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Das Ende einer großen Serie

Was haben die Hamburger AOL-Arena und die Flensburger Campushalle gemeinsam? Beide Spielstätten erlebten am Wochenende das Ende großer Serien. Während die Fußballer des FC Bayern München nach 15 Siegen wieder einmal verloren, stand der THW Kiel, bisweilen als der „FC Bayern des Handballs“ tituliert, beim Erzrivalen SG Flensburg-Handewitt auf verlorenem Posten. Nach sage und schreibe 32 Bundesliga-Spielen gingen die „Zebras“ mal wieder mit gesenkten Köpfen in die Kabine. Dagegen bauten die Hausherren ihren Heimnimbus auf 33 Spiele (seit 20. September 2003) aus und haben überdies seit Mai 2002 in sieben Bundesliga-Begegnungen nicht mehr gegen die Kieler verloren. Am Samstag sorgten die Flensburger schnell für klare Verhältnisse. Von den ersten zehn Würfen landeten neun im Netz. 9:5! „Das war ein echtes Kollektiv“, freute sich SG-Coach Kent-Harry Andersson. Auf der THW-Bank herrschte derweil rege Betriebsamkeit. Henning Fritz, der bis dahin nicht einen Ball gehalten hatte, räumte für Mattias Andersson das Tor, der angeschlagene Stefan Lövgren (Oberschenkel-Zerrung) kam für den blassen Viktor Szilagyi. Und auch die Abwehr veränderte ihr Gesicht. Die offensive Deckung mit „Indianer“ Henrik Lundström wurde von einem 6:0-Abwehrverband abgelöst. Doch in der Defensive war an diesem Nachmittag kein Blumentopf zu gewinnen, zumal Marcus Ahlm bereits vor der Pause seine zweite Zeitstrafe kassierte. Das enttäuschende Spiel des Meisters zeigte sich laut Noka Serdarusic auch im Angriff: „Die rechte Seite war 45 Minuten lang fast tot, und aus der Mitte kam zu wenig.“  

SG Flensburg-Handewitt: Glorreiches Ende einer schweren Woche

Auch auf der Bank wurde gejubelt.

Goran Sprem hatte die Autogrammjäger hinter sich gelassen und näherte sich nun der Kabine. Da löste sich bei ihm mit einem Luftsprung die ganze Anspannung. Keine Frage: Selbst bei denjenigen, die wie der kroatische Linksaußen gar nicht auf der Platte standen, war die Erleichterung riesig. „Dieses Spiel haben wir gebraucht“, strahlte Marcin Lijewski.
Das Nordderby hatte für die SG Flensburg-Handewitt fast schon „Schicksals-Charakter“. Schwer wog die Pleite von Großwallstadt. Manager Thorsten Storm hatte vor Wochenfrist „das Ende des Schmusekurses“ verhängt und registrierte nun große Fortschritte: „Die klaren Worte waren nötig, um die Saison einzuläuten.“ Irritiert reagierte der Geschäftsführer hingegen auf eine Veröffentlichung in einem großen Boulevard-Blatt: „Uns haben tatsächlich Journalisten gefragt, ob die Mannschaft gegen den Trainer spielt.“ Ziemlicher Tobak, zumal Kent-Harry Andersson schon am Mittwoch in Wilhelmshaven einen deutlichen Aufwärtstrend verspürte. „In der zweiten Halbzeit haben wir erstmals in dieser Saison gezeigt, dass wir mit Herz spielen können.“

Gute Stimmung in der Campushalle

Daran knüpften die Flensburger beim souveränen Sieg gegen Kiel an. Die vorher erwartete „Derby-Dramatik“ fiel praktisch aus. Nur kurzfristig flackerte sie mal auf. Beispielsweise in der 40. Minute, als Glenn Solberg und Johnny Jensen in kurzer Folge auf die Bank mussten. Wütende Proteste auf den Rängen, doch die SG blieb „cool“. In doppelter Unterzahl kassierte man nur einen Treffer. „Anders als beim Supercup in München haben wir diesmal die Zeitstrafen gegen uns sehr gut überstanden“, stellte SG-Kapitän Sören Stryger fest.
Dagegen ähnelte das Kreisspiel dem der „Saison-Generalprobe“. Erneut war der THW über diese „Schiene“ sehr verwundbar. Immer wieder „fütterten“ Glenn Solberg oder Blazenko Lackovic den stark auftrumpfenden Johnny Jensen. Mit einer genähten Platzwunde unter dem Auge, die aus der Partie in Wilhelmshaven resultierte, verbreitete er viel Schrecken. „In wichtigen Spielen ist er immer besonders heiß“, wusste Kent-Harry Andersson, der sich am Ende über einige Zaubereien von Lars Christiansen erfreuen durfte. Holger Koschka

THW Kiel: Fehlende Leidenschaft

Die SG bewies mehr Leidenschaft

Es ist schon fast Tradition – vor dem großen Nordderby sprießen die Gerüchte, um vielleicht im anderen Lager etwas Unruhe auszulösen. So soll der THW Kiel um die Dienste des Flensburger Mannschaftsarztes Dr. Hauke Mommsen gebuhlt haben, während die Flensburger eine Kieler „Rabatt-Aktion“ zum „Pokal-Knüller“ kritisierten. Und dann wurde SG-Geschäftsführer Thorsten Storm mit dem Fußball-Regionalligisten Holstein Kiel in Verbindung gebracht. Trotz aller Ablenkungs-Manöver – am Ende zählt nur das Geschehen auf dem Spielfeld. Und das war eindeutig. Selten war einer der beiden großen Rivalen so aussichtslos wie diesmal. „Wer nicht die richtige Leidenschaft hat“, so THW-Manager Uwe Schwenker. „Der hat vor einem fanatischen Heimpublikum keine Chance.“
Das Hauptproblem an diesem Nachmittag „glänzte“ am eigenen Wurfkreis. „Die Abwehr war viel zu offen“, klagte Torwart Mattias Andersson, der wie Kollege Henning Fritz im Schatten des Gegenübers Jan Holpert stand. Auch der als Überraschungscoup geplante Einsatz einer 5+1-Defensive verpuffte. Die Flensburger waren bestens darauf eingestellt. So blieb den Kielern nur der Blick nach vorne. „Die Spieler“, forderte Noka Serdarusic, „die diesmal ein Totalausfall waren, werden sich im Pokal am Dienstag vor den eigenen Zuschauern nicht noch einmal so schwach präsentieren.“ Der Frust verschwand trotz dieser Kampfansage nicht aus den Gesichtern der Kieler. An diesem Tag gelang es lediglich Kent-Harry Andersson, bei THW-Manager Uwe Schwenker ein Lächeln hervorzuzaubern. „Der THW ist die im Moment beste Mannschaft in Europa“, hatte der schwedische Coach in seiner Freude gesagt. Nur: Davon war in Flensburg wenig zu sehen.