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Europapokal: Das Jubiläum – 100 Spiele

Ja, es ist wirklich schon so weit. Mit dem Rückspiel gegen den THW Kiel bestreitet die SG Flensburg-Handewitt ihre 100. Europapokal-Partie in der Vereinsgeschichte. Was in der Serie 1995/1996 mit Gegnern wie Minsk, Kolding, Ankara und Granollers begann, gedieh rasch prächtig. Mit dem EHF-Cup (1997), dem City-Cup (1999) und dem Europacup der Pokalsieger (2001) landeten bald drei Trophäen in der Vereins-Vitrine. „Mit Titeln schreibt man Geschichte“, brachte es Ex-Trainer Anders Dahl-Nielsen auf den Punkt.
Daneben blieben aber auch zahlreiche andere Partien im Gedächtnis der SG-Spieler haften. „So etwas wie in Bitola habe ich nie wieder erlebt“, erinnert sich Torwart Jan Holpert an einen mazedonischen Hexenkessel im Herbst 1997. „Dagegen ist die Atmosphäre in Zagreb harmlos.“ Die Mladost-Halle, „die Halle des Friedens“, entlarvte sich als die „Hölle von Bitola“. Auf einer Tribünenseite fehlten die Sitzschalen. Zudem waren hinter den Auswechselbänken Schutzzäune aus Hartplastik errichtet. Mit gutem Grund: Münzen flogen auf die Spielfläche, einige Akteure wurden bespuckt. In dieser Hektik war es wohl das Beste, mit 24:27 zu verlieren und den Rückstand im zweiten Spiel vor der heimischen, friedvolleren Kulisse zu reparieren.
Noch hitziger als in Mazedonien ging es nur im Frühjahr 2002 im spanischen Ciudad Real zu. „Das war nicht schön“, umschreibt es Joachim Boldsen heute mit Galgen-Humor. Damals waren die Geschehnisse um die 22:31-Niederlage der SG ein „handfester Skandal“. Ausgangspunkt war eine heftige Rangelei zwischen Lars Krogh Jeppesen und dem Kubaner Rolando Urios. Nachdem einige Mitspieler beider Seiten hinzugeeilt waren, mischten sich auch Zuschauer, Offizielle und Ordner ein. Der Gipfel: Ciudad-Trainer Veselin Vujovic sprintete gut 25 Meter über das Spielfeld, um sich dann wie ein „asiatischer Kämpfer“ in das Chaos zu stürzen. Mit gestrecktem Bein traf er zunächst Lars Christiansen, um dann Lars Krogh Jeppesen mit Fußtritten und Faustschlägen zu traktieren. Wegen seines üblen „Ausrasters“ durfte der Serbe beim Rückspiel weder die Campushalle noch das direkte Umfeld der Spielstätte betreten. Den „Bannstrahl“ traf völlig überraschend auch Christian Berge. Die deutsche Presse fand die passende Schlagzeile: „Erst verloren, dann verprügelt, jetzt bestraft.“ Die „Hölle Nord“ reagierte mit einem einzigartigen Protest: Beim Einlaufen des Gäste-Teams drehten sich die 6000 Zuschauer demonstrativ ab. Der „Pott“ ging nach Ciudad Real.

Unglaublich – gegen Montpellier scheiterte die SG in letzter Sekunde.


Das Prädikat „tragisch“ verdiente sich das Duell gegen den französischen Meister Montpellier im letzten Frühjahr. Nach dem 22:36 im Hinspiel erwischte die SG einen sensationellen Lauf. Die „Hölle Nord“ geriet in Ekstase. „Meine Mannschaft hatte wirklich eine tolle Leistung geboten“, erinnert sich SG-Trainer Kent-Harry Andersson. „Für 30 Sekunden hatte ich dieses Spiel schon gewonnen, aus dem letzten Freiwurf konnte man eigentlich kein Tor machen.“ Doch der Franzose Gregory Anquetil tat es und erzielte das 19:32. Nie hatte eine Mannschaft eine so klare Europapokal-Niederlage so frenetisch gefeiert wie die Franzosen. Dagegen starb die Campushalle den „Sekundentod“, als der Ball an der SG-Mauer vorbei und durch die Beine von Jan Holpert ins Netz flog. „Da hat der Handballgott wohl ein Nickerchen gemacht“, umschrieb es SG-Manager Thorsten Storm, der schon von Barcelona als nächstem Gegner träumte.
Wer weiß, vielleicht wäre danach Ähnliches möglich gewesen, wie in der Serie 2003/2004, als die Trophäe der Champions League erstmals in Flensburg stand. Schon das erste Spiel in Celje war denkwürdig. „Die Stimmung in der neuen Halle war einmalig – ein absolutes Highlight“, erinnert sich Kent-Harry Andersson. „Leider bekamen wir diese Partie nie richtig in den Griff“, berichtet Lars Christiansen. Die SG verlor mit 28:34. Ein Rückstand, der eine Woche später nicht mehr zu kompensieren war. Aber man war auf den Geschmack gekommen, die Champions League ist weiterhin ein großer Traum. Der Wunsch von Linksaußen Goran Sprem geht schon mal in diese Richtung: „Hoffentlich stehen am Ende dieser Serie 104 Europapokal-Spiele in der Vereins-Chronik.“

 

SG-Euro-Statistik
Gesamt: 99 Spiele, 72 Siege, 6 Unentschieden, 21 Niederlagen; 2855:2419 Tore
Heimbilanz: 52 Spiele, 49 Heimsiege, 2 Unentschieden, 1 Niederlage; 1603:1203 Tore
Beste Torschützen: Lars Christiansen (473/160), Sören Stryger (197/51), Christian Hjermind (165/9)
Meiste Einsätze: Jan Holpert (85), Lars Christiansen (85), Jan Fegter (60)