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Storm sauer: SG verschenkt möglichen Sieg

Für Marcin Lijewski war schwarze Magie im Spiel gewesen, ein Fluch. Der 94fache polnische Nationalspieler in Diensten der SG Flensburg-Handewitt war am späten Samstagabend als einziger seiner Mannschaft noch ein paar Minuten auf der Spielfläche geblieben und hatte geduldig Autogramme geschrieben - trotz schwachen Spiels, trotz des deprimierenden 23:24 (9:13) beim VfL Gummersbach, der ersten Saison-Niederlage. Nun stand er in den Katakomben
der gewaltigen KölnArena und machte, weil es ihm an rationalen Erklärungen mangelte, übernatürliche Kräfte für die Niederlage verantwortlich. "Alles ist schwarz", sagte Lijewski und lächelte gequält, "das ist eine magische Halle". Viermal trat die SG bisher in der größten Veranstaltungshalle Europas an, aber nur ein Punkt hat sie mitnehmen können und dreimal mit jeweils einem Tor verloren. "Ich fahre hier nicht wieder hin", sagte deswegen Manager Thorsten Storm. Der erste Kommentar von Trainer Kent-Harry Andersson hieß: "The same procedure as last year."
Dabei hatte es vor 16097 Zuschauern, darunter rund 150 SG-Fans, anfangs sehr gut ausgesehen. Die Abwehr stand gut und hatte den gefürchteten Gummersbacher Rückraum Lapcevic, von Behren und Yoon im Griff. Doch nach der 4:2-Führung durch Linksaußen Lars Christiansen kam das Angriffspiel des Deutschen Meisters aufgrund der aggressiven Abwehr des Rekordmeisters völlig zum Erliegen. "Wir haben einfach nicht mehr den Ball laufen lassen und haben unseren Rhythmus verloren", sagte Kapitän Sören Stryger. Die Folge: Mehr als zehn Minuten lang (!) gelang der Mannschaft kein Tor in dieser spielerisch mäßigen Partie. Erst eine brachiale Einzelaktion des für Joachim Boldsen eingewechselten Olympiasiegers Lackovic zum 5:8 in Minute 19 brach den Bann.

Lars Christiansen hatte einen schweren Stand

Bis dahin hatte Dan Beutler im Tor nur einmal seine Hand an den Ball gebracht, nun kam Jan Holpert ins Tor und hielt seine Mannschaft wenigstens im Spiel. Immer wieder jedoch rannten sich der statische Rückraum in der gut gestaffelten und aggressiven Gummersbacher Abwehr fest, Christiansen und Stryger vergaben jeweils einen Siebenmeter. Dazu kassierte die SG in den ersten 30 Minuten bereits drei Treffer in Überzahl. Das 9:13 zur Pause war
noch schmeichelhaft.
Dass die Mannschaft sich in der zweiten Halbzeit aufraffte und in einem Gewaltakt zum 15:15 ausglich, gehörte für Coach Andersson zu den wenigen positiven Aspekten des Abends: "Wir haben nicht gut gespielt, aber in dieser Phase haben wir uns zurückgekämpft." Als Sollberg eine Viertelstunde vor Schluss durch einen listigen Hüftwurf zum 18:17 einwarf, da schien das Spiel sogar zu kippen. Aber als es darauf ankam, versagten vor allem den Außen die Nerven: Christiansen scheiterte mit den beiden einzigen Tempogegenstößen der Flensburger am überragenden Torwart Ege, zudem beim Stand von 21:23 mit einem Siebenmeter. Stryger hatte ebenfalls ein rabenschwarzen Tag erwischt und traf nur einen von vier Versuchen. Dazu kamen nun bizarre technische Fehler, einmal warf Lijewski den Ball unbedrängt in die Arme Mierzwas, der sich mit einem Tempogegenstoß bedankte.
Die Verunsicherung übertrug sich gar auf die Bank: Als Lackovic vier Minuten vor Schluss in Überzahl nach einem Angriff auf die Bank zurückkehrte, ersetzte ihn keiner! So verwirkte die SG 30 Sekunden lang eine Überzahl. Selbst die gewogenen Schiedsrichter Becker/Hack, die Lackovic nach Protesten ein "Phantomtor" zum 22:24 gaben (der Ball hatte, wie die Wiederholung zeigte, nicht die Linie überquert), brachte die SG nicht mehr auf die Siegerstraße. "Es wäre aber auch unverdient gewesen, bei einer solchen Leistung hier zu gewinnen", meinte Manager Storm.
Neben den Außen enttäuschte vor allem das katastrophale Überzahlspiel. Solberg und der ansonsten überzeugende Lackovic, erklärte Andersson dieses Manko, seien noch nicht sicher in den Überzahl-Systemen. Aber auch, was den Spielfluss im Rückraum angeht, "ist noch viel Luft nach oben", fand Storm. Und Andersson tröstete sich daher mit der Erinnerung an die letzte Saison. "Auch im letzten Jahr haben wir hier verloren und sind trotzdem Meister geworden", sagte der Trainer, "ich hoffe, dass ist dieses Jahr auch so". Womöglich erweist der Fluch der Auswärtsniederlagen also doch noch als Segen.