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Der siebte Streich

Kent-Harry Andersson hatte wieder Mal einen "meisterlichen Instinkt". Wenn wir uns in der Abwehr und im Tor Vorteile erkämpfen, haben wir gute Chancen", glaubte der SG-Coach zwei Tage vor dem Nordderby. Der erfahrene Schwede sollte recht behalten. Jan Holpert gewann das Torwart-Duell gegen Henning Fritz, und die Abwehr mit den beiden Norwegern Johnny Jensen und Glenn Solberg brillierte. Der Rückraum der Kieler, zuletzt das Paradestück, blieb ungewohnt harmlos. "Trotz des frühen Zeitpunkts der Saison steht die Mannschaft schon sehr gut in der Defensive", staunte SG-Manager Thorsten Storm.
Eine frühzeitige Entscheidung erlebte die Flensburger Campushalle, in der manchmal die Funken zu sehr übersprangen, aber nicht. Das hatte zwei Gründe: Zum einen erwies sich Kreisläufer Marcus Ahlm als geeignetes Rezept, die 6:0-Deckung der SG zu knacken; zum anderen lief es auch im Angriff der Hausherren holprig. Ein Spiel über die Außen fand praktisch gar nicht statt. Noch in der 38. Minute führten die Kieler mit 16:14. Spätestens zu diesem Zeitpunkt kämpfte der Gast aber mit der "Zeitstrafen-Auslegung" der Schiedsrichter (Serdarusic: "Ich hatte das Gefühl, meine Spieler waren viel schneller draußen"). Der Mittelblock mit Marcus Ahlm und Stefan Lövgren bewegte sich am Rand der "roten Karte", für Christian Zeitz war nach der dritten Zeitstrafe in der 53. Minute endgültig Schluss. Zuvor musste er bereits ein gellendes Pfeifkonzert über sich ergehen lassen, nachdem er bei einem Gegenstoß Lars Christiansen spektakulär gefoult hatte. Ein Druck, dem der 23-Jährige nicht gewachsen war. Seine insgesamt zehn Fehlwürfe waren eine schwere Hypothek. 

Das Debüt eines Olympiasiegers

Blazenko Lackovic zeigte sich nun auch auf dem Spielfeld.

Blazenko Lackovic strahlte: "Ich habe keine Schmerzen im Knie." Aus medizinischer Sicht hatte der Kroate sein Bundesliga-Debüt auf jeden Fall gut überstanden. Aber auch sportlich konnte sich der Einstand des 23-Jährigen sehen lassen. Auch wenn der Olympiasieger bei fünf Versuchen gegen Silbermedaillen-Gewinner Henning Fritz dreimal nur zweiter Sieger blieb, setzte er wichtige Akzente. "Als Lackovic, kam lief es für uns im Angriff besser", staunte Glenn Solberg über seinen Nebenmann, mit dem er nur einmal richtig trainiert hatte. Tags zuvor. In der 15. Minute hatte der vermeintliche "Shooter" erstmals das Spielfeld betreten - und brillierte gleich mit einem Anspiel an den Kreis. "Er ist auf einem guten Kurs", lobte ihn auch Trainer Kent-Harry Andersson.
Es ist noch keine drei Wochen her, dass Blazenko Lackovic aus Athen mit einem lädierten Knie zurück gekehrt war. Das Gelenk des rechten Beines war bei seiner Ankunft in Flensburg massiv geschwollen und erwärmt. Die Folgen eines verfrühten Einstiegs in den Wettkampf. Erst im Juni war Blazenko Lackovic aufgrund eines Außenmeniskus-Risses am Knie in Zagreb operiert worden, absolvierte die Olympischen Spiele aber im vollem Umfang. SG-Mannschaftsarzt Hauke Mommsen schüttelt immer noch den Kopf: "Es war völlig unverantwortlich und bedenklich so einen Spieler so kurz nach einer solchen Operation mit diesen hohen Belastungsspitzen einzusetzen."
Sein Debüt feierte Blazenko Lackovic nun ausgerechnet gegen den THW Kiel. Der Klub, der im März schon mit seiner Verpflichtung fest geplant hatte. "Ich habe sowohl mit Kiel als auch mit Flensburg gesprochen", erzählt der Kroate rückblickend. "Letztendlich überzeugte mich die SG aber davon, dass es sich um einen sehr gut geführten Verein handelt und Kent-Harry ein sehr guter Trainer ist." Der THW zog nicht nur beim siebten Nordderby in Serie den Kürzeren.

Zwei Freunde als Gegner

Glenn Solberg traf Frode Hagen.

Das große Derby war seit einer halben Stunde Geschichte, da saßen zwei Norweger nebeneinander auf dem Fußboden in den Katakomben der Campushalle. Frode Hagen und Glenn Solberg skizzierten noch einmal einige Szenen der letzten 60 Handball-Minuten. "Glenn stand super in der Abwehr, war der Ideengeber im Angriff", schwärmte Frode Hagen von seinem norwegischen Freund und fügte an: "Er spielte so, wie ihn kenne."
Dagegen war der Kieler mit seiner Leistung alles andere als zufrieden. Als THW-Manager Uwe Schwenker in der Pressekonferenz bemängelte, dass aus dem Rückraum zu wenig Druck gekommen sei, war klar, dass damit auch Frode Hagen gemeint war, obwohl sein Name nicht fiel. Der 30-Jährige hatte einen schweren Stand gegen den Mittelblock der norwegischen Nationalmannschaft (Johnny Jensen: "Frode Hagen kennen wir"). Und dann war da noch die Szene 50 Sekunden vor Ultimo. Es stand 23:21, als Frode Hagen frei vor dem gegnerischen Tor stand, aber an Jan Holpert scheiterte. "Wenn ich da getroffen hätte, wäre vielleicht noch ein Punkt möglich gewesen", ärgerte sich der Norweger.
Glenn Solberg hatte hingegen doppelten Grund zur Freude. Zwei wichtige Punkte und das Wiedersehen mit dem alten Freund. Neun Jahre spielte das Duo in einer Mannschaft. Drammen, Nordhorn, Barcelona. Während Frode Hagen von der "Königsposition" die gegnerischen Torhüter zur Verzweiflung brachte, zog Glenn Solberg als Regisseur gekonnt die Strippen. "Wir haben viel gemeinsam erlebt", sagen beide unisono und erinnern an ihre Laufbahn. Aus den Tiefen der Zweiten Liga Norwegens stürmte das Duo 1996 gen City-Cup. 1998 setzten die beiden Nordmänner in Nordhorn zu einem ähnlichen Eroberungszug ein, der 2002 fast in die Deutsche Meisterschaft mündete. Und in den letzten beiden Jahren liefen die Norweger gemeinsam für Barcelona auf. Eine Meisterschaft, ein Europacup und der spanische Königspokal - Frode Hagen und Glenn Solberg erreichten praktisch alles. Gemeinsam, als Freunde.