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Dämpfer im Titelrennen

"Was war denn bloß mit der SG Flensburg-Handewitt los", rieben sich rund 6000 Anhänger verwundert die Augen. Nicht nur mit großer Mühe und Not, sondern mit einer gewaltigen Portion Glück und Dusel gewann der Tabellenzweite seine Bundesliga-Begegnung gegen die HSG Nordhorn so gerade und eben mit 30:29 (12:12)-Toren und bleibt damit weiter im Titelrennen. Zumindest für eine weitere Woche: Denn sieben Tage vor dem Gipfeltreffen beim THW Kiel (Sonnabend, 15 Uhr) hinterließ das Team von Trainer Kent-Harry Andersson alles andere, als einen titelreifen Eindruck. Denn neben einem starken Dan Beutler im Tor konnten nur Blazenko Lackovic, Michael V. Knudsen und mit Abstrichen Lars Christiansen jene Eindrücke aus dem Training bestätigen, die sowohl Andersson wie auch sein Co-Trainer Bogdan Wenta als "beeindruckend gut" bezeichnet hatten. "Vielleicht haben wir ein bisschen zuviel trainiert. Aber hauptsächlich lagen die Gründe für die Leistung wohl im mentalen Bereich. Einige waren nicht hundertprozentig bei der Sache", analysierte Andersson.
Sein Manager Thorsten Storm fand für die enttäuschende Vorstellung der in Bestbestzung angetretenden Hausherren noch deutlichere Worte: "Einsatz, Ausstrahlung und Bereitschaft zum Kampf fehlten. Anstatt sich über die Leistung der Schiedsrichter zu beschweren, sollten sich die Spieler lieber auf ihre Leistung konzentrieren. Mir hat ganz deutlich der Spaß am Handball gefehlt und das geht den Zuschauern sicherlich genauso. Wir hatten viel Glück, ja einfach Schwein gehabt." Die Suche nach Lichtblicken einer im Vorfeld als Spitzenspiel titulierten Begegnung war mühsam und förderte nur wenig Nennenswertes ans Tageslicht.
Überwiegend sollte sich dabei Handball der Marke "made in sweden" als Gütesiegel bewahrheiten. Schließlich stachen mit den Nordhorner Robert Arrhenius (sieben Treffer und Abwehrchef), dem "Bald-SGer" Ljubomir Vranjes (Spielmacher) und Keeper Jesper Larsson sowie SG-Torwart Dan Beutler auf der anderen Seite fast nur Schweden aus der Masse an durchwachsener Spielkultur hervor. Zur Kategorie II durften sich auch noch die Rückraum-Shooter Blazenko Lackovic (sechs Treffer und starke Abwehrleistung) und Piotr Przybecki (7 Tore, viele Anspiele an Arrhenius) sowie Michael V. Knudsen (vier Treffer gegen die 6:0-Kompaktabwehr) und mit Abstrichen auch noch Lars Christiansen (neun Treffer) zählen.

Lars Christiansen gehörte zu den stärkeren SG-Spielern.

In der Rubrik "Totalausfall" gesellte sich zum einen SGer Marcin Lijewski (zwei Treffer bei neun Versuchen, abwehrschwach gegen Landsmann Przybecki und einige Stockfehler) auch der Nordhorner Torjäger Jan Filip. Beide waren nur ein Schatten ihrer selbst. Der Rest der Aktiven schwankte irgendwo im Bereich zwischen "nicht berauschend bis darf gerne besser werden".
"Wenn wir heute die Abwehrleistung bringen, wie im Training, wird Nordhorn kaum eine Chance haben", saß Wenta wenige Minuten vor dem Anpfiff noch erwartungsvoll gestimmt auf der Bank. Die Ernüchterung folgte auf dem Fuß. Denn nur in den ersten Minuten waren die Gastgeber gewillt Tempo zu gehen. Spätestens ab dem 8:6 (18.) verloren Glenn Solberg und Co. den Faden und ließen einen mannschaftlich geschlossenen Auftritt mehr und mehr vermissen.
"Die SG hatte nur am Ende zehn starke Minuten und das reichte. Sie waren nicht wiederzuerkennen und haben kein Tempo gemacht. Das kam uns natürlich entgegen. So ist es am Ende hart und bitter für meine Mannschaft, nicht gepunktet zu haben. Aber so ist Handball", bilanzierte HSG-Coach Ola Lindgren. Und auch das kleine Kraftpaket Ljubomir Vranjes, der im Sommer zur SG wechseln wird, war die Enttäuschung auf dem Weg zum Mannschaftsbus deutlich anzumerken. "Ich hätte heute lieber selbst eine schwache Leistung geboten und dafür das Spiel gewonnen."
Dabei hatten die Gäste aus der Grafschaft Bentheim alle Karten in der Hand um nach 2001 erneut als Sieger die Campushalle zu verlassen. Denn ab dem mageren 12:12 zur Pause waren es die Lindgren-Schützlinge, die gegen eine teilweise indisponierte SG-Mannschaft den Ton angaben. Gestützt auf eine kompakte 6:0-Abwehr und einem starken Torwart Jesper Larsson sowie einfacher Treffer gegen eine harmlose SG-Deckung setzte sich Nordhorn auf 18:14 (36.) ab und verteidigte den Vorsprung bis in eine Schlussphase hinein, die trotz einer 28:25-Führung (54.) noch eine unglaubliche Wende bieten sollte. "Hauptsache gewonnen", schilderte Kasper Nielsen das Resultat einer Aufholjagd, die kaum jemand der 6000 Augenzeugen noch für möglich gehalten hatte. Doch dank Treffer von Knudsen, Berge, Nielsen und am Ende Lackovic brachte die SG die Nordhorner um die verdienten Früchte ihrer Arbeit. Und Knudsen ergänzte: "Aber am kommenden Wochenende müssen wir besser sein." Ähnlich sah es auch Johnny Jensen, dem die Ursachenforschung ähnlich schwer fiel. "Wir haben keine Konter bekommen und auch keine einfache Tore gemacht. Und dann bekommt man gegen Nordhorn Probleme. Wir müssen in Kiel deutlich aggressiver werden und wieder mehr Tempo machen", blickt der Norweger dem Gipfeltreffen entgegen.