der Flensburger Geschäftsstelle ein Presse-Praktikum absolviert, sorgte für Gänsehaut-Stimmung!
Kent-Harry Andersson selbst beobachtete die Partie noch aus der „Vogel-Perspektive“. Doch sein Comeback scheint näherzurücken. Noch ist seine Gesichts-Mimik durch die Folgen der Innenohr-Operation beeinträchtigt, sein Tatendrang nimmt aber von Woche zu Woche zu. „Vor allem bei Live-Spielen wächst die Sehnsucht, wieder auf der Bank zu sitzen“, sagt der 57-jährige Schwede, der sogar zum Auswärtsspiel nach Minden mitreiste. Trainings-Programm und Taktik-Schema gestaltet Kent-Harry Andersson schon mit. Er erscheint inzwischen zu jeder Trainingseinheit, der Austausch zwischen Viggo Sigurdsson und ihm wird immer größer – sei es in Gesprächen oder beim Golfspielen. Und in der letzten Woche soll der Schwede mit einem Stapel Video-Kassetten die SG-Geschäftsstelle verlassen haben. Die Vorbereitung auf den Champions-League-Knüller gegen Celje! „Der Chef greift ein“, schmunzelt Viggo Sigurdsson, der damit rechnet nach dem letzten Spiel im Dezember seine Koffer zu packen und wieder nach Island zurückzukehren.

Johnny Jensen

Ein anderer bleibt: Johnny Jensen. Der „Haudegen“ in Abwehr und am Kreis sorgte am Samstag für den größten Jubel. Er verlängerte seinen Vertrag bis 2008. „Meine Familie und ich hatten überlegt, nach Dänemark zu gehen“, gibt der 34-Jährige zu. „Doch der Spaß und mein Körper überredeten mich zu einem weiteren Jahr in der Bundesliga.“ Auch Manager Thorsten Storm war froh: „Man merkt, dass er mit dem Herzen am Verein hängt.“  

HSG Düsseldorf: Zwei Ex-Flensburger

Maik Makowka (rechts) gastierte in Flensburg.

Melsungen verliert mit drei, Lübbecke mit zwei, Wilhelmshaven auch mit zwei. Als die Spieler den Ergebnissen lauschten, wuchs die Zufriedenheit über den Achtungserfolg in Flensburg. „Hinten ist es so eng, am Ende kann das Torverhältnis wichtig sein“, meinte Robert Runge. Für den Linksaußen war das Spiel in der Campushalle ein Trip in die eigene Historie. Schließlich zählte der 24-Jährige zur Flensburger Meistermannschaft 2003/2004. Während er damals hinter Lars Christiansen kaum Einsatzzeiten verbuchte, lief er jetzt über 60 Minuten auf der Außenbahn. Und fast sogar siegreich. „Wer weiß“, sagte Robert Runge, „was passiert wäre, wenn wir heute die erste Hälfte nicht verschlafen hätten.“
Da seine Eltern in Flensburg weilten, durfte er über Nacht an der dänischen Grenze bleiben. Ebenso Maik Makowka, der seine Familie – Frau Iris stammt aus Flensburg – schon ein Woche zuvor gen Norden „entsendete“. 2003 war der Flensburger von der Förde ausgezogen, um über Wallau und dem italienischen Meran in Düsseldorf zu landen. „Wir haben einen netten Trainer und eine Super-Mannschaft“, bereut Maik Makowka den jüngsten Schritt in der Karriere bislang nicht. In Flensburg agierte der 27-Jährige sogar 30 Minuten im Rückraum. Ein Fingerzeig für die nächste Serie, Alexandros Vasilakis wechselt bekanntlich nach Magdeburg? „Wir werden uns demnächst unterhalten“, sagte Maik Makowka. „Mal sehen, was dabei herauskommt.“