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"Rock'n Roll“ in der Ostseehalle

Gestern, am Tag eins nach dem packenden Pokal-Fight zwischen dem THW Kiel und der SG Flensburg-Handewitt (35:32 nach Verlängerung), hatten sich die Gemüter wieder beruhigt. Die Sieger (Marcus Ahlm: „Das war wie im Rausch“) genossen die Restspuren an Endorphinen, die am Abend zuvor der erste wichtige Sieg über den Erzrivalen seit fast dreieinhalb Jahren in einer Extradosis freigesetzt hatte, während beim Verlierer die Mixtur aus Wut über „grottenschlechte und absolut peinliche  Schiedsrichter“ (Johnny Jensen) und Ärger über die „vielen dummem Fehler“ (Lars Christiansen) langsam aber sich dem Stolz über „brillante 40 Minuten“ (Blazenko Lackovic) wich.
Ob der Kieler Sieg nun verdient, glücklich, schmeichelhaft, ungefährdet oder sonst was war  — darüber ließ sich bestens streiten. In einem Punkt herrschte jedoch Konsens: Die 70 Minuten waren — wie DSF-Experte Bob Hanning treffend bilanzierte — beste Werbung für den Handball und werden einen besonderen Platz in der ohnehin schon Höhepunkt-reichen Derby-Historie einnehmen.

Bei der SG herrschte nach dem Spiel kein Trübsal.

Das, was sich am Dienstagabend in der fast ausverkauften Ostseehalle beim für viele Kenner „vorweggenommenen Finale“ abspielte, kam der Atmosphäre des Final Four in Hamburg schon sehr nahe. Lange Zeit hatte es danach ausgesehen, als würde der Seriensieger aus Flensburg — die SG hatte 2003, 2004 und 2005 den Pokal gewonnen — auch in diesem Jahr gute Chancen haben, seinen Titel zu verteidigen. Bis zur 40. Minute (21:16) war er die „dominierende Mannschaft“ (Uwe Schwenker) und klar auf Hamburg-Kurs. Danach allerdings erwachten die schon mal als Operettenpublikum verschrien Zuschauer im weiten Rund — die Ostseehalle rockte. Und einer auf dem Parkett gab den Takt an: Frode Hagen. Seine Einwechslung war zusammen mit der Abwehrumstellung (offensiv gegen den überragenden Lackovic) der Knackpunkt in dieser Partie zu Gunsten des THW. In der zehnminütigen „Zugabe“ überrannten die von ihren „wahnsinnig lauten Fans“ (Ahlm) die auf Grund zahlreicher Zeitstrafen kräftemäßig nachlassenen Gäste.
SG-Trainer Kent-Harry Andersson sparte anschließend nicht mit Kritik an dem Schiedsrichterduo Prang/Reichl („Die wollten wohl ein spannendes Spiel sehen“) und bescheinigte ihm mangelndes Gefühl in bestimmten Situationen: „In solch einem Spiel drei Zeitstrafen wegen Nichteinhaltens des Abstandes zu geben — das ist einfach unglaublich.“ Egal, am Ende tanzten Lövgren und Co. überschwänglich auf dem Parkett im Tollhaus Ostseehalle und stimmten lauthals in den Chor „Schade Flensburg, alles ist vorbei“ ein.

Lars Christiansen: "Sehen uns in der Champions League wieder"

Doch auch für den Verlierer gab es Grund zur (kleinen) Freude. Kapitän Sören Stryger, während des Spiels mit Verdacht auf offenem Fingerbruch ins Krankenhaus gekommen, trug „nur“ eine Risswunde und einen Kapseleinriss im Ringfinger seiner Wurfhand davon und fällt „nur“ zehn bis 14 Tage aus.
Was bleibt, ist die Erinnerung an einen denkwürdigen Abend. „Wir sehen uns in der Champions League wieder“, sagte THW-Manager Uwe Schwenker zum Abschied zu Lars Christiansen. „Das hoffe ich“, antwortete der SG-Linksaußen. Die Handball-Fans in Schleswig-Holstein tun das auch.