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Kiel zeigt alte Stärke

Das Feinste, was der deutsche Handball zu bieten hat, begeisterte auch 10000 Bayern in der Münchner Olympia-Halle. THW Kiel und SG Flensburg-Handewitt inszenierten das erhoffte Supercup-Drama – mit glücklichem Ausgang für den Meister, der sich mit dem 36:34-Sieg einer schweren Last entledigte.
Die Trophäe, ein mäßig geschmackvoll gestalteter goldfarbener Pokal, hatte es schwer gegen die eigentliche Bedeutung einer ebenso packenden wie aufschlussreichen Partie in der Münchner Olympia-Halle. „Supercup“ war nur das Etikett für das erste ernsthafte Kräftemessen der deutschen Handball-Giganten. Die „Serie“ und die Positionierung von Meister und Pokalsieger in der neuen Saison waren die Themen, die nach dem 36:34 (19:15)-Sieg der Kieler die Analyse beherrschten. Statt Jubel über den ersten Titel der Spielzeit 2005/06 war bei den Kielern vor allem Erleichterung spürbar. „Ich freue mich, zu sehen, dass wir auch gegen Flensburg gewinnen können“, sagte THW-Trainer Noka Serdarusic nach drei Jahren und vier Monaten, in denen die Duelle vom Erzrivalen beherrscht worden waren.

Glenn Solberg dirigierte lange Zeit hervorragend

Frode Hagen fand beim Nordderby im Süden bestätigt, was der Branchenführer in den vergangenen 13 Jahren vorlebte wie kein anderer Handballclub. „Wir kommen immer zurück. Wir glauben immer an den Sieg“, sagte der norwegische Rückraumspieler. Dass der Meister dies in München eindrucksvoll bewiesen hat, dürfte der wichtigste Fingerzeig darauf gewesen sein, wie schwer es wird, dem THW in dieser Saison den Titel zu entreißen.
Die Kieler waren in der 33. Minute schon mausetot. 21:15 führte die SG gegen eine Zebra-Herde, die reichlich planlos gegen eine von Glen Solberg brillant organisierte Abwehr angaloppiert war. „Ich war schon überrascht, wie leicht es für uns war“, staunte SG-Trainer Kent-Harry Andersson. Einige diskutable Schiedrichterpfiffe halfen dann, dem unbeugsamen Kieler Willen  Bahn zu brechen. „In 4:6-Unterzahl fiel unser Spiel auseinander“, meinte SG-Linksaußen Lars Christiansen. In nur acht Minuten verwandelte Kiel den vermeintlich vorentscheidenden Rückstand in den ersten Vorsprung (23:22). „Das war zu schnell“, befand SG-Rückraumspieler Kasper Nielsen.
Von dem Schock erholten sich die Flensburger nicht mehr, die Linie war dahin und darüber ärgerte sich Trainer Andersson viel mehr als über den verlorenen Supercup und die gerissene Serie. Individuelle Fehler waren es, die den sonst so ruhigen Schweden in Wallung brachten: „Kiels Außen konnten ohne jeden Kontakt einlaufen. Das ärgert mich, da werde ich böse, das kann ich nicht akzeptieren. Wir müssen viel lernen aus diesem Spiel.“ Namen nannte er nicht, aber man darf annehmen, dass die beiden reichlich indisponiert wirkenden kroatischen Neuzugänge Goran Sprem und Igor Kos heute beim Training einiges zu hören bekommen werden. Einen glänzenden Einstand feierte dagegen Kasper Nielsen, der den Ausfall von Blazenko Lackovic im linken Rückraum fast vergessen ließ und der auch in der Abwehr zum Leidwesen des Kieler Linkshänders Christian Zeitz solide spielte. Eine überragende erste Halbzeit zeigte auch der neue Kreisläufer Michael Knudsen.

Igor Kos agierte blass.

Von den Kieler Neulingen hinterließ Nicola Karabatic den nachhaltigsten Eindruck. Der Franzose, der in der Vorbereitung lang verletzt ausgefallen war, deutete mit sechs spektakulären Toren an, dass er der größte Gewinn für den THW werden kann. „Der hat eine unglaubliche Kapazität und ist erst 21 Jahre alt“, zollte Andersson dem Goalgetter Respekt.
Und wo stehen die beiden Top-Titelfavoriten jetzt? Beide Teams sah man noch nicht in letztgültiger (Ver)Fassung. „Wir sind auf dem Weg, aber noch nicht am Ziel“, sagte Frode Hagen und auch Serdarusic schob den Sieg schnell wieder aus dem Fokus: „Wir haben die Abwehr noch nicht im Griff. 19 Gegentore in einer Halbzeit sind zuviel.“ Torhüter Henning Fritz sieht den THW nach München gestärkt in die Saison gehen: „Das war psychologisch wichtig für Spiele, in denen es nicht so läuft.“ Die Flensburger sind hingegen überzeugt, dass die Partie keinen mentalen Knacks hinterlassen wird: „Es ist ganz normal, gegen den Meister zu verlieren und auch, dass eine Serie mal endet. In drei Wochen sieht es anders aus. Wir haben gezeigt, dass wir besser spielen können“, meint Lars Christiansen trotzig mit Blick auf das Derby um Punkte am 24. September.
Ein Gewinn war der Supercup für die bayrische Metropole, in der offenbar ein beträchtlicher Bedarf nach Sportereignissen abseits der Fußball-Monokultur herrscht. Mühelos wurde die Halle mit 10047 begeisterten Handball-Fans gefüllt, deren Sympathien sich naturgemäß auf die prominentesten Akteure Zeitz, Fritz und Christiansen konzentrierten, die geradezu umjubelt wurden. Jan Holpert, dessen Zeit beim TSV Milbertshofen nun auch schon 12 Jahre zurückliegt, bekam hingegen nur höflichen Applaus. Erinnerungen wurden bei dem 37-Jährigen kaum wach. „Wir haben damals vor leeren Rängen gespielt. Nicht zu vergleichen mit der großartigen Atmosphäre heute.“ Nach dem Erfolg vom Dienstag signalisierte Liga-Chef Bernd Uwe Hildebrand, dass der Supercup in München zu einer dauerhaften Einrichtung werden könnte.