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Ein bisschen Spaß musste sein

Kräftig schlug Lars Christiansen mit der flachen Hand Goran Sprem im Vorbeigehen auf den Rücken. Aua. Das hatte gesessen. Das Opfer jedoch, frischgeduscht und vor der Kabine von einigen Journalisten umzingelt, bekam glänzende Auge und grinste wie ein Honigkuchenpferd. Weil der Klaps keinesfalls als Bestrafung, sondern als Anerkennung für ein gelungenes Debüt und die vier Einstands-Tore beim 32:24 (16:13)-Erfolg der SG Flensburg-Handewitt in der Champions League gegen Banik Karvina gemeint war. "Goran, sehr gutes Spiel, Glückwunsch", schlug Christiansen verbal nach, was erneut beim Opfer einen Glückshormonschub auslöste. "Thank you, Lars." Der 25 Jahre alte Kroate strahlte über das ganze Gesicht. "I'm very happy."
Eitler Sonnenschein à la Sprem spiegelte sich zwar nicht in der Miene von Kent-Harry Andersson wider, der ein paar Meter weiter weg über den ersten SG-Sieg in der diesjährigen Champions League diskutierte. Doch sein schmales Grinsen verriet: Der Flensburger Trainer war erleichtert und zufrieden. Über die zwei Punkte in der Gruppe H und über die Rehabilitation für die Fast-Blamage von Presov, die trotz des verletzungsbedingten Ausfalls dreier Leistungsträger (Jensen, Berge, Palmar) gelang. Aber: Dass eine Schwalbe noch keinen Sommer macht, ist auch dem erfahrenen Schweden nur allzu bewusst. Die Partie gegen den tschechischen Meister - eine solide aber in ihren Möglichkeiten begrenzte Mannschaft - verdeutlichte einmal mehr: Auf Höhenflug ist der Deutsche Meister noch nicht, aber zumindest auf dem Wege der Besserung. "Wir haben heute wieder ein paar Fortschritte gemacht", sagte Andersson. "Ich habe bei meinen Spielern wieder Spaß am Handball gespürt."

Beliebt bei Autogrammjägern: Goran Sprem.

Eine Aussage, die sich auf das starke letzte Drittel bezog, in dem die lang vermisste Spielfreude endlich wieder aufblitzte und der SG-Express wie in seinen besten Tagen den nun chancenlosen Gegner überrollte - von 20:18 (40.) auf 26:18 (48.) und 29:19 (53.).
Einer der Hauptdarsteller in diesem letzten Akt: Goran Sprem. Neben dem starken Jan Holpert (15 Paraden) im Tor, dem überzeugenden Andrej Klimovets am Kreis und dem treffsicheren Lars Christiansen auf Linksaußen avancierte der Zufalls-Einkauf aus Kroatien zum auffälligsten Flensburger Akteur. "Man hat gesehen, wie sehr Goran sich gefreut hat, endlich wieder Handball zu spielen. Er hat die anderen vielleicht sogar geweckt und mitgerissen. Er vermittelt Spaß am Handball. Das fehlte uns zuletzt", meinte Andersson hinterher.
Wie wahr. Sprem erzielte bei seinen sechs Versuchen vier Treffer. Tauchte in der Deckung als Spitze und vorne am Kreis und auf Außen auf, präsentierte sich mutig im Abschluss und extrovertiert beim Torjubel - der 25-jährige Olympiasieger weckte Emotionen. Das gefiel den 3500 Zuschauern in der Campushalle, die den unter normalen Umständen nur im Europacup spielberechtigten Neuling lauthals mit  *Goooooran Spreeeeem"-Sprechchören feierten.
Nun die weniger erfreulichen Dingen an diesem Nachmittag. Die da wären: die schwache Leistung der Abwehr in der ersten Halbzeit (Andersson: "zu geringe Aggressivität"), die dem Tschechen Pavel Horak sieben Tore in den ersten 34 Minuten ermöglichte. Oder die ungewohnt  hohe Fehlerquote eines Glenn Solberg und die vielen "Fahrkarten" eines Marcin Lijewski.  Auch "Traktor" Joachim Boldsen schaltet momentan zu häufig in den Leerlauf.
"Wir spielen im Augenblick wie eine Spitzenmannschaft. Wir spielen nicht gut, aber wir gewinnen", bilanzierte Thorsten Storm. Worte, die der SG-Manager nur zu gerne nach dem morgigen Topspiel beim HSV Hamburg wiederholen möchte. Aber: Während Johnny Jensen (Schienbeinprellung) und Kaupo Palmar (Rückenmuskel-Zerrung) eventuell wieder mitmischen können, geht die Leidenszeit von Christian Berge weiter. "Das Sprunggelenk schwillt nach Belastungen immer noch an. Wir müssen Berge für vorerst ein, zwei Wochen raus nehmen", verkündete Mannschaftsarzt Hauke Mommsen die Hiobsbotschaft.