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Die Handballer der SG Flensburg-Handewitt haben im Kampf um die deutsche Meisterschaft einen wichtigen Zähler in der Hamburger Color Line Arena liegen lassen. Nach einem Gegentor in letzter Sekunde musste sich die Mannschaft von Trainer Kent-Harry Andersson mit einem 27:27 (14:12) beim HSV Hamburg begnügen.
Bereits wenige Minuten nachdem HSV-Kreisläufer Andreas Rastner mit einem „lucky punch“ zum finalen 27:27 der taumelnden SG Flensburg-Handewitt mit dem Gongschlag einen schmerzhaften Tiefschlag versetzt hatte, lagen sich die Lijewski-Brüder in den Armen. Nass geschwitzt und Adrenalin berauscht von der Dramatik der letzten Spielminuten wurden mit letzter Kraft ein paar Streicheleinheiten ausgetauscht. Obwohl es — das Ergebnis (27:27) und die persönliche Torbilanz (5:6) betrachtet — keinen eindeutigen Sieger und Verlierer im Bruder-Duell gegeben hatte, hätte der Gemütszustand bei den beiden Polen nicht unterschiedlicher sein können. Krzysztof, der Jüngere, strahlte ob des Punktgewinns seines HSV über das ganze Gesicht und sprach vom einem „super Feeling“, während Marcin, der Ältere, ungläubig den Kopf schüttelte: „Das war dumm, das darf uns nicht passieren. Das Unentschieden ist für uns nicht okay.“

Gegen die aggressive HSV-Deckung war es nicht immer einfach.

Die Enttäuschung des „Alten“ war verständlich. Besonders unter dem Eindruck der hochspannenden Schlussphase. Beim Stande von 26:26 vergab zunächst SG-Linksaußen Lars Christiansen eine „Hundertprozentige“, dann leistete sich der HSV ein misslungenes Kreisanspiel. Im Gegenzug verwandelte Joachim Boldsen humorlos seinen vierten Siebenmeter zum 27:26, auf der andere Seite scheiterte Igor Lawrow per Strafwurf an Jan Holpert. Der Abpraller landete jedoch wieder bei den Hausherren, die einen siebten Feldspieler einwechselten und mit dem Abpfiff durch einen Glückswurf von Rastner („Von 300 dieser Würfe treffe ich nur einen“) zum umjubelten Ausgleich kamen. Der HSV obenauf, die SG am Boden.
„Das Resultat ist gerecht“, meinte ein traurig dreinblickender Kent-Harry Andersson hinterher. Dass der SG-Trainer und die übrigen 10769 Zuschauer überhaupt noch einmal in den „Genuss“ eines Handball-Krimis kamen, hatten sich die Gäste selber zuzuschreiben. 50 Minuten lang dominierten sie die Partie mehr oder weniger und standen kurz vor dem ersten Punktspiel-Triumph ihrer Vereinsgeschichte in der Hansestadt. „Wir spielen super in der Deckung, ich spiele super im Tor, der Sieg war zum Greifen nahe“, sagte der famos parierende SG-Schlussmann Dan Deutler angesichts einer 25:20-Führung (47.). Zu diesem Zeitpunkt hatte HSV-Trainer Martin Schwalb „einige Probleme, den Glauben an meine Mannschaft zu behalten“. „Die hatten uns schon im Sack“, so Hamburgs Manager Dierk Schmäschke.

Johnny Jensen hatte am Kreis einen schweren Stand.

Jedoch vergaß der Vizemeister, diesen zuzuschnüren. Schuld daran war ein eklatanter Durchhänger des Angriffes auf der Zielgeraden. Eine achtminütige Torflaute, klägliche zwei Treffer in den letzten zwölf Minuten, eine Handvoll technischer Fehler — schon war der Punkt futsch. Häufig verzettelten sich die SG-Angreifer gegen die immens offensive HSV-Deckung in Einzelaktionen, immer wieder scheiterten Solberg und Co. am „Wellenbrecher“ Torsten Jansen, der den hochkarätigen SG-Rückraum zu verunsicherten Individualisten verkommen ließ. Und da sich die SG an diesem Tag als sehr „flügellahm“ (Christiansen, Kos) erwies, war es kein Wunder, dass in der Flensburger Offensive zum Ende hin Ratlosigkeit regierte. „Keine Frage, wir haben den Sieg im Angriff verspielt“, sagte Kent-Harry Andersson, fügte aber hinzu. „Ich bin traurig, aber nicht ganz unzufrieden. Hier in Hamburg werden nicht mehr viele Mannschaften punkten.“
Während die Hanseaten noch „den Balsam auf unserer geschundenen Seele“ (Schmäschke) genossen und die Flensburger ihre Wunden nach dem „unnötigen aber verdienten Punktverlust“ (Manager Thorsten Storm) leckten, machten sich die beiden Lijewskis schon zusammen mit ihren angereisten Eltern auf den Weg zum gemeinsamen Abendessen. „Papa und Mama sind HSV-Fans“, sagte Marcin beim Verlassen der Halle. „Das wird ein harter Abend für mich.“