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Kein Mitleid mit Grünschnäbeln aus Kaunas

Litauens Meister Granitas Kaunas war im zweiten Gruppenspiel der Champions League keine Hürde für die SG Flensburg-Handewitt. Die Gastgeber gewannen die lockere Trainingseinheit mit 39:22.
Valdemaras Novickis hatte das Bedürfnis, etwas klarzustellen. „In Litauen“, hob er an, als würde er aus einem Reiseführer zitieren, „gibt es 3,5 Millionen Einwohner. Der erste Sport bei uns ist Basketball. Wer nicht Basketball spielt, bleibt übrig für den Handball.“ Damit hatte der Trainer von Granitas Kaunas im Wesentlichen erläutert, warum Litauens Champion  gegen den deutschen Vizemeister SG Flensburg-Handewitt so chancenlos war. Viel Spaß hatte der stoische Mann ganz offensichtlich nicht daran, die 22:39 (7:19)-Niederlage der Balten am zweiten Spieltag der Gruppe H der Meisterklasse zu kommentieren.

Heim-Premiere für die SG in der Campushalle.

Novickis hat bessere Zeiten gesehen. Er war als Spieler Olympiasieger mit der UdSSR, 1987 war Granitas Kaunas sogar international konkurrenzfähig und gewann den IHF-Pokal. Heute berichtet Novickis, dass er für die demnächst beginnende Saison fünf 19-Jährige in die Mannschaft einbauen muss. „Wir haben immer eine junge Mannschaft, das Durchschnittsalter ist immer 20 Jahre.“ Wer gut genug ist, verlässt die Universitätsstadt an der Memel in Richtung Westen, wo die reichen Clubs ausgebildete Spieler aufsaugen wie ein Schwamm. Der Nächste könnte Kreisläufer Modestas Bakaitis sein, mit 25 Jahren der Senior im Team, der mit neun Toren gegen Flensburg für sich warb. Vielleicht auch Trainersohn Valdas Nowickis, ein begabter Mittelmann, zu dem SG-Coach Kent-Harry Andersson seinem Kollegen gratulierte: „Ein guter Spieler.“ Da knurrte Nowickis: „Er kann es besser.“
Der 19-jährige Spielmacher und die anderen Grünschnäbel aus Kaunas werden viele Eindrücke vom Ausflug in die große Handballwelt mit nehmen. Eine auf Hin- und Rückweg jeweils 21-stündige Schiffsreise („bequem, viel frische Luft“, so der Trainer), die überwältigende Kulisse von 5800 Zuschauern in der Campushalle, die „sehr viel psychologischen Druck auf meine Spieler ausübte“, wie Novickis feststellte, und schließlich die Begegnung mit der multinationalen Profi-Truppe der SG, die so gar kein Mitleid kannte.

Lars Bastian erzielte sein erstes Tor für die SG.

Andersson registrierte zufrieden, dass sein Appell zu Ernsthaftigkeit und Respekt vor dem Gegner gehört worden war: „Meine Mannschaft hat von Beginn an eine gute Einstellung  gezeigt, gut in der Abwehr gearbeitet und ist viele Tempogegenstöße gelaufen.“ Er verzichtete darauf, mit Kanonen auf Spatzen zu schießen: Jan Holpert, Blazenko Lackovic, Glenn Solberg und Lars Christiansen kamen gar nicht zum Einsatz, Johnny Jensen nur wenige Minuten als Spielmacher. Die Zweitbesetzung war mehr als genug gegen die vor allem athletisch unterlegenen Litauer, denen Lackovic immerhin bescheinigte, „dass in Ansätzen die alte russische Handballschule zu sehen war“. Der Ball lief flüssig  durch die Reihen von Kaunas, doch wenn es an den Abschluss ging, war es meist vorbei. Zum einen scheiterten die Litauer an „Mr. Champions League“ Dan Beutler (23 Paraden, davon zwei Siebenmeter) im SG-Tor, zum anderen prallten sie im Kampf eins gegen eins einfach ab. 
So war die Bahn frei für Goran Sprem, Kaspar Nielsen, Igor Kos und Michael Knudsen, die endlich einmal Spielfreude ausleben durften und das Publikum mit zum Teil artistisch zelebrierten Toren unterhielten. Sportliche Spannung blieb dem Abend vorbehalten, als Andersson dann doch noch eine Enttäuschung erlebte. Im Hause Lackovic trafen sich Kroaten und Schweden, um das WM-Qualifikationsspiel ihrer Fußballmannschaften zu sehen. 1:0 für Kroatien — der SG-Trainer muss um seine Schweden zittern.