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Was ist nur mit dem deutschen Meister los?

Katerstimmung beim deutschen Meister: Der Stachel der 22:28-Niederlage beim HSV Hamburg saß bei den Handballern der SG Flensburg- Handewitt auch am Tag danach noch tief. Vor allem die Art und Weise, wie das Ergebnis zu Stande kam, muss ihnen reichlich Kopfschmerzen bereiten.
Wie ein begossener Pudel schlich Thorsten Storm nach dem Abpfiff durch die Katakomben der Color-Line-Arena. Der Kopf gesenkt, die Miene versteinert, die Stimmung ganz unten. "Mann, Mann, Mann. Das ist ganz schön bitter", murmelte er vor sich hin.  Der Manager der SG Flensburg-Handewitt hatte schon bessere Tage erlebt. Genau wie die Spieler, die wenige Meter nebenan in der Kabine den Schock der 22:28-Pleite gegen den HSV Hamburg verdauen mussten. Keine fünf  Monate ist es her, da hatte eben in dieser Kabine der Ausnahmezustand geherrscht. Jubel, Trubel, Heiterkeit. Damals, nach dem grandiosen Auftritt beim Final Four 2004, hatten die Korken im Sekundentakt geknallt. Und jetzt? Selter statt Sekt. Nicht mal das "Flens" wollte an diesem schwarzen Dienstag schmecken.

Johnny Jensen hatte wenig Grund zum Jubeln.

Plopp hätte es eigentlich schon vorher auf dem Spielfeld machen sollen. Doch stattdessen präsentierten sich die Spieler der Gastmannschaft  in der zweiten Halbzeit "wie Flasche leer". "Was ist nur  mit dem Meister los?", lautete die meistgestellte Frage an diesem Abend. Die Antwort: kollektives Schulterzucken. "Keine Leidenschaft, kein Biss, kein Aufbäumen", fasste Storm seine Eindrücke zusammen. "Wenn wir so weitermachen, dann müssen wir uns Gedanken über unsere Ansprüche machen." Die rosaroten Tage der Meisterschaft und des Pokalsiegs sind Schnee von gestern, die Gegenwart sieht grau aus. "Wir sind ein Spitzenteam", sagte Johnny Jensen. "Doch leider sieht man davon momentan nichts." Eine schmerzhafte Erkenntnis.
Besonders weh getan haben muss den Flensburgern auch die Feststellung der neutralen Beobachter, dass der HSV im Gegensatz zur SG als Team, als eine homogene Einheit, auftrat. "Jeder bei uns hat heute sein Bestes gegeben und für sich und seinen Nebenmann gekämpft", freute sich HSV-Manager Dierk Schmäschke. Und die Gäste? Man stehe nicht eng genug zusammen, meinte Johnny Jensen nicht nur das Abwehrverhalten in der zweiten Hälfte. "Ich hatte den Eindruck, als hätten alle bei uns zum Schluss die Lust verloren."
Verloren haben die Flensburger auf jeden Fall die beiden Punkte. Und zwar verdientermaßen. Zugegeben, in Hamburg muss man nicht unbedingt gewinnen. Aber man kann es. Und das war am Dienstagabend möglich. Manager Storm sprach später von einer Einladung, die seine Mannschaft nicht angenommen hat. Nach einem verschlafenen Start (1:4) hatten die ohne Berge und Palmar angetretenen Flensburger die Kurve noch rechtzeitig gekriegt und den ungeschlagenen Tabellenführer beim 10:6 mächtig ins Taumeln gebracht. "Leider haben wir dann zwei, drei Bälle leichtfertig weggeworfen", monierte Trainer Kent-Harry Andersson  fehlenden "Killerinstinkt" bei seinen Spielern. Knackpunkt im Spiel der SG war beim Stande von 16:15 (42.) ausgerechnet eine Überzahlsituation, in der sie drei Gegentore kassierte. Von diesem psychologischen "Genickbruch" (Andersson) erholte sich der Meister nicht mehr. Weil er kein Mittel gegen die offensive und aggressive Deckung der Hamburger fand, weil seine Torhüter nach der Pause klar im Schatten von Goran Stojanovic standen, weil er sich zu viele technische Fehler und Fehlwürfe leistete, weil Tempo und Aggressivität nicht auf einem hohen Level gehalten wurden. Irgendwie habe von allem etwas gefehlt, meinte Kapitän Sören Stryger. "Wir kriegen das momentan nicht hin, dass alle sieben Spieler auf dem Feld gleichzeitig gut sind. Mal sind fünf gut, zwei aber dafür schlecht. Das reicht nicht."  Auch nicht gegen Metkovic oder Pfullingen, die nächsten Gegner? Stryger: "Für uns gibt es momentan keine leichten Gegner."