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Vorteil Kiel: Flensburg hisst die weiße Flagge

Die Handballer des THW Kiel können den Sekt für die Feier der zwölften Meisterschaft kaltstellen. Nach einem 37:31 (17:18)-Heimsieg gegen den schärfsten Verfolger und Dauerrivalen SG Flensburg-Handewitt sind die „Zebras“ in der Bundesliga-Tabelle kaum noch einzuholen.
Die Körpersprache verriet alles. In gebückter Haltung und mit hängenden Schultern schlich Sören Stryger am späten Sonnabend Nachmittag durch die Katakomben der Kieler Ostseehalle. Für den Mannschaftskapitän der SG Flensburg-Handewitt ist nach der 31:37 (18:17)-Niederlage beim THW Kiel der Traum von der zweiten deutschen Handball-Meisterschaft nach 2004 geplatzt. Vier Punkte liegt die SG sieben Spieltage vor Saisonende hinter dem THW, dazu haben die Flensburger das wesentlich schlechtere Torverhältnis und auf dem Papier das schwerere Restprogramm — drei gute Gründe, die für den Erzrivalen aus der Landeshauptstadt sprechen.

Derby-Stimmung in der Ostseehalle

„Das tat weh“, sagte Stryger mit leiser Stimme und meinte damit nicht seine Blessuren, der er sich in dem intensiv, aber im Gegensatz zu vielen anderen Duellen zuvor stets fair geführten Derby zugezogen hatte. Gleich zweimal musste der 31-Jährige während der 60 Minuten an der Schulter des Wurfarmes behandelt werden. Doch die Gesundheit interessierte Stryger in diesem Moment nicht. Vielmehr machte sich Stryger Gedanken über den weiteren Saisonverlauf. „Kiel hat nach dem Sieg einen Riesenvorteil. Wenn kein Wunder mehr geschieht, wird der THW Meister.“ Zuversicht klingt anders. Auch Mannschaftskollege Jan Holpert definierte die Ziele neu. „Ein absoluter Meisterschaftsfavorit sind wir seit heute nicht mehr. Vielleicht sollten wir uns erst einmal darauf konzentrieren, unter die ersten Drei zu kommen.“ Schon spürt die SG den heißem Atem der Verfolger VfL Gummersbach und SC Magdeburg im Nacken.
Dabei war die SG lange Zeit auf gutem Wege, ihre Erfolgsserie in der Ostseehalle — vier Jahre zuvor hatten die Flensburger in einem regulären Spiel nicht in Kiel verloren — fortsetzen und die Meisterschaft wieder spannend machen zu können. In der ersten Halbzeit stellten die Gäste die bessere Mannschaft und nahmen eine verdiente 18:17-Führung mit in die Kabinen. Vor allem Jan Holpert avancierte zum großen Ärgernis für die Kieler. Elf Würfe — darunter auch zwei Siebenmeter von Nikola Karabatic und Frode Hagen — wehrte der Ex-Nationalkeeper ab. Auf der anderen Seite musste Deutschlands aktuelle Nummer eins, Henning Fritz, bereits nach zwölf Minuten für Dennis Klockmann seinen Platz räumen. Doch auch Klockmann stand den harten Würfen von Blazenko Lackovic und Marcin Lijewski aus dem Rückraum machtlos gegenüber. Zehn der 18 Tore in den ersten 30 Minuten erzielte das Duo.
THW-Trainer Noka Serdarusic hatte das Problem zur Pause erkannt und mit der Manndeckung von Vid Kavticnik gegen Lackovic in der zweiten Halbzeit das richtige Rezept dagegen gefunden. Lackovic war weitgehend neutralisiert, die Laufwege der anderen fünf Flensburger hatten gegen die Kieler 5+1-Abwehr nicht mehr das richtige Timing. Technische Fehler, die der THW postwendend mit Gegenstoßtoren bestrafte, waren die Folge. „Dabei haben wir das unter der Woche extra noch einmal trainiert“, sagte Stryger. Zudem steigerte sich THW-Torhüter Klockmann nach schwachem Beginn, während sein Gegenüber Holpert rapide abbaute und in der 54. Minute gegen Dan Beutler ausgetauscht wurde.

Gedrückte Stimmung auf der SG-Bank

Den entscheidenden Grund für die Wende in dem Spiel sah Serdarusic in der Psyche der Protagonisten auf dem Feld. „Von den Flensburger Spielern kamen kleine Signale. Sie waren heute nicht so heiß wie Frittenfett. Meine Spieler wollten hingegen unbedingt dieses Spiel gewinnen.“ Bezeichnend dafür waren die vorentscheidenden Treffer zum 33:30 (57.) und 34:30 (58.) durch Marcus Ahlm und Henrik Lundström — in Kieler Unterzahl.
„Man hat heute gesehen, was möglich ist, wenn man an sich glaubt“, philosophierte Ahlm hinterher. „Wir haben zwar in der Vergangenheit nicht immer gut gegen Flensburg ausgesehen, aber wir wussten, dass wir sie schlagen können. Das haben wir heute eindrucksvoll bewiesen und einen großen Schritt in Richtung Meisterschaft gemacht.“ Gratulationen zum Titel der unterlegenen Flensburger nahm Kiels Kreisläufer aber noch nicht entgegen. „Die wollen uns doch nur in Sicherheit wiegen. Wenn wir aber in den restlichen Spielen so auftreten, wie heute, holen wir auch die Meisterschale“, sagte Ahlm — und verließ mit breiten Kreuz die Ostseehalle.