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Nach dem Kaltstart ein souveräner Etappensieg

Erst etwas holperig, am Ende aber souverän hat die SG Flensburg-Handewitt die erste Etappe in der Handball-Champions-League 2005/06 bewältigt und beim tschechischen Meister HC Banik Karvina mit 28:22 (14:13) gewonnen.
Kent-Harry Andersson wurde dann doch nervös. Eineinviertel Stunden vor dem  Spiel in der Gruppe H der Champions League irrte der Bus der SG Flensburg-Handewitt immer noch durch Karvina. Der schwedische Trainer, dem soviel an einer peniblen Vorbereitung liegt, fühlte sich durch den Chauffeur empfindlich gestört: „Erst kommt er 15 Minuten zu spät, dann weiß er den Weg nicht. Unmöglich.“
Schließlich doch angekommen in der Hazena-Halle, zogen die Spieler des deutschen Vizemeisters in eiskalte Kabinen ein, was der sonst unerschütterlichen Gemütsruhe Anderssons durchaus nicht zuträglich war.  Prompt geriet den Flensburgern, von denen einige nicht gerade als Frühaufsteher bekannt sind, der Start in die um 10.30 Uhr angepfiffene Partie ausgesprochen zäh.

Kent-Harry Andersson wurde nervös.

Punkt zwölf Uhr mittags war alles wieder gut. „Mit sechs Toren gewonnen — mehr darf man auswärts nicht erwarten in der Champions League“, bilanzierte Andersson nach dem 28:22 (14:13) über den siebenmaligen tschechischen Meister Banik Karvina, der sich weitaus heftiger gewehrt hatte als vor einem Jahr. Damals gewann die SG  mit 39:27.
Ein Fehlstart in die Köngsklasse lag diesmal gar nicht so fern. In der ausgeglichenen ersten Halbzeit hatten die leidenschaftlich kämpfenden Tschechen dreimal die Nase vorn, zuletzt beim 9:8 nach 14 Minuten. Verantwortlich dafür war zum einen der herausragende Banik-Torhüter Milos Putera mit zwölf Paraden und zum anderen eine unterirdische Leistung der Flensburger. Technische Fehler, unvorbereitete Würfe, leichtfertiger Umgang mit besten Gelegenheiten, Schlafmützigkeit in der Deckung — die SG ließ in den ersten 30 Minuten keinen Schnitzer aus.
„Es waren viele dumme Fehler, die man sich in der Champions League nicht erlauben darf. Wir haben sie nicht unterschätzt, aber wir wussten auch, dass wir die bessere Mannschaft sind“, bekannte sich Spielmacher Glenn Solberg zu einem Motivationsproblem, das 30 Minuten lang die erheblichen Unterschiede zwischen den individuellen Fertigkeiten von Gastgebern und Gästen verschleiert hatte.

Dan Beutler bestach.

