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Jan Filip: Heimliches Training in Prag

Die Szenen nach dem Abpfiff Euregium ähneln sich für Jan Filip: Wenn der Rechtsaußen der HSG Nordhorn verschwitzt auf dem Parkett steht und den Applaus des Publikums entgegen nimmt, kommt sein kleiner Sohn Honzik auf ihn zugelaufen, lässt sich von Papa in die Arme nehmen und verlässt mit ihm zusammen das Spielfeld. Gerade so, als könne der Filius den Abpfiff des Spiels kaum erwarten, um dem Vater wieder ganz allein zu haben. Keine Frage: der Tscheche ist ein ausgeprägter Familienmensch. Was der wiederum auch gerne bestätigt. „Die Familie und der Handball“, sagt Jan Filip, „das sind die wichtigsten Dinge in meinem Leben.“ Seine Familie – das ist neben dem Sohn auch die Ehefrau Hanka und das Töchterchen Anetka.
In diesem „Hort“ fühlt sich der Flügelflitzer geborgen und kann sich ganz dem Handball widmen. Und den beherrscht er schon seit Jahren so gut, dass er es zum tschechischen Nationalspieler und zu den besten Torschützen der Bundesliga gebracht hat. Platz zwei mit 249 Treffern in der vergangenen Saison mit einem Schnitt von 7,3 Toren – nur Lars Christiansen von der SG Flensburg-Handewitt entpuppte sich als noch effizienter.

Mit seinen schnellen Gegenstößen gehört der 32-Jährige auf seiner Position längst zu den Besten des Welthandballs. Das Fachblatt „Handball-Woche“ wies ihm in der diesjährigen Rangliste auf seiner Position Platz eins zu – bester Rechtsaußen der Liga. „Ich bin heute noch immer glücklich“, sagt Manager Bernd Rigterink rückblickend, „dass ich Jan Filip vor fünf Jahren verpflichtet habe.“ Das klingt nach einer Bilderbuch-Karriere als Handball-Profi. Dabei hatte sein Vater eigentlich ganz andere Dinge mit ihm vor. Tennis-Star Ivan Lendl überragte damals alles – und so jagte auch Jan Filip zunächst gelben Filzbällen hinterher. Aber nicht unbedingt besonders motiviert. „Fußball, Eishockey und Handball“, so der Tscheche, „das waren die Sportarten, zu denen ich mich hingezogen fühlte.“
Unmittelbar vor der Wohnung der Familie Filip lag der Trainingsplatz der Handballer von Dukla Prag, auf dem die Jugend ihre Einheiten absolvierte. Und wie der Zufall es wollte, war er vom Fenster des elterlichen Hauses nur zur Hälfte einzusehen. Ergo ging Jan Filip heimlich zum Training der Handballer, ohne Wissen des Vaters aber mit der Rückendeckung seiner Mutter. War Papa daheim, trainierte der Sohn auf der nicht einzusehenden Platzhälfte.
Mit 23 Jahren führte Jan Filip die erste Auslandsstation in die zweite deutsche Liga nach Düsseldorf. Dort begegnete er zum ersten Mal einem Herrn namens Ola Lindgren, der zu jener Zeit bei den Rheinländern als Spielertrainer unter Vertrag stand. Eine schicksalhafte Begegnung, die drei Jahre später zu jenem Vereinswechsel führte, den der Nordhorner Manager Rigterink noch heute als Glücksfall bezeichnet. Im Jahr 2000 stand der damals 27-jährige im italienischen Conversano unter Vertrag, genoss dort zwar den italienischen Lebensstil, war aber handballerisch unterfordert. Jetzt gehört Jan Filip zu den fest Größen der Bundesliga. Es ist noch nicht lange her, da warf der Rechtsaußen bereits seinen 1200. Treffer in der deutschen Eliteklasse. Vor der Partie in der Flensburger Campushalle hat er einen Wunsch: „Mal einen der Großen schlagen – das wäre ganz wichtig für uns.“