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Keine Zeit für Helden

Drei Siege noch bis Hamburg: Die erste Etappe auf dem Weg zum Final Four hat der Pokalverteidiger SG Flensburg-Handewitt mühsam hinter sich gebracht. Gegen den Wilhelmshavener HV gelang mit 34:28 (18:15) ein glanzloser Sieg.
In Pokalspielen der ersten Runde werden selten Helden geboren, jedenfalls nicht auf der Seite des Favoriten. Lars Christiansen hat beim 34:28 (18:15) gegen den Wilhelmshavener HV 14 Tore gemacht - aber erwartet man das nicht von ihm? Der Linksaußen des Cup-Verteidigers SG Flensburg-Handewitt war einer der Spieler, die ihren Job am Mittwoch vor nur 2500 Zuschauern in der Campushalle höchst professionell erledigten. Andere verspürten weniger Motivation für die Partie gegen den krassen Außenseiter, die dann auch reichlich zäh dahinplätscherte.
Anbrennen konnte gegen die braven Niedersachsen wirklich nichts, und die Spannung um die 48. Minute herum kam eher aus dem Nichts daher gestolpert, als dass sie aus einem auch nur annähernd ausgeglichenen Kräfteverhältnis entstanden wäre. Ebenso plötzlich stahl sie sich auch wieder davon. Wenigstens bei den Gästen hatte der Anschlusstreffer zum 26:27 Eindruck hinterlassen. "Unter Wert geschlagen", sah der ehemalige SG-Kapitän Jan Fegter sein WHV-Team. "Als wir auf ein Tor dran waren, war mehr drin, aber zwei blöde Pfiffe der Schiedsrichter haben uns dann von der Rolle gebracht." Geärgert hat sich Fegter über Johnny Jensen, der behauptet hatte, die SG habe "nur 50 Prozent" ihrer möglichen Leistung gebracht. "Ich glaube, die waren ganz froh, dass sie gewonnen haben."

Johnny Jensen: "Spieler des Spiels"

Fegters Ärger über Jensen vermeintliche Überheblichkeit entsprang einem Missverständnis. Der Norweger, der aus unerfindlichen Gründen zum "Spieler des Spiels" bestimmt worden war, wollte beim überfallartigen Interview des Hallenmoderators eine Entschuldigung für einen mäßigen Auftritt loswerden ("Wir haben nicht gut gespielt") und nicht die Gäste beleidigen.
Half alles nichts: Auch WHV-Trainer Michael Biegler mokierte sich über die "Arroganz" des Meisters und Pokalsiegers, der "ins Spiel ging, als wäre es schon von vornherein gewonnen". Und wenn schon einmal alles irgendwie gegen den Strich läuft, wird auch ein humoristischer Beitrag wie der von Kent-Harry Andersson missdeutet. Er wünsche sich als nächste Pokalaufgabe "wieder ein Heimspiel gegen einen Zweitligisten". Biegler entglitten die Gesichtszüge, reichlich geladen stapfte wenig später Richtung Mannschaftsbus.
Aber wie hätte er wohl geguckt, wenn die SG ernstgemacht und nicht nur in den ersten und letzten zehn Minuten Gas gegeben hätte? Wenn Jan Holpert anstelle des glücklosen Dan Beutler durchgehend das Tor gehütet hätte und nicht erst ab der 41. Minute? Die Möglichkeiten der Wilhelmshavener, zu einer Handball-Gala beizutragen, waren begrenzt. "Die wollten doch gar nicht mitspielen. Die wollten nur nicht hoch verlieren", meinte Joachim Boldsen. Auch Sören Stryger befand: "Das Ziel von Wilhelmshaven war, das Tempo aus dem Spiel zu nehmen. Leider haben sie das oft geschafft. Wir müssen wieder dahin kommen, dass wir 60 Minuten Tempo machen - das ist unsere eigentliche Stärke."
SG-Geschäftsführer Thorsten Storm sah sich vier Tage nach der ärgerlichen Niederlage beim VfL Gummersbach erneut veranlasst, eine unzureichende Berufseinstellung zu kritisieren. Der völlig insdiponierte Olympiasieger Blazenko Lackovic (vier Fehlversuche, kein Treffer gegen den starken WHV-Keeper Weiner) fand noch Milde, nicht aber Marcin Lijewski: "Er ist die Nummer eins auf halbrechts. Da darf er nicht so leichtfertig mit solchen Spielen umgehen. Er muss sie nach einer Verletzung nutzen, um sein Niveau wieder zu erreichen." Einen großen Spieler wie beispielsweise Glenn Solberg, der wieder vorzüglich Regie führte, zeichne es aus, dass er sich gegen jeden Gegner motivieren kann. Am Sonnabend gegen Göppingen - auch so eine Pflichaufgabe vom Schlage Wilhelmshaven - ist die nächste Gelegenheit, es besser zu machen.