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Harte Maloche statt meisterlicher Glanz

Das hätte auch ins Auge gehen können: Erst in den letzten zwei Minuten wendete die favorisierte SG Flensburg-Handewitt in eigener Halle eine Blamage gegen den "Underdog" Frischauf Göppingen ab. Der Deutsche Handball-Meister gewann die Bundesligapartie etwas glücklich, aber verdient mit 31:28 (13:12) und mischt mit 8:2 Punkten in der Tabelle weiter oben mit.
Man gehe zurück in das Jahr 2003. Am 8. November empfängt die SG Flensburg-Handewitt Frischauf Göppingen und spielt mit dem Gegner Katz und Maus. Der Sieg der Gastgeber steht praktisch schon nach 20 Minuten beim Stand von 14:7 fest. Die Spannung: gleich null. Zu souverän, zu selbstbewusst, zu dominant tritt die SG auf, die das Spiel "nur" mit 36:25 gewinnt.
Das ist Vergangenheit, die Gegenwart sieht anders aus. Elf Monate später ist gegen denselben (zugegeben erheblich verbesserten) Gegner der Flensburger Heimsieg erst 120 Sekunden vor dem Abpfiff in trockenen Tüchern. Die Spannung: groß. Das Spiel der SG, die am Ende mit 31:28 (13:12) knapp die Nase vorn hat, kennzeichnen viel Kampf und Krampf. Der Meister muss schwer malochen. Handball arbeiten statt zelebrieren ist momentan angesagt.
"Es läuft noch nicht rund", gestand dann auch Kent-Harry Andersson. Er sei wirklich froh über die beiden gewonnenen Punkte, gab der SG-Trainer mit nachdenklicher Miene zu Protokoll. Da schaute der Coach des Verlierers, Velimir Petkovic, schon erheblich freundlicher drein. Seine Laune wäre um ein Haar noch besser gewesen, hätte Flensburgs Torhüter Dan Beutler nicht 120 Sekunden vor dem Abpfiff beim Stande von 30:28 einen Siebenmeter von Alexander Knesevic entschärft und somit den Titelverteidiger und die nicht ganz 6000 Fans in der Campushalle erlöst. "Wir waren nah dran an der Sensation", meinte Petkovic. Eine zutreffende Beschreibung der für viele Beobachter überraschend spannenden 60 Minuten.

Auf und davon: Sören Stryger

"Das war heute schwerer als gegen den THW Kiel", atmete auch SG-Geschäftsführer Thorsten Storm hinterher tief durch. "Aber wenn wir am Ende gewinnen, bin ich immer zufrieden." Das konnte er aber nicht mit der Art und Weise sein, wie dieser Arbeitssieg zu Stande gekommen war. Warum der SG-Motor momentan noch mächtig stottert, war für jeden Anwesenden am Sonnabend augenscheinlich: die Abwehr. Es sei wahrlich nicht der Tag der Deckung gewesen, drückte es Kent-Harry Andersson wohlwollend aus. Dazu zählte er auch Torhüter Jan Holpert, der nicht Normalform erreichte. Weder den starken Halblinken Jaliesky Garcia noch den überzeugenden Kreisläufer Andrius Stelmokas (beide jeweils acht Tore) bekam die SG-Defensive in den Griff. Ob eine defensivere Variante, ob eine 5+1-Abwehr auf Garcia oder gar eine Manndeckung - ein Patentrezept wurde nicht gefunden. Und wer hinten immer ein Tor kassiert, der kann nicht erfolgreich Gegenstöße laufen.
So war es nicht verwunderlich, dass die SG den vermeintlichen "Underdog" - trotz eines Strafzeiten-Verhältnisses von 3:7 - nicht abschütteln konnte. Auch nicht nach dem 18:15 (38.), der ersten Drei-Tore-Führung der Gastgeber. Mit einem starken Martin Galia im Tor und großer Disziplin im Angriff blieb Frischauf stets auf Tuchfühlung. Beim 29:28 (57.) lag dann sogar eine Sensation in der Luft, die allerdings SG-Torhüter Dan Beutler wenig später mit seiner Siebenmeter-Parade verhinderte.
Den Flensburgern muss man zugute halten, dass sie bedingungslos um diese zwei Heimpunkte kämpften. Das große Zaubern? Auf einen späteren Termin verschoben. Genau wie das Comeback von Christian Berge. Hausmannkost statt Champagner-Handball. Was bleibt einem auch übrig, wenn es nicht wie gewünscht läuft? Symptomatisch für das derzeitige Flensburger Spiel ist Marcin Lijewski, der das Prädikat Totalausfall verdiente. Der "polnische Patient", kraft- und saftlos in seinem Auftreten, zahlt momentan die Zeche für die verpasste Vorbereitung. Wie auch Blazenko Lackovic, der zwar sein großes Potenzial mehrfach andeutete, aber noch nicht ins Kollektivspiel integriert ist. Was keineswegs überraschend kommt. "Bei uns haben einige Spieler noch viel Luft nach oben", meinte Manager Storm treffend. "Sie können sich noch erheblich steigern." Müssen sie auch, und zwar schon bald. Am Mittwoch wartet die HSG Nordhorn, ein noch größeres Kaliber als Göppingen. Und eine gute Gelegenheit, wieder Schwung zu holen.