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Champions League: „Teures“ Viertelfinale

War das ein Krimi! Zum Glück mit gutem Ausgang. Die SG Flensburg-Handewitt hat mit einem 28:24 (14:12) gegen den RK Zagreb das Viertelfinale erreicht. Damit hatte die SG das 23:25 aus dem Hinspiel bereinigt. „Gegen Lemgo haben wir spielerisch überzeugt, heute kämpferisch“, meinte ein erleichtert wirkender Thorsten Storm. „Nun hoffe ich, dass dieses Spiel nicht allzu viel Substanz gekostet hat.“
Die Worte des Geschäftsführers verrieten, weshalb in der Campushalle nicht der pure Freudentaumel ausbrach. So ging Co-Trainer Bogdan Wenta mit sorgenvoller Miene in die Katakomben. „Teurer Sieg“, ging ihm leise über die Lippe. Eine Nachfrage bei Mannschaftsarzt Dr. Hauke Mommsen brachte die Gewissheit. Während Joachim Boldsen einen Kapselriss im Sprunggelenk erlitten hatte, erwischte es Michael V. Knudsen ganz böse. Nasenbeinbruch, drei abgebrochene Zähne, Platzwunden am Auge! „Es war so schön“, haderte SG-Trainer Kent-Harry Andersson, „in dieser Woche mit dem vollen Kader trainieren zu können – und nun das.“
Bestätigt fühlte sich der Coach aber bei der Einschätzung dieser Partie. „Viele meinten vorher, Zagreb würden wir mit acht oder zehn Toren schlagen“, erzählte er und ergänzte wie ein triumphierender „Wettkönig“: „Ich wusste, dass es sehr schwer werden würde.“ Denn die 3:2:1-Abwehr der Zagreber stach erneut. Vor allem der Auftakt war für die SG sehr holprig. Die Nervosität war spürbar. Beim 4:5 (9.) brachte selbst eine doppelte Überzahl nichts ein. Vielmehr bauten Lars Christiansen und Sören Stryger mit ihren verworfenen Siebenmetern den slowenischen Nationalkeeper Beno Lapajne zum „Helden des ersten Durchgangs“ auf. Kaum wieder in voller Besetzung erhöhten die Kroaten gar auf 7:4.
Kent-Harry Andersson betätigte die „Notbremse“. Team-Timeout! „Wir müssen mehr Geduld haben“, appellierte er an seine Jungs. Und die gehorchten ihm aufs Wort. Besonders Kapitän Sören Stryger brachte sein Team in dieser Phase zurück ins Match. Drei Tore in vier Minuten und dann ein tolles Anspiel auf Blazenko Lackovic, der mit einem Kempa zum 9:8 abschloss. Nach 20 Minuten – Marcin Lijewski erhöhte auf 10:8 – stand die SG rechnerisch erstmals im Viertelfinale.
In der intensiv geführten Partie war das aber kein Ruhepolster. Selbst das klare 22:16 (44.) erwies sich nicht als Vorentscheidung. Zagreb gab nie auf. „Die Moral stimmte in meiner Mannschaft“, sagte RK-Trainer Lino Cervar, der in seiner ersten Enttäuschung der Pressekonferenz fernblieb. „Wir hatten mehr verdient, die taktische Umsetzung war noch besser als zu Hause.“ Es reichte aber „nur“, um der Campushalle Angst und Schrecken einzujagen. Beim 21:23 (50.) hatten die Kroaten wieder Blut geleckt, beim 23:25 (55.) herrschte völliger Gleichstand. In der „Hölle Nord“ knisterte es vor Spannung. Einen solchen Krimi hatte man lange nicht mehr gesehen.
Die SG ging nun förmlich am Stock. Joachim Boldsen war schon nach 32 Minuten umgeknickt. Blazenko Lackovic musste nun auch in der Abwehr ran. Fünf Minuten vor Schluss lag Michael V. Knudsen am Boden. Denis Spoljaric hatte bei einem Torwurf durchgezogen und den Dänen voll getroffen. Zu diesem Zeitpunkt biss Sören Stryger bereits auf die Zähne. Er war nach einem erfolgreichen Gegenstoß unglücklich aufgekommen und humpelte nun leicht über das Feld.
Auch die „Hölle Nord“ kämpfte. „Die Zuschauer wollten das Viertelfinale“, bemerkte Thorsten Storm. Die Kraft der Ränge wirkte wirklich Wunder. Ein „Hammer“ von Blazenko Lackovic, ein blitzschneller Konter von Lars Christiansen – und es hieß 27:23. Als dann auch noch Sören Stryger den verdutzten Kroaten einen Ball abluchste, feierte die stolze Kulisse das Weiterkommen. Die Weihnachtsfeier war gerettet. Die SG-Christmas-Party bei Klaus+Co fand allerdings ohne Michael V. Knudsen und Joachim Boldsen statt. Die beiden Dänen weilten im Krankenhaus.
Derweil machte sich Kent-Harry Andersson schon mal Gedanken über den kommenden Gegner. „Ich hätte nichts gegen Barcelona“, sagte der Schwede der verblüfften Zuhörerschaft. „Die sind längst nicht so ein Kollektiv wie Veszprém.“ Am Dienstag ab 11 Uhr wird man mehr wissen. Dann ist die Auslosung bei der EHF in Wien. Nach Dänemark geht es aber auf keinen Fall. Sowohl Aarhus (gegen Veszprém) als auch Kolding (gegen Celje) sind ausgeschieden. 

Blazenko Lackovic blieb mit dem Halbzeitpfiff an der Zagreber
Mauer hängen.
 

SG Flensburg-Handewitt - RK Zagreb 28:24 (14:12)
SG Flensburg-Handewitt: Holpert (12/1 Paraden) - Solberg (1), Lackovic (6), Nielsen, Sprem, Jensen, Christiansen (7/2), Stryger (8), Lijewski (5), Boldsen, Kos, Knudsen (1)
RK Zagreb: Blazicko (39.-44.), Lapajne (13/2 Paraden) – Pongracic, Goluza, Vukovic (7), Lelic, Dukanovic, Spoljaric (5), Toskic (1), Anusic (2), Kapisoda (4), Horvat (1), Lisicic, Terzic (4/2)
Schiedsrichter: Leon/ Trillo (Spanien); Zeitstrafen: 14:12 Minuten (Knudsen 4, Kos 4, Jensen 4, Nielsen 2 - Terzic 6, Horvat 2, Kapisoda 2, Toskic 2); Rote Karte: Terzic (51., dritte Hinausstellung); Siebenmeter: 5/2:3/2 (Christiansen und Stryger scheitern an Lapajne, Sprem an den Pfosten - Holpert hält gegen Goluza); Zuschauer: 5900
Spielverlauf: 1:2 (4.), 4:4 (8.), 4:7 (13.), 8:7 (19.), 11:8 (21.), 13:9 (26.), 13:11 (28.) - 15:14 (33.), 17:14 (34.), 19:15 (38.), 22:16 (44.), 22:19 (48.), 23:21 (50.), 24:22 (55.), 25:23 (56.), 27:23 (58.)

 

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12.12.2005 - Kostspieliger Kraftakt gegen kampfstarke Kroaten (sh:z; Holger Petersen)
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10.12.2005 - Kiel und Flensburg im Viertelfinale (NDR)
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