Es gab eine Ausnahme. Dan Beutler war der Mann, „der uns im Spiel gehalten hat. Er war super“, lobte Jan Holpert seinen Torhüterkollegen. Die etatmäßige Nummer eins blieb diesmal auf der Bank, weil Beutler die Chance bekommen sollte, sich aus einer sportlichen Krise zu befreien. Die nutzte der Schwede entschlossen. 23 Paraden bei 22 Gegentoren, das bedeutet eine fabelhafte Quote von 51 Prozent. „Ich habe mich sehr geärgert über die Kritik nach dem Spiel in Großwallstadt“, sagte der Torhüter, der am kommenden Montag 28 Jahre alt wird. „Ich war verunsichert; bin ich gut oder nicht? Aber ich wusste, dass ich nur ein Spiel brauchte, um zurückzukommen.“
Neben Beutler gab es zwei weitere Matchwinner. Kasper Nielsen kam für den enttäuschenden Blazenko Lackovic und wurde in der zweiten Hälfte zum besten Feldspieler der SG: zupackend in der Abwehr, sicher im Abschluss und kreativ beim Anspiel. Nachdem die Schweizer Schiedsrichter, für die das Spiel manchmal etwas zu schnell schien, zwei Stürmerfouls gegen Nielsen gepfiffen hatten, „wurde er endlich sauer“, erkannte Co-Trainer Bogdan Wenta — Initialzündung für eine Top-Leistung des Dänen. Auch bei Marcin Lijewski platzte nach einer mäßigen „Kieler Woche“ der Knoten. „Ich musste Kiel vergessen“, sagte der Pole, der dieses Vorhaben mit sieben Tore in die Tat umsetzte. Lijewskis Treffer nach der Pause bereiteten den Weg zum vorentscheidenden 21:17 (46.). Die Kräfte der Tschechen und speziell ihres Halblinken Pavel Horak, auf den alles zugeschnitten war, ließen nach. Gleichzeitig operierte der Favorit mit deutlich reduzierter Fehlerquote und landete schließlich den erwarteten Pflichtsieg.
Nun steuert in der Gruppe H alles auf ein Duell der SG mit Paris Handball um Platz eins zu. Die Franzosen siegten mit 27:22 bei Litauens Champion Granitas Kaunas, der am Sonnabend  (15 Uhr) in die Campushalle kommt.

SG-Notizen

Angebot: Dem SG-Linksaußen Goran Sprem liegt eine Offerte des THW Kiel vor, wie unsere Zeitung erfuhr. Am Rande des Pokalspiels hatte der 26 Jahres alte Kroate bereits ein Gespräch mit Kiels Co-Trainer Klaus-Dieter Petersen. Sprem äußerte sich auf unsere Nachfrage während der Europacup-Reise nach Karvina kryptisch: „Dazu habe ich nichts zu sagen. Wenn es etwas zu sagen gibt, werde ich es tun.“ Ein Dementi klingt anders. SG-Manager Thorsten Storm hat aus Kiel noch nichts gehört: „Wenn es so käme, würde ich sagen: Sprem geben wir nicht her. Aus Prinzip höre ich mir aber jedes Angebot an.“
Gewinnerin: Kirsten Jürgensen darf sich auf ein ganz neues Urlaubsgefühl freuen. Ihr Mann, der SG-Betreuer Karl-Heinz Jürgensen, ist für den Einsatz in der Champions League über seinen Schatten gesprungen und hat sich zum ersten Mal in ein Flugzeug gesetzt. „Ich hatte immer Angst“, sagte der 52-Jährige, der sich stets dem Wunsch der Gattin nach einer Flugreise in den Süden verweigert hatte. „Jetzt kann es losgehen“, sagte Jürgensen, nachdem er die vier Flüge auf der Strecke Hamburg-Prag-Ostrau und retour ohne Probleme überstanden hat.
Flugangst: Das konnten nicht alle von sich behaupten, nachdem  die SG-Delegation in Prag im Flughafen-Bus lange ausharren  musste, bevor die Propellermaschine der Czech Airlines einsteigebereit war. Derweil stritten sich vor aller Augen auf dem Rollfeld die Mechaniker — offenbar über ein Problem mit der in die Jahre gekommenen ATR 72. Das war schon nicht schön für diejenigen, die sonst frei von Flugangst sind, geradezu schockierend aber für Lars Christiansen und Michael Knudsen, die alles andere als begeisterte Flieger sind. Der Linksaußen ließ sich sogar erst zum Weiterfliegen überreden, nachdem die Ursache der Verzögerung geklärt war: Eine Batterie-Schwäche, nichts sicherheitsrelevantes.
Erfahrung: „Es war interessant“, sagte Lars Bastian, der seine erste Champions-League-Reise genossen hat. Der Linkshänder war als Ersatz für Sören Stryger mit nach Tschechien gekommen. Spielen durfte der 19-Jährige nicht, dazu war Trainer Andersson das Spiel zu haarig. „Schade, dass wir den Sack nicht früher zugemacht haben“, meinte Bastian.