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Kein Kieler „Superwurf“

In jeder Halbzeit-Pause können die Flensburger Zuschauer 10000 Euro beim „IBG-Superwurf“ gewinnen. Voraussetzung: Man trifft „ins Schwarze“. Diesmal knisterte es zwölf Sekunden vor Schluss gnadenlos vor Spannung. Die SG Flensburg-Handewitt lag mit 31:34 zurück und hatte das Polster aus dem 32:28-Sieg in Kiel fast aufgebraucht. Die Kieler hatten nun die Riesen-Chance, mit einem „Superwurf“ ins Halbfinale der Champions League einzuziehen und das X-fache der normalen Gewinnsumme einzustreichen. „In diesen Moment musste ich an das letzte Jahr gegen Montpellier denken“, fürchtete SG-Trainer Kent-Harry Andersson den „Knockout“. Im März 2005 zerstörte ein spektakuläres Freiwurf-Tor des Franzosen Gregory Anquetil mit dem Schlusspfiff alle Flensburger Träume auf die Vorschluss-Runde. Über der „Hölle Nord“ schwebte nun ein ähnliches Schicksal. Die Heimkulisse war geschockt, während die 700 Kieler Anhänger die Sensation witterten.
THW-Coach Noka Serdarusic „zuckte“ die grüne Karte. Eine Auszeit zwölf Sekunden vor Schluss sollte das Tor zum Halbfinale öffnen. Blazenko Lackovic saß mit einer Zeitstrafe auf der Bank, Pelle Linders kam als „fliegender Torwart“. Sieben gegen fünf – das müsste doch reichen! Der Ball landete bei Stefan Lövgren, der von Glenn Solberg geschickt attackiert wurde. Der Pass, der eigentlich Kim Andersson erreichen sollte, flog ins Seiten-Aus. „Man hat vor, etwas so und so zu machen – dann kommt es aber ganz anders“, sinnierte Noka Serdarusic über die missglückte letzte Aktion, als Lars Christiansen unter dem Jubel der Fans mit einem Distanzwurf den Endstand markierte. Ein „Superwurf“! Wildfremde Menschen lagen sich in den Armen.

Johnny Jensen gehörte zu den kämpferischen Vorbildern.

„Die Mannschaft ist wieder an ihre Grenzen gegangen“, beglückwünschte SG-Geschäftsführer Thorsten Storm sein Team trotz der Niederlage. Drei Beispiele bestätigten die Einschätzung des Managers: Johnny Jensen kämpfte wie immer, obwohl er in der Nacht mehr zur Toilette rannte, als im Bett lag (Magen-Darm-Virus). Joachim Boldsen warf sich trotz einer nicht ausgeheilten Zerrung ins Getümmel. Der Däne leistete wertvolle Arbeit, ehe kurz vor der Pause die Verletzung wieder aufbrach. Und auch Regisseur und Abwehr-Chef Glenn Solberg biss unermüdlich auf die Zähne.
In den ersten Minuten schienen die Hausherren den Schwung vom „Husarenstreich“ in Kiel mitzunehmen. 10:6 – die Fans stimmten erste Gesänge an. Die „Zebras“ fanden dann aber trotz „Stallpflicht“ (ein Transparent) ihren Lauf. Schon beim 14:16 kurz vor der Pause nagten die Kieler kräftig am SG-Polster. „Wir wollten auftreten wie der THW Kiel“, umschrieb der überragende Nikola Karabatic das Vorhaben seiner Mannschaft.

13 Tore: Lars Christiansen

„Die Kieler wollten uns mit Tempo kaputt laufen“, beobachtete Kent-Harry Andersson. „In den letzten zehn Minuten ist es ihnen gelungen.“ Als Frode Hagen mit einem Siebenmeter zum 29:33 einwarf sah alles nach einer Wende aus. „Wegen der enormen Erwartungshaltung der Fans“, stellte ein Sport-Psychologe der Kieler Universität unter der Woche eine Prognose auf, „wird Flensburg verlieren – die Frage ist nur, ob mit drei, vier oder fünf Toren.“ Diese Frage beantwortete Glenn Solberg mit seinem Kraftakt zum 31:34 und der gelungenen Abwehr-Aktion gegen Stefan Lövgren. Dann mischte der Norweger selbst etwas Psychologie in die Freudentänze: „Man will nicht an das Hinspiel-Ergebnis denken, man tut es aber trotzdem.“