Stripes
Stripes
Archiv

"Musketier" Anquetil traf der SG ins Herz

Das Handball-Sport auch unglaublich grausam und erbarmungslos sein kann, musste die SG Flensburg-Handewitt gestern hautnah erleben. Erst mit dem allerletzten Wurf hatte Gregory Anquetil eine denkwürdige Viertelfinal-Auseinandersetzung zwischen der SG Flensburg-Handewitt und Montpellier HB entschieden. Ein einziges Tor sollte in der Endabrechnung nach packenden 120 Minuten Gesamtspielzeit dem französischen Meister den Einzug in die Runde der letzten Vier in der Champions-League ermöglichen.
Erst nach dem Ende der regulären Spielzeit hatte der kleine Franzose mit einem direkt ausgeführten Neun-Meterfreiwurf von der ungünstigen linken Angriffsseite die Abwehrmauer samt den überragenden SG-Torwart Jan Holpert mit einem Wurf durch die Beine genarrt und damit das alles und entscheidende 19:32 erzielt. Die SG, die das Hinspiel vor einer Woche mit 22:36-Toren verloren hatte, wurde somit in allerletzter Sekunde aus dem siebten Himmel und dem schon sichergeglaubten Halbfinal-Einzug wieder auf den harten Boden der Tatsachen zurückgeholt.
"Natürlich ist es bitter, auf diese Art auszuscheiden. Uns hat schließlich nur ein Treffer gefehlt. Aber nach der Pleite im Frankreich haben wir gezeigt, dass wir ein gutes Team sind und können zufrieden mit uns sein", sagte Allrounder Joachim Boldsen. Und sein Trainer Kent-Harry Andersson pflichtete seinem "Traktor" bei. "Wir haben eine tolle Moral bewiesen und ein gutes Spiel gezeigt. Ich kann der Mannschaft überhaupt nicht traurig sein, sondern bin unglaublich stolz auf sie."
Die Hoffnungen auf das Handball-Wunder, dass der SG nach dem Debakel in Montpellier doch noch den Weg ins Halbfinale ebnen sollte, wurde in der Campushalle Realität. Trotz erheblicher Aufstellungssorgen hielt die SG ihr gegebenes Versprechen und gab von der ersten Minute bedingungslos Gas. Dem Druck der Gastgeber, die von 6000 Fans lautstark angetrieben wurden, hielten die Franzosen lange Zeit stand und gestalteten den Rückstand zur Pause beim 11:17 in einer "beruhigenden" Größenordnung.

Joachim Boldsen tankt sich durch.

Als die Gastgeber auch ohne "Rotsünder" Marcin Lijewski (dritte Zeitstrafe) die Aufholjagd nach Wiederanpfiff druckvoll fortsetzten, nahm das Handball-Wunder von Minute zu Minute klarere Konturen an. Mit einem überragenden Lars Christiansen, der insgesamt 14 Treffer markierte, baute die SG die Hypothek aus dem Hinspiel Tor um Tor ab und setzte nach dem 26:15 (44.) und 28:17 (50.) zum Endspurt an. Die Franzosen retteten sich von einer Verlegenheit in die andere und stemmten sich mit aller Macht gegen das im Vorfeld für nahezu unmöglich gehaltene Aus in der Königsklasse.
Als Christian Berge in der vorletzten Spielminute das 32:18 erzielte, kannte der Jubel im Flensburger Hexenkessel keine Grenzen mehr. Die Sekunden wurden gemeinsam heruntergezählt und als die guten Schiedsrichter Csaba/Kekes (Ungarn) die Partie abpfiffen, stürmten die ersten Fans die Spielfläche. Doch zu früh gefreut. Nach einigen hitzigen Diskussionen entschieden die Unparteiischen noch einmal auf einen direkten Neunmeter, dessen Resultat in die Geschichtsbücher eingegangen ist.