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Dr. Rolf Brack: Ein „Besonderer”

Sechs verschiedene Torhüter in einem Spiel – dieses Kunststück gelang dem HBW Balingen-Weilstetten, obwohl mit Milan Kosanovic, Jürgen Müller und Milos Slaby nur drei Torhüter im Aufgebot stehen. Trainer Dr. Rolf Brack, ein Verfechter offensiver Abwehrreihen, setzte mehrfach einen „fliegenden Keeper“ als siebten Feldspieler ein. Eine Aktion, die typisch ist für den Handball-Trainer, der etwas anders ist als andere. So hält der 52-Jährige auch einen Rekord. Mit dem HBW Balingen-Weilstetten führte er bereits den vierten kleinen Verein ins Handball-Oberhaus.
Am Anfang war der TSV Zuffenhausen. Im Sommer 1983 hatte Rolf Brack die Zuffenhausener Oberliga-Handballer übernommen. Ein 29-jähriger Sportwissenschaftler, der bereit war, die neuesten Erkenntnisse der Trainingslehre in die Praxis umzusetzen. Nach acht Spielen und einem kapitalen Fehlstart wollten die Verantwortlichen den Newcomer entlassen. Die Mannschaft sprach sich für den Trainer aus. Und der machte weiter mit dem Versprechen, sein komplettes Saisongehalt zurückzuzahlen, falls das Team absteigen sollte. Zuffenhausen schaffte am letzten Spieltag den Klassenverbleib.

Zum vierten Mal Bundesliga-Aufsteiger: Dr. Rolf Brack

Und der Coach durfte sein Geld behalten. Typisch. „Rolf Brack ist ein Besonderer“, sagt Dieter Jenter, der beim HBW Balingen-Weilstetten als Liga-Obmann fungiert. Ein schwäbisches Kompliment. Er will damit ausdrücken, dass Rolf Brack ein ungeheurer Glücksgriff ist für den Verein namens „Handball Balingen-Weilstetten“, den es erst seit vier Jahren gibt. „Er kann die Mannschaft unheimlich motivieren und sie während des Spiels auch noch optimal puschen“, sagt Dieter Jenter.
Rolf Brack wird sich geschmeichelt fühlen, wenn er diese Worte hört. Und dann wird der 52-Jahrige aus Ostfildern zusammenzucken. Er will kein Trainer mit allzu großem Kuschel-Faktor sein, will die Sache vorantreiben. „Ich bin das Gegenteil eines Diplomaten“, sagt Rolf Brack. „Und ich setze mir das Ziel, alle Beteiligten aus der für sie angenehmen Komfortzone hinauszubefördern.“ Immerhin: In Sachen Kompromissfähigkeit hat der Coach dazugelernt. „Früher habe ich schon mal die eigenen Funktionäre aus der Kabine geworfen“, schmunzelt er. „Das mache ich heute nicht mehr“.
Seine Kritiker halten ihn für einen Besserwisser. Manche rechnen es ihm hoch an, dass er aus dem „Elfenbeinturm“ steigt, um die sportwissenschaftlichen Theorien in der Praxis umzusetzen. Der Unterschied? „Die Wissenschaft“, sagt Dr. Rolf Brack, „arbeitet unter ganz anderen Voraussetzungen, löst Teilprobleme heraus, schafft sich Labor-Bedingungen.“ Und die Praxis? „Ist viel, viel komplexer!“
Rekordaufsteiger, Uni-Dozent, Mitglied in der Bundeslehr-Kommission des Deutschen Handball-Bundes (DHB) – zu sagen, der Handball spiele im Leben von Rolf Brack eine Hauptrolle, wäre eine starke Untertreibung. Manche Zeitungen haben geschrieben, er sei besessen von diesem Sport. Denke tagaus, tagein an nichts anderes. Sein Widerspruch fällt schwach aus. Dass er erst ein großer Trainer ist, wenn er einmal eine große Mannschaft trainiert hat, sieht er heute eher ein als früher. „Es reizt mich schon, auch mal einen großen Klub zu trainieren“, sagt er. Größe ist für ihn, den Sportwissenschaftler, allerdings relativ. „Außer Barcelona, Ciudad, Kiel, Flensburg, Lemgo und Magdeburg gibt es keine großen Klubs“, sagt Dr. Rolf Brack.