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HSG trotzt Meister ein Remis ab

Der Nordhorner "Skandinavien-Express" drohte die Gäste zu überrollen. Nach neun Minuten führte die HSG 9:2 und Ex-Trainer Kent-Harry Andersson staunte über "Handball von einem anderen Planeten".
Was für ein verrücktes Handballspiel! Da führte die HSG Nordhorn gestern Abend gegen die SG Flensburg-Handewitt mit 9:2 nach neun Minuten. Doch der deutsche Meister und Pokalsieger kämpfte sich in beeindruckender Manier ins Spiel zurück. Und nach 60 prickelnden Bundesliga-Minuten vor der Saisonrekord-Kulisse von 4150 Zuschauern im Euregium wurden die Punkte mit 27:27 (16:14) gerecht geteilt.
"Das waren die besten zehn Minuten, die wir jemals gespielt haben", war HSG-Trainer Ola Lindgren von der Anfangsphase seines Teams begeistert. Basierend auf eine wieder einmal aggressiv und zuverlässig zupackende Abwehr, stieben Kapitän Jan Filip, der mit acht Toren bester Werfer seines Teams war, und seine Kollegen immer wieder zu Gegenstößen davon; fünf der ersten neun Treffer fielen nach Kontern. Ging es einmal nicht im Eiltempo Richtung Flensburger Tor, hatte der  wieder einmal geniale Spielmacher Ljubomir Vranjes immer einen Zuckerpass parat - oder warf selbst ins Tor.
"Ich habe gedacht, die spielen Handball von einem anderen Planeten", gab Kent-Harry Andersson später Einblick in seine Gedanken. Dem schwedischen Coach der Gäste widerfuhr so an früherer Wirkungsstätte ein Novum in seiner Trainerkarriere: Bereits nach drei Minuten und 26 Sekunden sah er sich zu einer Auszeit gezwungen, um seine Mannschaft neu zu ordnen. "So etwas habe ich noch nie erlebt", sagte Andersson, "aber wir lagen 2:5 zurück und mussten etwas tun."
Erst einmal aber trafen die entfesselten Gastgeber noch vier Mal in Folge. Dann aber  fanden die Flensburger, bei denen einige Spieler angeschlagen waren und Spielmacher Joachim Boldsen krank daheim geblieben war, in Abwehr und Angriff auf ihr gewohntes Niveau. "Sie haben sich Stück für Stück ins Spiel zurück gearbeitet", erkannte Lindgren an.
Bei 16:16 (34.) waren die Flensburger erstmals wieder gleichauf. Und als Lars Christiansen, der mit zehn Toren gestern Abend am häufigsten traf, mit einem seiner sechs sicher verwandelten Siebenmeter das 17:16 erzielte und die Gäste damit erstmals in Führung brachte, schien sich eine Wende anzubahnen. Doch die Nordhorner behielten diesmal auch in kritischen Situationen Nerven und Überblick. "Wir haben mit viel Geduld und Disziplin gespielt", fand Vranjes, der sich und seine Kollegen auf dem richtigen Weg sieht: "Wir haben einen großen Schritt nach vorn gemacht."

Lars Christiansen traf wieder "zweistellig".

Die Mannschaft ließ sich nicht einmal vor der grausligen Wurfquote Holger Glandorfs aus dem Konzept bringen. Der 20 Jahre alte Rückraumspieler scheiterte ein ums andere Mal mit seinen Wurfversuchen und benötigte für seine zwei Tore elf Versuche. Doch Lindgren nahm den Linkshänder, der in den vergangenen Wochen beständig zu den Besten gehörte, in Schutz: "Ein junger Spieler darf sich auch einmal so ein Spiel erlauben."
Ein Treffer von Glandorf war überdies besonders wichtig; er traf unter dem befreiten Aufschrei der Halle zum 27:25. Dann allerdings fing er sich eine Zeitstrafe ein. Und die Flensburger nutzten die nummerische Überlegenheit zum 27:27-Ausgleich. In der Schlussphase bot sich beiden Teams die Chance zum Sieg. Die  Nordhorner brachen eine Gegenstoß-Chance ab, blieben aber in Ballbesitz. Nach einer Auszeit 19 Sekunden vor dem Ende hatten sie mit dem letzten Angriff die Möglichkeit, den Siegtreffer zu erzielen. Ein Freiwurf von Filip, der in der Mauer hängen blieb, war die letzte Aktion in einem spannenden und guten Handballspiel, dessen Ausgang die befreundeten Trainer Lindgren und Andersson einhellig als gerecht empfanden: "Das Ergebnis geht so absolut in Ordnung."

Stimmen:
Kent-Harry Andersson, Trainer SG Flensburg-Handewitt: Es war ein spannendes und auch ein gutes Handballspiel. In den ersten zehn Minuten habe ich gedacht: Die HSG spielt wie von einem anderen Planeten. Jeder weiß, dass es schwer ist in Nordhorn. Deswegen bin ich ganz froh über diesen Punkt. Unser Spielmacher Joachim Boldsen ist krank und konnte deswegen nicht spielen. Auch Christian Berge sollte eigentlich nicht spielen, weil er so lange verletzt war und nicht mit uns trainiert hat. Aber dann  hat er uns vor allem in der Schlussphase sehr geholfen. Wenn Nordhorn weiter so spielt wie in den ersten zehn Minuten, dann haben wir einen künftigen Meistertrainer, der hier rechts von mir sitzt.

Ola Lindgren, Trainer HSG Nordhorn: Leider wird ein Handballspiel nicht in den ersten zehn Minuten entschieden.  Das waren die besten zehn Minuten, die wir jemals gespielt haben. Aber ich bin sehr zufrieden mit dem Punkt. Wir haben toll gekämpft und mit viel Geduld und Disziplin gespielt. Das ist wichtig gegen Spitzenmannschaften wie Flensburg. Das Tempo war erste Halbzeit sehr hoch, allerdings kann man das nicht über 60 Minuten halten. Die Abwehr  hat sehr gut gestanden und vor allem der Innenblock hatte die nötige Agressivität. Wir sind noch nicht so weit, dass wir Meister werden können. Kent sagt das, weil er immer gerne den Druck von seiner Mannschaft nimmt. Aber für mich ist Flensburg der Top-Favorit.