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Nichts passte beim Duell mit dem Altmeister

Doppelter Genickschlag für die SG Flensburg-Handewitt: Zur ersten Heimniederlage in der Handball-Bundesliga nach über zwei Jahren kam noch die Nachricht vom 54:34 des THW Kiel gegen Magdeburg. Im Titelrennen sieht sich der Vizemeister plötzlich klar im Rückstand.
Christian Berge hatte seine Gründe für die Niederlage, die nach 1188 Tagen und 39 Bundesliga-Siegen in Serie fast historisch zu nennen ist, schnell strukturiert. „Wir hatten vier Probleme. Erstens waren wir alle müde, zweiten hatten wir drei Verletzte, drittens fehlten uns die Kreisläufer und viertens haben wir in der entscheidenden Phase schlecht gespielt“, sagte der Spielmacher der SG Flensburg-Handewitt nach dem 32:34 (16:16) gegen den VfL Gummersbach.

Gummersbach stürmte die "Hölle Nord".

Die üble Liste lässt sich mühelos ergänzen. Alles Pech, dass der Sport so bereithält und mit dem man in anderer Dosierung ganz gut leben kann, sollte offenbar an diesem Dienstag auf die Mannschaft von Trainer Kent-Harry Andersson einstürzen. „Es ist ein bisschen chaotisch bei uns“, sagte der Schwede schon mittags, als klar war, dass Torhüter Dan Beutler mit Fieber im Bett bleiben müsste. Der gleiche Magen-Darm-Virus plagte die Außen Lars Christiansen und Sören Stryger. Sie gingen geschwächt in die Partie, in der ohnehin Johnny Jensen und Michael Knudsen für Kreis und Innenverteidigung ausfielen.
Das Duell mit dem Altmeister kam zum denkbar unglücklichsten Zeitpunkt für die SG, der gerade mal 49 Stunden zuvor Höllenstress beim 43:40 gegen Kronau-Östringen erlebt hatte. Es fügte sich ins Bild, dass Heide Simonis nach ihrem Amt auch der Status als Glücksbringerin der SG abhanden kam. Erstmals sah die ehemalige Landesmutter in der Campushalle eine Niederlage der Heimannschaft. Das wirkte besonders auf Torhüter Jan Holpert. „Hätte er alle Bälle gehalten, an denen er dran war, wäre es eine überirdische Leistung geworden“, meinte SG-Manager Thorsten Storm. Kuriose Krönung des Schlamassels: Ein Ball prallte von der Latte gegen Holperts Rücken und dann ins Tor.
Schließlich erwischte die SG noch Spielleiter, die sich ausgerechnet an diesem Tag als „Nicht-Heimschiedsrichter“ profilieren wollten. Strittige Entscheidungen, bei denen Stürmer- oder Abwehrfoul gleichermaßen vertretbar gewesen wäre, fällten Geipel/Helbig meistens zu Gunsten von Gummersbach. Schuldig sprechen wollte sie dennoch niemand bei der SG. „Sie haben uns nicht geholfen, waren insgesamt aber okay“, sagte der starke Aushilfs-Kreisläufer Joachim Boldsen, „wir waren einfach nicht gut genug, um den Sack zuzumachen, als wir in der zweiten Halbzeit mit zwei Toren vorn lagen“.

Christian Berge sah vier Gründe für die Niederlage.

In die Sparte „nicht gut genug“ fallen individuelle Blackouts wie drei vergebene Siebenmeter (Christiansen, Stryger, Sprem), die schon zum Sieg genügt hätten, oder der Fehlwurf von Blazenko Lackovic (55.), der die SG auf 30:31 herangebracht hätte. Stattdessen brachte der Gegenzug die entscheidende Drei-Tore-Führung für den VfL.
„Gummersbach war nicht überragend und hat trotz aller Widrigkeiten bei uns nur mit Ach und Krach gewonnen“, ärgerte sich Thorsten Storm. „Unsere erste Sieben war eigentlich stark genug, um Gummersbach zu schlagen. Leider fehlten in den letzten Minuten die Kräfte. Ich hätte mir gewünscht, dass  Jensen nur mal fünf Minuten gegen Yoon und Gunnarsson deckt. Das hätte  vermutlich gereicht.“
Auch Glenn Solberg sah die größten Schwierigkeiten bei der SG in der Auseinandersetzung mit dem koreanischen VfL-Linkshänder und dem isländischen Kreisläufer. „Der Mittelblock war das Problem“, meinte der Regisseur, der seinen kongenialen Partner Jensen schmerzlich vermisste. Kasper Nielsen konnte die Lücke diesmal nicht füllen und bekam einen Rüffel von Storm: „Man muss auch über sich hinauswachsen wollen. Das erwarte ich gerade von denen, die nicht zur ersten Sieben gehören, dort aber hineinwollen.“

Velimir Kljaic "stänkerte".

Das Ergebnis aus Kiel schlug in Flensburg wie eine Bombe ein — Schaden noch ungewiss. „Es sind nur drei Punkte. Auch andere Mannschaften werden mal Pech haben“, meinte Storm. „Weiterkämpfen“, fordert Marcin Lijewski. „Die Meisterschaft wird sehr, sehr schwer, aber nicht unmöglich“, sagte Berge.
Die SG schreibt sich nicht ab, auch VfL-Coach Velimir Kljaic zählt die Flensburger weiter zu Konkurrenz, die es zu bekämpfen gilt. Mit feinen Stichen versuchte er den Virus der Verunsicherung in die SG-Köpfe zu pflanzen und kritisierte entgegen aller Gepflogenheiten Spieler des Gegners: „Lackovic und Lijewski haben Mängel gegen offensive Deckungen. Das war schon gegen Zagreb zu sehen.“ Kollege Andersson reagierte empört („das gehört sich nicht“), während Storm n*chtern blieb. „Dieses Geschäft“, sagte der SG-Manager, „ist nicht lieb.“