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Ein tränenreicher Schluss-Akkord

Ausgelassene Freude oder gar Jubelsprünge brachen bei den Spielern der SG Flensburg-Handewitt nicht aus. Klar, nach dem letzten Pflichtauftritt der Saison, ein standesgemäßer 36:26 (20:11)-Heimerfolg gegen das überforderte Schlusslicht Concordia Delitzsch, herrschte allgemeine Erleichterung die strapaziöse Saison endlich bewältigt zu haben. Auch die Gewissheit, in Meisterschaft und DHB-Pokal eigentlich nur an Überflieger THW Kiel gescheitert zu sein, zudem sich bis unter die vier besten Teams Europas gespielt und dort erst von den "Galaktischen" von Ciudad Real gestoppt worden zu sein, vermochte nicht ein Freudenfest auszulösen.
Vielmehr bestimmte das bewegende Gefühl des "Abschied nehmens" die Gemütslage im Team und auf den Rängen. "Wir verlieren sehr gute Spieler, aber noch wertvollere Menschen", umschrieb SG-Trainer Kent-Harry Andersson treffend die Abschieds-Zeremonie unmittelbar vor Spielbeginn, die viele treue Anhängern und einige Spielern sogar zu Tränen rührte. Fielen die Verabschiedungen von Goran Sprem (Ziel unbekannt), Co-Trainer Bogdan Wenta (Cheftrainer Magdeburg) und Glenn Solberg (Karriere-Ende) schon sehr warmherzig und ergreifend aus, so stellte der allerletzte Auftritt von Christian Berge alles bisher Erlebte in den Schatten.
Das Gesicht von Tränen benetzt, betrat der sympathische Norweger mit Sohnemann Emre auf dem Arm schweren Herzens und langsamen Schrittes nach sieben langen Jahren ein letztes Mal sein sportliches Wohnzimmer.
Beim Anblick des genialen Spielmachers riss es die 6000 Fans endgültig von den Sitzen und unter nicht endenwollendem Applaus galt es in einer Gänsehaut-Atmosphäre für immer Abschied zu nehmen. "Es ist ein unglaublich trauriger Tag für mich. Sieben Jahre lang war die SG mein ganzes Leben. Es war ein Traum, für diesen Verein zu spielen und das hat mich unheimlich stolz gemacht", bemühte sich Berge weit nach Spielende seine Empfindungen in Worte zu kleiden, "ich werde die Mannschaft, Trainer und Fans sehr vermissen. Aber mein Körper macht den Stress nicht mehr mit." Eine Operation an der Leiste hatte verhindert, dass Berge noch ein letztes Mal das Trikot der SG tragen durfte. "Aus der Welt" wird der an Krebs erkrankte Skandinavier allerdings nicht sein. Im dänischen Århus baut Familie Berge ihre Zelte auf und an der Seite von Ex-Trainer und Freund Erik Veje Rasmussen will der 32-Jährige als spielende Co-Trainer an einer neuen Karriere basteln. "Vielleicht werde ich ja eines Tages als Trainer einer Gäste-Mannschaft wieder in Flensburg auflaufen. Das wäre wirklich schön", so Berge.

Christian Berge wurde mit Geschenken überhäuft.

Weitaus rationeller beschrieben Sprem, Solberg und Wenta ihre
Abschiedsvorstellungen. Während für Solberg mit dem Ende in Flensburg zugleich die Karriere als Vorzeige-Profi ausklingt, betreten Sprem und Wenta Neuland. "Ich habe für sehr viele Vereine gespielt und bei der SG war alles in Ordnung. Es gehen mir viele Gefühle durch den Kopf, schließlich bleibt doch ein bisschen von mir hier bei der SG", erklärte der Deutsch-Pole.
Ein Wiedersehen mit Wenta, der Cheftrainer beim SC Magdeburg wird, ist ebenso sicher, wie weitere Auftritte von Goran Sprem. Allerdings zögert der Kroate immer noch das Geheimnis um seine sportliche Zukunft zu lüften. "In den nächsten Tagen fällt die Entscheidung", so Sprem, dessen neuer Arbeitgeber nach eigenen Angaben ein Bundesligist und zudem nicht "allzu weit weg" sein soll.
Welcher Fan sich angesichts dieser Abgänge Sorgen um die Zukunft der SG macht und sich nicht allein von den Versprechungen von Manager Thorsten Storm beruhigen lassen will ("wir werden auch im nächsten Jahr
Top-Handball auf Spitzenniveau bei der SG erleben"), könnte Trost in den Aussagen von Johnny Jensen und Blazenko Lackovic finden. "Wir bekommen neue Spieler und mit ihnen hoffentlich auch ein neues Wir-Gefühl. Dann werden wir wieder angreifen und darauf freue ich mich schon", richtet "Handball-Gott" Jensen den Blick gewohnt nach vorne. Und auch Lackovic, der nach Spielschluss gestand, "einfach total kaputt zu sein", versuchte die Enttäuschung über die titellose Saison schnell zu vergessen. "Andersson ist gefordert eine neue Mannschaft zu formen. Und dann versuchen wir es wieder einen Titel zu gewinnen."