Stripes
Stripes
Archiv

Nicht schön aber erfolgreich

Magerkost statt Festmenü - das Pokalspiel der SG Flensburg-Handewitt gegen den Wilhelmshavener HV war nichts für Liebhaber hochklassiger Handballspiele. Einzig der dank des 34:28 (18:15)-Erfolges geglückte Einzug in die 3. Runde stimmte die Anhänger des Cupverteidigers zufrieden. "Das war nicht einmal 50 Prozent, wir haben wirklich schlecht gespielt",drückte Kreisläufer Jonny Jensen das aus, was die rund 2500 Augenzeugen ebenfalls gedacht haben mögen. Gemessen an der von Jahr zu Jahr wachsenden Erwartungshaltung muss der DHB-Pokalsieger die Partie in die Kategorie "nicht schön, aber erfolgreich" einsortieren und nach vorne blicken, wo sich bereits am Sonnabend die Chance zur Rehabilitation bietet. Gegen Frisch Auf Göppingen erhält die SG die Gelegenheit ihren Fans wieder Vollkost zu servieren (19.30 Uhr/Campushalle).
Toptorjäger Lars Christiansen, mit 14 Toren der herausragende Torschütze der Partie, hatte schon vor dem Anpfiff kein gutes Gefühl gehabt. "Solche Spiele bieten immer die Gefahr schlecht zu laufen. Man hat das Gefühl nicht verlieren zu können, kommt nicht richtig ins Spiel und dann passieren viele Fehler", so der Nationalspieler. Und auch Trainer Kent-Harry Andersson machte aus seiner Enttäuschung keinen Hehl. "Ich war sehr zufrieden mit den ersten zehn und letzten zehn Minuten."
Warum sich beim Deutschen Meister in einer bisher unbekannten Form Höhen und Tiefen abwechselten, begründete Andersson: "Wir haben nicht die Konzentration gehalten, darüber wird zu reden sein. "In dieselbe Richtung, nur wesentlich deutlicher machte Manager Thorsten Storm seiner Verärgerung Luft: "Das man ein Spiel vorzeitig abhakt, weil man es nicht mehr verlieren kann, gehört dazu und passiert immer wieder. Mich stört nur sehr, dass es einige Spieler gibt, die nicht die Chance nutzen, um besser in die Saison zu kommen", kritisierte Storm und hatte auch schon einen Sündenbock ausgemacht. "Meiner Ansicht nach müsste ein Spieler wie Marcin Lijewski auch in solchen Spielen viel mehr versuchen, wieder Anschluss zu finden."

Marcin Lijewski musste sich Manager-Schelte gefallen lassen.

Kritik hatten sich an diesem Abend allerdings auch durchaus einige Mitspieler des jungen Polen verdient. Obwohl Wilhelmshaven ohne seinen etatmäßigen Linskhänder Alexandros Vasilakis nach Flensburg gekommen war, oder vielleicht gerade deshalb, offenbarte die SG-Abwehr ungeahnte Schwachstellen. Immer wieder gestatteten die Gastgeber einem ansich nicht sonderlich gefährlichem WHV-Rückraum, zu Wurfversuchen nicht selten bis auf acht Meter ungehindert vorzudringen. Nutznießer waren der Litauer Robertas Pauzoulis, Oliver Köhrmann und in der Schlussphase auch Bennet Wiegert. Dieses Trio kam überwiegend gegen den Mittelblock der 6:0-Abwehr zum Erfolg und ließ dabei auch Torwart Dan Beutler oft "alt" aussehen.
Aus Gäste-Sicht konnte sich auch "Kämpfer" Allan Rasmussen mit guten Aktionen am Kreis empfehlen. Seinen bissigen Einsatz garnierte der Däne mit vier Toren, doch auch das konnte seinen Trainer Michael Biegler nicht gnädig stimmen. "Wir haben hier innerhalb von 14 Tagen zwei Mal mitjeweils sechs Toren verloren. Warum sollte ich da zufrieden sein", knurrte der WHV-Trainer.
Die akzeptablen Passagen zu Beginn und zum Ende der Partie hatte die SGihrer Stammformation zu verdanken. Die Aufstellung Palmar, Solberg und Boldsen im Rückraum, Christiansen und Stryger auf den Außen und Klimovets am Kreis scheint im Moment den effektivsten Handball zu garantieren. Spielzüge klappten wie am Schnürchen und auch das Tempospiel bescherte der SG viele "einfache" Tore. Erst mit dem raumgreifenden Wechsel von Lijewski für Palmar, Lackovic für Solberg und Jensen für den angeschlagenen Klimovets erlitt der Spielrhythmus einen Bruch. Fortan wirkte der Auftritt des Favoriten wie eine Achterbahnfahrt. Mal entzückt, mal enttäuscht - die wenigen Fans wurden von ihren Lieblingen durch ein Wechselbad der Gefühle getrieben.
Auch wenn sich Willhelmshaven, mit 2:6-Punkten auf dem drittletzten Bundesliga-Platz, erst in den letzten Minuten abschütteln ließ, drohte dem Cupverteidiger auch zuvor nie ernsthafte Gefahr. das Spiel aus der Hand zu geben. Selbst als die Niedersachsen nach dem 15:18-Pausenrückstand beim 19:21 (38.), 20:22 (40.) und 26:27 (48.) den Ausgleich in greifbarer Nähe hatten, glaubte niemand wirklich an eine Wende. "Dafür konnte die SG immer wieder einen Zahn zulegen. Das ist eben der Unterschied", beklagte Biegler. Gestützt auf einen starken Jan Holpert sowie Torjäger Lars Christiansen zog die SG wieder an und eilte bis auf 34:26 (56.) entscheidend und unaufhaltsam davon. Mit dem 34:28-Erfolg unternahm der zweifache Pokalsieger mühsam den ersten Schritt nach Hamburg, wo in der Colorline-Arena Mitte April kommenden Jahres die Nachfolgerfrage geklärt wird. Eines ist allerdings schon sicher. Ohne erhebliche Steigerung braucht die SG keinen Gedanken an einen dritten Pokalsieg in Folge zu verschwenden.